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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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von Saint-Florentin, der als Minister, wie bekannt,
eine ganz absonderliche Art hatte, sich die Leute vom
Halse zu schaffen, ließ ihn einsperren, als einen unbe¬
quemen Narren, und seit der Zeit hab' ich nicht mehr
von ihm reden gehört. Dieser Neffe Rameau's hatte
an seinem Hochzeittage alle Leiermädchen von Paris,
jede für einen Thaler, gedungen, und so trat er mit¬
ten unter ihnen einher, seine Neuvermählte am Arm,
zu der er sagte: Ihr seid die Tugend, aber ich habe
gewollt, daß sie noch gehoben würde durch die Schat¬
ten, die Euch umgeben. -- Rameau war einst bei einer
schönen Dame zum Besuch, stand plötzlich von seinem
Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen
kleinen Hund, und wirft ihn schleunigst zum Fenster
hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erschro¬
cken: Nun, was machen Sie denn? -- Er bellt falsch!
sagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen
eines Mannes, dessen Ohr verletzt worden ist."--


von Saint-Florentin, der als Miniſter, wie bekannt,
eine ganz abſonderliche Art hatte, ſich die Leute vom
Halſe zu ſchaffen, ließ ihn einſperren, als einen unbe¬
quemen Narren, und ſeit der Zeit hab' ich nicht mehr
von ihm reden gehoͤrt. Dieſer Neffe Rameau's hatte
an ſeinem Hochzeittage alle Leiermaͤdchen von Paris,
jede fuͤr einen Thaler, gedungen, und ſo trat er mit¬
ten unter ihnen einher, ſeine Neuvermaͤhlte am Arm,
zu der er ſagte: Ihr ſeid die Tugend, aber ich habe
gewollt, daß ſie noch gehoben wuͤrde durch die Schat¬
ten, die Euch umgeben. — Rameau war einſt bei einer
ſchoͤnen Dame zum Beſuch, ſtand ploͤtzlich von ſeinem
Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen
kleinen Hund, und wirft ihn ſchleunigſt zum Fenſter
hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erſchro¬
cken: Nun, was machen Sie denn? — Er bellt falſch!
ſagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen
eines Mannes, deſſen Ohr verletzt worden iſt.“—


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[439/0453] von Saint-Florentin, der als Miniſter, wie bekannt, eine ganz abſonderliche Art hatte, ſich die Leute vom Halſe zu ſchaffen, ließ ihn einſperren, als einen unbe¬ quemen Narren, und ſeit der Zeit hab' ich nicht mehr von ihm reden gehoͤrt. Dieſer Neffe Rameau's hatte an ſeinem Hochzeittage alle Leiermaͤdchen von Paris, jede fuͤr einen Thaler, gedungen, und ſo trat er mit¬ ten unter ihnen einher, ſeine Neuvermaͤhlte am Arm, zu der er ſagte: Ihr ſeid die Tugend, aber ich habe gewollt, daß ſie noch gehoben wuͤrde durch die Schat¬ ten, die Euch umgeben. — Rameau war einſt bei einer ſchoͤnen Dame zum Beſuch, ſtand ploͤtzlich von ſeinem Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen kleinen Hund, und wirft ihn ſchleunigſt zum Fenſter hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erſchro¬ cken: Nun, was machen Sie denn? — Er bellt falſch! ſagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen eines Mannes, deſſen Ohr verletzt worden iſt.“—

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/453>, abgerufen am 22.11.2024.