wickelung der Gegenwart, über die Gestalten der näch¬ sten Vergangenheit, Napoleon, Franzosen, Deutschland Preußen; wie freut' ich mich des unerschütterlichen Ver¬ trauens, das ich trotz aller Zwischendinge stets in unsres vaterländischesten Dichters Vaterlandstreue gesetzt! Wie gerecht, einsichtig und unschuldig waren seine Aeußerun¬ gen in dieser Hinsicht, von wahrem Geschichtsgefühl, so des Augenblicks wie der Jahrhunderte, beseelt! Er sieht nur früh und schnell die Dinge so, wie die Meisten erst spät sie sehen; er hat vieles schon durchgearbeitet und beseitigt, womit wir uns noch plagen; und wir verlangen, er soll unsre Kindereien mitmachen, weil wir sie noch als Ernst nehmen! -- Goethe kein deut¬ scher Patriot? ein ächter und wahrhafter, wie es jemals einen geben kann! In seiner Brust war alle Freiheit Germaniens früh versammelt, und wurde hier, zu unser Aller nie genug erkanntem Frommen, das Muster, das Beispiel, der Stamm unsrer Bildung. In dem Schat¬ ten dieses Baums wandeln wir Alle. Fester und tiefer drangen nie Wurzeln in unsern vaterländischen Boden, mächtiger und ämsiger sogen nie Adern an seinem markigen Innern. Unsere waffenfrohe Jugend, die höhere Gesinnung, die in ihr wirkte, stehen wahrlich bezugreicher zu diesem Geiste, als zu manchem andern, der dabei besonders thätig gewesen sein will. Ist doch nicht alles Freiheit, was so aussieht, was einen Augen¬ blick so genannt wird; und manches französische Wort
wickelung der Gegenwart, uͤber die Geſtalten der naͤch¬ ſten Vergangenheit, Napoleon, Franzoſen, Deutſchland Preußen; wie freut’ ich mich des unerſchuͤtterlichen Ver¬ trauens, das ich trotz aller Zwiſchendinge ſtets in unſres vaterlaͤndiſcheſten Dichters Vaterlandstreue geſetzt! Wie gerecht, einſichtig und unſchuldig waren ſeine Aeußerun¬ gen in dieſer Hinſicht, von wahrem Geſchichtsgefuͤhl, ſo des Augenblicks wie der Jahrhunderte, beſeelt! Er ſieht nur fruͤh und ſchnell die Dinge ſo, wie die Meiſten erſt ſpaͤt ſie ſehen; er hat vieles ſchon durchgearbeitet und beſeitigt, womit wir uns noch plagen; und wir verlangen, er ſoll unſre Kindereien mitmachen, weil wir ſie noch als Ernſt nehmen! — Goethe kein deut¬ ſcher Patriot? ein aͤchter und wahrhafter, wie es jemals einen geben kann! In ſeiner Bruſt war alle Freiheit Germaniens fruͤh verſammelt, und wurde hier, zu unſer Aller nie genug erkanntem Frommen, das Muſter, das Beiſpiel, der Stamm unſrer Bildung. In dem Schat¬ ten dieſes Baums wandeln wir Alle. Feſter und tiefer drangen nie Wurzeln in unſern vaterlaͤndiſchen Boden, maͤchtiger und aͤmſiger ſogen nie Adern an ſeinem markigen Innern. Unſere waffenfrohe Jugend, die hoͤhere Geſinnung, die in ihr wirkte, ſtehen wahrlich bezugreicher zu dieſem Geiſte, als zu manchem andern, der dabei beſonders thaͤtig geweſen ſein will. Iſt doch nicht alles Freiheit, was ſo ausſieht, was einen Augen¬ blick ſo genannt wird; und manches franzoͤſiſche Wort
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wickelung der Gegenwart, uͤber die Geſtalten der naͤch¬
ſten Vergangenheit, Napoleon, Franzoſen, Deutſchland
Preußen; wie freut’ ich mich des unerſchuͤtterlichen Ver¬
trauens, das ich trotz aller Zwiſchendinge ſtets in unſres
vaterlaͤndiſcheſten Dichters Vaterlandstreue geſetzt! Wie
gerecht, einſichtig und unſchuldig waren ſeine Aeußerun¬
gen in dieſer Hinſicht, von wahrem Geſchichtsgefuͤhl, ſo
des Augenblicks wie der Jahrhunderte, beſeelt! Er
ſieht nur fruͤh und ſchnell die Dinge ſo, wie die Meiſten
erſt ſpaͤt ſie ſehen; er hat vieles ſchon durchgearbeitet
und beſeitigt, womit wir uns noch plagen; und wir
verlangen, er ſoll unſre Kindereien mitmachen, weil
wir ſie noch als Ernſt nehmen! — Goethe kein deut¬
ſcher Patriot? ein aͤchter und wahrhafter, wie es jemals
einen geben kann! In ſeiner Bruſt war alle Freiheit
Germaniens fruͤh verſammelt, und wurde hier, zu unſer
Aller nie genug erkanntem Frommen, das Muſter, das
Beiſpiel, der Stamm unſrer Bildung. In dem Schat¬
ten dieſes Baums wandeln wir Alle. Feſter und tiefer
drangen nie Wurzeln in unſern vaterlaͤndiſchen Boden,
maͤchtiger und aͤmſiger ſogen nie Adern an ſeinem
markigen Innern. Unſere waffenfrohe Jugend, die
hoͤhere Geſinnung, die in ihr wirkte, ſtehen wahrlich
bezugreicher zu dieſem Geiſte, als zu manchem andern,
der dabei beſonders thaͤtig geweſen ſein will. Iſt doch
nicht alles Freiheit, was ſo ausſieht, was einen Augen¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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