Unter diesen sind die geistlichen Lieder, welche unter dem Titel "Heilige Seelenlust" oder "die verliebte Psyche" zuerst im Jahre 1657 zu Breslau, gesammelt und mit Musik des bischöflichen Musikus Georg Josephi versehen, herauskamen, am bekanntesten geblieben. We¬ niger hat sich das Gedicht, "Betrachtung der vier letzten Dinge", welches zu Schweidnitz im Jahre 1675 erschien, im Andenken erhalten. Das wichtigste aber und genialste seiner Werke, "der cherubinische Wandersmann", das zuerst in Breslau und zugleich in Wien im Jahre 1657 gedruckt wurde, und fast ein Jahrhundert hindurch ein weitverbreitetes Erbauungsbuch war, wie dessen zahl¬ reiche Ausgaben bis zum Jahre 1737 bezeugen, sank um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in völlige Vergessenheit hinab. Der Aufmerksamkeit der Gelehrten scheint dieser Schatz am frühsten entschwunden zu sein, und eine Zeit lang wenigstens noch im stillen Besitze der Frommen sich erhalten zu haben, bis er auch hier im Wechsel der Dinge allmählig unterging. Schon Zinzendorf, der die Lieder des Angelus kannte, und eine Auswahl neu herausgeben wollte, gedenkt des cherubinischen Wandersmannes nicht. Die litterarischen Notizen, welche sich über den Autor hätten finden lassen, lagen unbeachtet, den Namen wie die Werke desselben kannte keiner unsrer neueren Dichter noch Dichterfreunde. Höchstens wurde noch, an hiezu geeigneten Orten, der geistlichen Lieder gedacht, die zum Theil unter dem
Unter dieſen ſind die geiſtlichen Lieder, welche unter dem Titel „Heilige Seelenluſt“ oder „die verliebte Pſyche“ zuerſt im Jahre 1657 zu Breslau, geſammelt und mit Muſik des biſchoͤflichen Muſikus Georg Joſephi verſehen, herauskamen, am bekannteſten geblieben. We¬ niger hat ſich das Gedicht, „Betrachtung der vier letzten Dinge“, welches zu Schweidnitz im Jahre 1675 erſchien, im Andenken erhalten. Das wichtigſte aber und genialſte ſeiner Werke, „der cherubiniſche Wandersmann“, das zuerſt in Breslau und zugleich in Wien im Jahre 1657 gedruckt wurde, und faſt ein Jahrhundert hindurch ein weitverbreitetes Erbauungsbuch war, wie deſſen zahl¬ reiche Ausgaben bis zum Jahre 1737 bezeugen, ſank um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in voͤllige Vergeſſenheit hinab. Der Aufmerkſamkeit der Gelehrten ſcheint dieſer Schatz am fruͤhſten entſchwunden zu ſein, und eine Zeit lang wenigſtens noch im ſtillen Beſitze der Frommen ſich erhalten zu haben, bis er auch hier im Wechſel der Dinge allmaͤhlig unterging. Schon Zinzendorf, der die Lieder des Angelus kannte, und eine Auswahl neu herausgeben wollte, gedenkt des cherubiniſchen Wandersmannes nicht. Die litterariſchen Notizen, welche ſich uͤber den Autor haͤtten finden laſſen, lagen unbeachtet, den Namen wie die Werke deſſelben kannte keiner unſrer neueren Dichter noch Dichterfreunde. Hoͤchſtens wurde noch, an hiezu geeigneten Orten, der geiſtlichen Lieder gedacht, die zum Theil unter dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0414"n="400"/>
Unter dieſen ſind die geiſtlichen Lieder, welche unter<lb/>
dem Titel „Heilige Seelenluſt“ oder „die verliebte<lb/>
Pſyche“ zuerſt im Jahre <hirendition="#b">1657</hi> zu Breslau, geſammelt<lb/>
