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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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nungen und die fortdauernde Korrespondenz zwischen mir und
der Rilliet nicht wenig bei. Erichsen war wüthender Republikaner,
und kannte nur wenig die geheime Geschichte der Revolution und
die Schlechtigkeit der Menschen, welche anfingen, sich derselben
zu bemächtigen. Unsre Urtheile waren daher fast immer sich ent¬
gegengesetzt, und das war um so trauriger, weil man beständig
überall fast nur politische Gegenstände verhandelte. Sein Auf¬
enthalt zog sich überdies in die Länge, wir mußten uns trennen;
wir thaten es ohne Bitterkeit, aber das gegenseitige Verhältniß
zwischen uns war so sehr verändert, daß ich unwillkürlich sagte,
ich woll' ihm hundert und fünfzig Livres in Assignaten, unge¬
fähr drei Louisd'or in Gold, die er mir zur Reise gab, weil ich
mit Geld nicht reichlich mich versehen hatte, in London zurück¬
geben. Er antwortete nichts hierauf, und ich reiste fort. --

Meinen Weg nahm ich, wiewohl es Erichsen sonderbar fand,
über Rouen, wo ich einige köstliche Tage zubrachte. "Sehn
Sie," sagt' eines Tages die Rilliet, welche nach und nach meine
ganze Lage kennen gelernt hatte, "sehn Sie, diese Börse ist im
eigentlichen Sinne mein unbeschränktes Eigenthum; betrachten
Sie dieses als das Ihrige, denn wenigstens bin ich's nicht un¬
werth
, daß Sie von mir nehmen," und die Thränen liefen ihr
über's Gesicht. -- Ich drückt' einen glühenden Kuß auf ihre
Hand, -- die größte Kühnheit, welche ich mir jemals mit ihr
erlaubte,-- entwand mich so gut ich konnt', und versprach, mich
ihrer zu erinnern, wenn ich jemals in Verlegenheit kommen
sollte.

Ich schiffte mich zu Dieppe ein, landete nach sechsunddreißig
Stunden morgens früh am 23. Januar in Brigthelmstone, und
kam noch am Abend desselben Tages nach London. -- --

Ich richtete mich mit Heisch wieder auf denselben Fuß ein,
wie in Paris, suchte Bekanntschaften zu machen, besuchte Ho¬

nungen und die fortdauernde Korreſpondenz zwiſchen mir und
der Rilliet nicht wenig bei. Erichſen war wuͤthender Republikaner,
und kannte nur wenig die geheime Geſchichte der Revolution und
die Schlechtigkeit der Menſchen, welche anfingen, ſich derſelben
zu bemaͤchtigen. Unſre Urtheile waren daher faſt immer ſich ent¬
gegengeſetzt, und das war um ſo trauriger, weil man beſtaͤndig
uͤberall faſt nur politiſche Gegenſtaͤnde verhandelte. Sein Auf¬
enthalt zog ſich uͤberdies in die Laͤnge, wir mußten uns trennen;
wir thaten es ohne Bitterkeit, aber das gegenſeitige Verhaͤltniß
zwiſchen uns war ſo ſehr veraͤndert, daß ich unwillkuͤrlich ſagte,
ich woll' ihm hundert und fuͤnfzig Livres in Aſſignaten, unge¬
faͤhr drei Louisd'or in Gold, die er mir zur Reiſe gab, weil ich
mit Geld nicht reichlich mich verſehen hatte, in London zuruͤck¬
geben. Er antwortete nichts hierauf, und ich reiſte fort. —

Meinen Weg nahm ich, wiewohl es Erichſen ſonderbar fand,
uͤber Rouen, wo ich einige koͤſtliche Tage zubrachte. „Sehn
Sie,“ ſagt' eines Tages die Rilliet, welche nach und nach meine
ganze Lage kennen gelernt hatte, „ſehn Sie, dieſe Boͤrſe iſt im
eigentlichen Sinne mein unbeſchraͤnktes Eigenthum; betrachten
Sie dieſes als das Ihrige, denn wenigſtens bin ich's nicht un¬
werth
, daß Sie von mir nehmen,“ und die Thraͤnen liefen ihr
uͤber’s Geſicht. — Ich druͤckt' einen gluͤhenden Kuß auf ihre
Hand, — die groͤßte Kuͤhnheit, welche ich mir jemals mit ihr
erlaubte,— entwand mich ſo gut ich konnt', und verſprach, mich
ihrer zu erinnern, wenn ich jemals in Verlegenheit kommen
ſollte.

Ich ſchiffte mich zu Dieppe ein, landete nach ſechsunddreißig
Stunden morgens fruͤh am 23. Januar in Brigthelmſtone, und
kam noch am Abend deſſelben Tages nach London. — —

Ich richtete mich mit Heiſch wieder auf denſelben Fuß ein,
wie in Paris, ſuchte Bekanntſchaften zu machen, beſuchte Ho¬

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[53/0067] nungen und die fortdauernde Korreſpondenz zwiſchen mir und der Rilliet nicht wenig bei. Erichſen war wuͤthender Republikaner, und kannte nur wenig die geheime Geſchichte der Revolution und die Schlechtigkeit der Menſchen, welche anfingen, ſich derſelben zu bemaͤchtigen. Unſre Urtheile waren daher faſt immer ſich ent¬ gegengeſetzt, und das war um ſo trauriger, weil man beſtaͤndig uͤberall faſt nur politiſche Gegenſtaͤnde verhandelte. Sein Auf¬ enthalt zog ſich uͤberdies in die Laͤnge, wir mußten uns trennen; wir thaten es ohne Bitterkeit, aber das gegenſeitige Verhaͤltniß zwiſchen uns war ſo ſehr veraͤndert, daß ich unwillkuͤrlich ſagte, ich woll' ihm hundert und fuͤnfzig Livres in Aſſignaten, unge¬ faͤhr drei Louisd'or in Gold, die er mir zur Reiſe gab, weil ich mit Geld nicht reichlich mich verſehen hatte, in London zuruͤck¬ geben. Er antwortete nichts hierauf, und ich reiſte fort. — Meinen Weg nahm ich, wiewohl es Erichſen ſonderbar fand, uͤber Rouen, wo ich einige koͤſtliche Tage zubrachte. „Sehn Sie,“ ſagt' eines Tages die Rilliet, welche nach und nach meine ganze Lage kennen gelernt hatte, „ſehn Sie, dieſe Boͤrſe iſt im eigentlichen Sinne mein unbeſchraͤnktes Eigenthum; betrachten Sie dieſes als das Ihrige, denn wenigſtens bin ich's nicht un¬ werth, daß Sie von mir nehmen,“ und die Thraͤnen liefen ihr uͤber’s Geſicht. — Ich druͤckt' einen gluͤhenden Kuß auf ihre Hand, — die groͤßte Kuͤhnheit, welche ich mir jemals mit ihr erlaubte,— entwand mich ſo gut ich konnt', und verſprach, mich ihrer zu erinnern, wenn ich jemals in Verlegenheit kommen ſollte. Ich ſchiffte mich zu Dieppe ein, landete nach ſechsunddreißig Stunden morgens fruͤh am 23. Januar in Brigthelmſtone, und kam noch am Abend deſſelben Tages nach London. — — Ich richtete mich mit Heiſch wieder auf denſelben Fuß ein, wie in Paris, ſuchte Bekanntſchaften zu machen, beſuchte Ho¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/67>, abgerufen am 23.11.2024.