das Ludwigskreuz mit einem Jahrgehalte zu verschaffen, allein er lehnte beides ab. Mitten in diesem großen Weltverkehr blieb er dennoch einsam und zurückgezogen; seine Bescheidenheit und sein Ernst hielten den Ruhm seines Geistes von seiner Persönlichkeit ab, und die äußere Welt war lang in Zweifel, wer unter dem Na¬ men des unbekannten Philosophen, den er sich in seinen Büchern gegeben, verborgen sein wollte. Nach der Rückkehr von seinen Reisen lebte er zu Paris in dem Hause der Herzogin von Bourbon, die ihn mit Güte überhäufte. Sie war eingeweiht in die Lehren der Mystiker, und bewegte sich darin mit eine Art muntrer Freigeisterei, die sie später, nachdem sie in Spanien gewesen, mehr und mehr ablegte, so wie sie auch nach Saint-Martin's Tode sich ganz den Vorschriften der katholischen Kirche hingab, und im Jahre 1824 das ersehnte Loos hatte, betend in der Kirche der Heiligen Genoveva todt hinzusinken. Saint-Martin befand sich abermals im Auslande, und grade auf einer Reise in Italien, als die französische Revolution ausbrach. Er eilte nach Paris, wo er von seinem hohen Standpunkte den großen Bewegungen unerschüttert zusah, und diese eigenthümlich deutete. Den auferlegten Pflichten des neuen Bürgerthums entzog er sich nicht, sondern versah mit Genauigkeit seinen Dienst als Gemeiner bei der Nationalgarde, welches jedoch die einzige Thätigkeit blieb, durch die er an der Revolution wirklich Theil nahm.
das Ludwigskreuz mit einem Jahrgehalte zu verſchaffen, allein er lehnte beides ab. Mitten in dieſem großen Weltverkehr blieb er dennoch einſam und zuruͤckgezogen; ſeine Beſcheidenheit und ſein Ernſt hielten den Ruhm ſeines Geiſtes von ſeiner Perſoͤnlichkeit ab, und die aͤußere Welt war lang in Zweifel, wer unter dem Na¬ men des unbekannten Philoſophen, den er ſich in ſeinen Buͤchern gegeben, verborgen ſein wollte. Nach der Ruͤckkehr von ſeinen Reiſen lebte er zu Paris in dem Hauſe der Herzogin von Bourbon, die ihn mit Guͤte uͤberhaͤufte. Sie war eingeweiht in die Lehren der Myſtiker, und bewegte ſich darin mit eine Art muntrer Freigeiſterei, die ſie ſpaͤter, nachdem ſie in Spanien geweſen, mehr und mehr ablegte, ſo wie ſie auch nach Saint-Martin’s Tode ſich ganz den Vorſchriften der katholiſchen Kirche hingab, und im Jahre 1824 das erſehnte Loos hatte, betend in der Kirche der Heiligen Genoveva todt hinzuſinken. Saint-Martin befand ſich abermals im Auslande, und grade auf einer Reiſe in Italien, als die franzoͤſiſche Revolution ausbrach. Er eilte nach Paris, wo er von ſeinem hohen Standpunkte den großen Bewegungen unerſchuͤttert zuſah, und dieſe eigenthuͤmlich deutete. Den auferlegten Pflichten des neuen Buͤrgerthums entzog er ſich nicht, ſondern verſah mit Genauigkeit ſeinen Dienſt als Gemeiner bei der Nationalgarde, welches jedoch die einzige Thaͤtigkeit blieb, durch die er an der Revolution wirklich Theil nahm.
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das Ludwigskreuz mit einem Jahrgehalte zu verſchaffen,
allein er lehnte beides ab. Mitten in dieſem großen
Weltverkehr blieb er dennoch einſam und zuruͤckgezogen;
ſeine Beſcheidenheit und ſein Ernſt hielten den Ruhm
ſeines Geiſtes von ſeiner Perſoͤnlichkeit ab, und die
aͤußere Welt war lang in Zweifel, wer unter dem Na¬
men des unbekannten Philoſophen, den er ſich in ſeinen
Buͤchern gegeben, verborgen ſein wollte. Nach der
Ruͤckkehr von ſeinen Reiſen lebte er zu Paris in dem
Hauſe der Herzogin von Bourbon, die ihn mit Guͤte
uͤberhaͤufte. Sie war eingeweiht in die Lehren der
Myſtiker, und bewegte ſich darin mit eine Art muntrer
Freigeiſterei, die ſie ſpaͤter, nachdem ſie in Spanien
geweſen, mehr und mehr ablegte, ſo wie ſie auch nach
Saint-Martin’s Tode ſich ganz den Vorſchriften der
katholiſchen Kirche hingab, und im Jahre 1824 das
erſehnte Loos hatte, betend in der Kirche der Heiligen
Genoveva todt hinzuſinken. Saint-Martin befand ſich
abermals im Auslande, und grade auf einer Reiſe in
Italien, als die franzoͤſiſche Revolution ausbrach. Er
eilte nach Paris, wo er von ſeinem hohen Standpunkte
den großen Bewegungen unerſchuͤttert zuſah, und dieſe
eigenthuͤmlich deutete. Den auferlegten Pflichten des
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/421>, abgerufen am 22.11.2024.
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