schwieriger Gewaltherrschaft, heftiger Einschreitungen und unnachsichtlicher Willensstrenge bedurft, wie etwan ein Präfekt Napoleons sie in vielen Fällen ausüben mußte, zu welcher Stellung Schultz gewiß trefflich getaugt hätte wiewohl er in seiner gegebenen Laufbahn, durchaus deutschgesinnt und seinem Fürsten mit eifrigster Treue zugethan, das Reich und den Herrscher der Franzosen mit glühendem Hasse stets bekämpfte. In dem geord¬ neten, auf milde Gerechtigkeit gestützten und friedlich und erschütterungslos auf stufenweise Fortbildung ange¬ wiesenen Staate war für die Kraftrichtung unsres Schultz keine Gelegenheit, und die Mißverhältnisse, in die sein Karakter ihn gerathen ließ, mußten ihn erdrücken.
Aus einer altpreußischen ehrbaren Bauernfamilie stam¬ mend hatte Schultz die starre, trockne Unerschütterlich¬ keit, welche den Landleuten so häufig eigen ist, und auf solchem festem Grunde war bei ihm, der durch Schul- und Universitätsstudien sich trefflich ausbildete, die feinste und zarteste Geistesbeweglichkeit hervorgewachsen, in wel¬ cher doch immer wieder, und oft im ganz unerwarteten Augenblick, der ursprüngliche Boden durchschmeckte, und eine leise Biegung plötzlich zur eisernen Festigkeit er¬ starrte. Schultz war ein schöner Mann, von einneh¬ mender Grazie, edel in seinen Triebfedern wie in seinen Gedanken, er stellte sich von selbst in die Reihe der sitt¬ lich- und geistig-Besten. Zuerst in den fränkischen Für¬ stenthümern bei der Regierung angestellt, hatte er in
ſchwieriger Gewaltherrſchaft, heftiger Einſchreitungen und unnachſichtlicher Willensſtrenge bedurft, wie etwan ein Praͤfekt Napoleons ſie in vielen Faͤllen ausuͤben mußte, zu welcher Stellung Schultz gewiß trefflich getaugt haͤtte wiewohl er in ſeiner gegebenen Laufbahn, durchaus deutſchgeſinnt und ſeinem Fuͤrſten mit eifrigſter Treue zugethan, das Reich und den Herrſcher der Franzoſen mit gluͤhendem Haſſe ſtets bekaͤmpfte. In dem geord¬ neten, auf milde Gerechtigkeit geſtuͤtzten und friedlich und erſchuͤtterungslos auf ſtufenweiſe Fortbildung ange¬ wieſenen Staate war fuͤr die Kraftrichtung unſres Schultz keine Gelegenheit, und die Mißverhaͤltniſſe, in die ſein Karakter ihn gerathen ließ, mußten ihn erdruͤcken.
Aus einer altpreußiſchen ehrbaren Bauernfamilie ſtam¬ mend hatte Schultz die ſtarre, trockne Unerſchuͤtterlich¬ keit, welche den Landleuten ſo haͤufig eigen iſt, und auf ſolchem feſtem Grunde war bei ihm, der durch Schul- und Univerſitaͤtsſtudien ſich trefflich ausbildete, die feinſte und zarteſte Geiſtesbeweglichkeit hervorgewachſen, in wel¬ cher doch immer wieder, und oft im ganz unerwarteten Augenblick, der urſpruͤngliche Boden durchſchmeckte, und eine leiſe Biegung ploͤtzlich zur eiſernen Feſtigkeit er¬ ſtarrte. Schultz war ein ſchoͤner Mann, von einneh¬ mender Grazie, edel in ſeinen Triebfedern wie in ſeinen Gedanken, er ſtellte ſich von ſelbſt in die Reihe der ſitt¬ lich- und geiſtig-Beſten. Zuerſt in den fraͤnkiſchen Fuͤr¬ ſtenthuͤmern bei der Regierung angeſtellt, hatte er in
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ſchwieriger Gewaltherrſchaft, heftiger Einſchreitungen und
unnachſichtlicher Willensſtrenge bedurft, wie etwan ein
Praͤfekt Napoleons ſie in vielen Faͤllen ausuͤben mußte,
zu welcher Stellung Schultz gewiß trefflich getaugt haͤtte
wiewohl er in ſeiner gegebenen Laufbahn, durchaus
deutſchgeſinnt und ſeinem Fuͤrſten mit eifrigſter Treue
zugethan, das Reich und den Herrſcher der Franzoſen
mit gluͤhendem Haſſe ſtets bekaͤmpfte. In dem geord¬
neten, auf milde Gerechtigkeit geſtuͤtzten und friedlich
und erſchuͤtterungslos auf ſtufenweiſe Fortbildung ange¬
wieſenen Staate war fuͤr die Kraftrichtung unſres Schultz
keine Gelegenheit, und die Mißverhaͤltniſſe, in die ſein
Karakter ihn gerathen ließ, mußten ihn erdruͤcken.
Aus einer altpreußiſchen ehrbaren Bauernfamilie ſtam¬
mend hatte Schultz die ſtarre, trockne Unerſchuͤtterlich¬
keit, welche den Landleuten ſo haͤufig eigen iſt, und auf
ſolchem feſtem Grunde war bei ihm, der durch Schul-
und Univerſitaͤtsſtudien ſich trefflich ausbildete, die feinſte
und zarteſte Geiſtesbeweglichkeit hervorgewachſen, in wel¬
cher doch immer wieder, und oft im ganz unerwarteten
Augenblick, der urſpruͤngliche Boden durchſchmeckte, und
eine leiſe Biegung ploͤtzlich zur eiſernen Feſtigkeit er¬
ſtarrte. Schultz war ein ſchoͤner Mann, von einneh¬
mender Grazie, edel in ſeinen Triebfedern wie in ſeinen
Gedanken, er ſtellte ſich von ſelbſt in die Reihe der ſitt¬
lich- und geiſtig-Beſten. Zuerſt in den fraͤnkiſchen Fuͤr¬
ſtenthuͤmern bei der Regierung angeſtellt, hatte er in
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/478>, abgerufen am 24.11.2024.
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