und mit Muſik des biſchoͤflichen Muſikus Georg Joſephi<lb/>
verſehen, herauskamen, am bekannteſten geblieben. We¬<lb/>
niger hat ſich das Gedicht, „Betrachtung der vier letzten<lb/>
Dinge“, welches zu Schweidnitz im Jahre <hirendition="#b">1675</hi> erſchien,<lb/>
im Andenken erhalten. Das wichtigſte aber und genialſte<lb/>ſeiner Werke, „der cherubiniſche Wandersmann“, das<lb/>
zuerſt in Breslau und zugleich in Wien im Jahre <hirendition="#b">1657</hi><lb/>
gedruckt wurde, und faſt ein Jahrhundert hindurch ein<lb/>
weitverbreitetes Erbauungsbuch war, wie deſſen zahl¬<lb/>
reiche Ausgaben bis zum Jahre <hirendition="#b">1737</hi> bezeugen, ſank<lb/>
um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in voͤllige<lb/>
Vergeſſenheit hinab. Der Aufmerkſamkeit der Gelehrten<lb/>ſcheint dieſer Schatz am fruͤhſten entſchwunden zu ſein,<lb/>
und eine Zeit lang wenigſtens noch im ſtillen Beſitze<lb/>
der Frommen ſich erhalten zu haben, bis er auch hier<lb/>
im Wechſel der Dinge allmaͤhlig unterging. Schon<lb/>
Zinzendorf, der die Lieder des Angelus kannte, und<lb/>
eine Auswahl neu herausgeben wollte, gedenkt des<lb/>
cherubiniſchen Wandersmannes nicht. Die litterariſchen<lb/>
Notizen, welche ſich uͤber den Autor haͤtten finden laſſen,<lb/>
lagen unbeachtet, den Namen wie die Werke deſſelben<lb/>
kannte keiner unſrer neueren Dichter noch Dichterfreunde.<lb/>
Hoͤchſtens wurde noch, an hiezu geeigneten Orten, der<lb/>
geiſtlichen Lieder gedacht, die zum Theil unter dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[400/0414]
Unter dieſen ſind die geiſtlichen Lieder, welche unter
dem Titel „Heilige Seelenluſt“ oder „die verliebte
Pſyche“ zuerſt im Jahre 1657 zu Breslau, geſammelt
und mit Muſik des biſchoͤflichen Muſikus Georg Joſephi
verſehen, herauskamen, am bekannteſten geblieben. We¬
niger hat ſich das Gedicht, „Betrachtung der vier letzten
Dinge“, welches zu Schweidnitz im Jahre 1675 erſchien,
im Andenken erhalten. Das wichtigſte aber und genialſte
ſeiner Werke, „der cherubiniſche Wandersmann“, das
zuerſt in Breslau und zugleich in Wien im Jahre 1657
gedruckt wurde, und faſt ein Jahrhundert hindurch ein
weitverbreitetes Erbauungsbuch war, wie deſſen zahl¬
reiche Ausgaben bis zum Jahre 1737 bezeugen, ſank
um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in voͤllige
Vergeſſenheit hinab. Der Aufmerkſamkeit der Gelehrten
ſcheint dieſer Schatz am fruͤhſten entſchwunden zu ſein,
und eine Zeit lang wenigſtens noch im ſtillen Beſitze
der Frommen ſich erhalten zu haben, bis er auch hier
im Wechſel der Dinge allmaͤhlig unterging. Schon
Zinzendorf, der die Lieder des Angelus kannte, und
eine Auswahl neu herausgeben wollte, gedenkt des
cherubiniſchen Wandersmannes nicht. Die litterariſchen
Notizen, welche ſich uͤber den Autor haͤtten finden laſſen,
lagen unbeachtet, den Namen wie die Werke deſſelben
kannte keiner unſrer neueren Dichter noch Dichterfreunde.
Hoͤchſtens wurde noch, an hiezu geeigneten Orten, der
geiſtlichen Lieder gedacht, die zum Theil unter dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/414>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.