von Saint-Florentin, der als Minister, wie bekannt, eine ganz absonderliche Art hatte, sich die Leute vom Halse zu schaffen, ließ ihn einsperren, als einen unbe¬ quemen Narren, und seit der Zeit hab' ich nicht mehr von ihm reden gehört. Dieser Neffe Rameau's hatte an seinem Hochzeittage alle Leiermädchen von Paris, jede für einen Thaler, gedungen, und so trat er mit¬ ten unter ihnen einher, seine Neuvermählte am Arm, zu der er sagte: Ihr seid die Tugend, aber ich habe gewollt, daß sie noch gehoben würde durch die Schat¬ ten, die Euch umgeben. -- Rameau war einst bei einer schönen Dame zum Besuch, stand plötzlich von seinem Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen kleinen Hund, und wirft ihn schleunigst zum Fenster hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erschro¬ cken: Nun, was machen Sie denn? -- Er bellt falsch! sagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen eines Mannes, dessen Ohr verletzt worden ist."--
von Saint-Florentin, der als Miniſter, wie bekannt, eine ganz abſonderliche Art hatte, ſich die Leute vom Halſe zu ſchaffen, ließ ihn einſperren, als einen unbe¬ quemen Narren, und ſeit der Zeit hab' ich nicht mehr von ihm reden gehoͤrt. Dieſer Neffe Rameau's hatte an ſeinem Hochzeittage alle Leiermaͤdchen von Paris, jede fuͤr einen Thaler, gedungen, und ſo trat er mit¬ ten unter ihnen einher, ſeine Neuvermaͤhlte am Arm, zu der er ſagte: Ihr ſeid die Tugend, aber ich habe gewollt, daß ſie noch gehoben wuͤrde durch die Schat¬ ten, die Euch umgeben. — Rameau war einſt bei einer ſchoͤnen Dame zum Beſuch, ſtand ploͤtzlich von ſeinem Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen kleinen Hund, und wirft ihn ſchleunigſt zum Fenſter hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erſchro¬ cken: Nun, was machen Sie denn? — Er bellt falſch! ſagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen eines Mannes, deſſen Ohr verletzt worden iſt.“—
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0453"n="439"/>
von Saint-Florentin, der als Miniſter, wie bekannt,<lb/>
eine ganz abſonderliche Art hatte, ſich die Leute vom<lb/>
Halſe zu ſchaffen, ließ ihn einſperren, als einen unbe¬<lb/>
quemen Narren, und ſeit der Zeit hab' ich nicht mehr<lb/>
von ihm reden gehoͤrt. Dieſer Neffe Rameau's hatte<lb/>
an ſeinem Hochzeittage alle Leiermaͤdchen von Paris,<lb/>
jede fuͤr einen Thaler, gedungen, und ſo trat er mit¬<lb/>
ten unter ihnen einher, ſeine Neuvermaͤhlte am Arm,<lb/>
zu der er ſagte: Ihr ſeid die Tugend, aber ich habe<lb/>
gewollt, daß ſie noch gehoben wuͤrde durch die Schat¬<lb/>
ten, die Euch umgeben. — Rameau war einſt bei einer<lb/>ſchoͤnen Dame zum Beſuch, ſtand ploͤtzlich von ſeinem<lb/>
Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen<lb/>
kleinen Hund, und wirft ihn ſchleunigſt zum Fenſter<lb/>
hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erſchro¬<lb/>
cken: Nun, was machen Sie denn? — Er bellt falſch!<lb/>ſagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen<lb/>
eines Mannes, deſſen Ohr verletzt worden iſt.“—</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[439/0453]
von Saint-Florentin, der als Miniſter, wie bekannt,
eine ganz abſonderliche Art hatte, ſich die Leute vom
Halſe zu ſchaffen, ließ ihn einſperren, als einen unbe¬
quemen Narren, und ſeit der Zeit hab' ich nicht mehr
von ihm reden gehoͤrt. Dieſer Neffe Rameau's hatte
an ſeinem Hochzeittage alle Leiermaͤdchen von Paris,
jede fuͤr einen Thaler, gedungen, und ſo trat er mit¬
ten unter ihnen einher, ſeine Neuvermaͤhlte am Arm,
zu der er ſagte: Ihr ſeid die Tugend, aber ich habe
gewollt, daß ſie noch gehoben wuͤrde durch die Schat¬
ten, die Euch umgeben. — Rameau war einſt bei einer
ſchoͤnen Dame zum Beſuch, ſtand ploͤtzlich von ſeinem
Stuhl auf, ergriff von dem Schooße der Dame einen
kleinen Hund, und wirft ihn ſchleunigſt zum Fenſter
hinaus vom dritten Stock. Die Dame fragt erſchro¬
cken: Nun, was machen Sie denn? — Er bellt falſch!
ſagt Rameau, und geht auf und ab mit dem Unwillen
eines Mannes, deſſen Ohr verletzt worden iſt.“—
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/453>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.