Briefwechsel zwischen Goethe und Schultz. Bonn, 1836.
Der Briefe sind nur wenige, und sie beschränken sich auf einen engen Zeitraum; ihr Inhalt aber ist bedeu¬ tend, und der Beitrag wichtig, den sie zur persönlichen Karakteristik liefern. In Betreff Goethe's ist der letz¬ tere Gewinn leicht erfaßt, weil alles sich an schon Be¬ kanntes anschließt; aber für den zweiten Namen bedarf es einiger näheren Angaben, um den ganzen Mann sehen zu lassen, von dem sich in den Briefen gleichsam nur eine Fingerspitze zeigt, oder höchstens einmal die Hand vorstreckt. Schultz aber war ein sehr merkwür¬ diger, im Leben sich kräftig umthuender und nachdrück¬ licher Mann, der als Staatsrath, oder Geheimer Ober- Regierungsrath, wie der Titel späterhin lautete, gar sehr an seiner Stelle war, doch im Vaterlande die Be¬ dingungen, wobei sein ganzes Wesen zur vollsten Ent¬ wicklung gekommen wäre, glücklicherweise nicht finden konnte; wir sagen glücklicherweise, denn dazu hätte es
Briefwechſel zwiſchen Goethe und Schultz. Bonn, 1836.
Der Briefe ſind nur wenige, und ſie beſchraͤnken ſich auf einen engen Zeitraum; ihr Inhalt aber iſt bedeu¬ tend, und der Beitrag wichtig, den ſie zur perſoͤnlichen Karakteriſtik liefern. In Betreff Goethe's iſt der letz¬ tere Gewinn leicht erfaßt, weil alles ſich an ſchon Be¬ kanntes anſchließt; aber fuͤr den zweiten Namen bedarf es einiger naͤheren Angaben, um den ganzen Mann ſehen zu laſſen, von dem ſich in den Briefen gleichſam nur eine Fingerſpitze zeigt, oder hoͤchſtens einmal die Hand vorſtreckt. Schultz aber war ein ſehr merkwuͤr¬ diger, im Leben ſich kraͤftig umthuender und nachdruͤck¬ licher Mann, der als Staatsrath, oder Geheimer Ober- Regierungsrath, wie der Titel ſpaͤterhin lautete, gar ſehr an ſeiner Stelle war, doch im Vaterlande die Be¬ dingungen, wobei ſein ganzes Weſen zur vollſten Ent¬ wicklung gekommen waͤre, gluͤcklicherweiſe nicht finden konnte; wir ſagen gluͤcklicherweiſe, denn dazu haͤtte es
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0477"n="[463]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Briefwechſel zwiſchen Goethe und Schultz.</hi><lb/>
Bonn, <hirendition="#b">1836</hi>.<lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>er Briefe ſind nur wenige, und ſie beſchraͤnken ſich<lb/>
auf einen engen Zeitraum; ihr Inhalt aber iſt bedeu¬<lb/>
tend, und der Beitrag wichtig, den ſie zur perſoͤnlichen<lb/>
Karakteriſtik liefern. In Betreff Goethe's iſt der letz¬<lb/>
tere Gewinn leicht erfaßt, weil alles ſich an ſchon Be¬<lb/>
kanntes anſchließt; aber fuͤr den zweiten Namen bedarf<lb/>
es einiger naͤheren Angaben, um den ganzen Mann<lb/>ſehen zu laſſen, von dem ſich in den Briefen gleichſam<lb/>
nur eine Fingerſpitze zeigt, oder hoͤchſtens einmal die<lb/>
Hand vorſtreckt. Schultz aber war ein ſehr merkwuͤr¬<lb/>
diger, im Leben ſich kraͤftig umthuender und nachdruͤck¬<lb/>
licher Mann, der als Staatsrath, oder Geheimer Ober-<lb/>
Regierungsrath, wie der Titel ſpaͤterhin lautete, gar<lb/>ſehr an ſeiner Stelle war, doch im Vaterlande die Be¬<lb/>
dingungen, wobei ſein ganzes Weſen zur vollſten Ent¬<lb/>
wicklung gekommen waͤre, gluͤcklicherweiſe nicht finden<lb/>
konnte; wir ſagen gluͤcklicherweiſe, denn dazu haͤtte es<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[463]/0477]
Briefwechſel zwiſchen Goethe und Schultz.
Bonn, 1836.
Der Briefe ſind nur wenige, und ſie beſchraͤnken ſich
auf einen engen Zeitraum; ihr Inhalt aber iſt bedeu¬
tend, und der Beitrag wichtig, den ſie zur perſoͤnlichen
Karakteriſtik liefern. In Betreff Goethe's iſt der letz¬
tere Gewinn leicht erfaßt, weil alles ſich an ſchon Be¬
kanntes anſchließt; aber fuͤr den zweiten Namen bedarf
es einiger naͤheren Angaben, um den ganzen Mann
ſehen zu laſſen, von dem ſich in den Briefen gleichſam
nur eine Fingerſpitze zeigt, oder hoͤchſtens einmal die
Hand vorſtreckt. Schultz aber war ein ſehr merkwuͤr¬
diger, im Leben ſich kraͤftig umthuender und nachdruͤck¬
licher Mann, der als Staatsrath, oder Geheimer Ober-
Regierungsrath, wie der Titel ſpaͤterhin lautete, gar
ſehr an ſeiner Stelle war, doch im Vaterlande die Be¬
dingungen, wobei ſein ganzes Weſen zur vollſten Ent¬
wicklung gekommen waͤre, gluͤcklicherweiſe nicht finden
konnte; wir ſagen gluͤcklicherweiſe, denn dazu haͤtte es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. [463]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/477>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.