Familie, die er in Wien verlassen hatte, wieder ver¬ einigt. Auf der Weiterreise nach Kopenhagen gerieth er in Lebensgefahr, der er jedoch glücklich entging,
Er war mit seiner Stellung in Wien äußerst zu¬ frieden, und genoß in den diplomatischen wie in den gesellschaftlichen Verhältnissen jeder Auszeichnung und Annehmlichkeit. Jedoch hatte er bisweilen wohl im Vertrauen geäußert, daß er einen dem Vaterlande nähe¬ ren Posten vorziehen würde, wenn ein solcher sich zeigen sollte. Als nun die Gesandtschaft am preußischen Hofe dem Grafen Joachim von Bernstorff angetragen wurde, wünschte dieser, voll Zartgefühl und Fürsorge für den geliebten Bruder, daß demselben die Wahl zwischen beiden Posten, den Gesandtschaften zu Wien und Berlin, freigestellt würde. Höchsten Ortes wurde dies gern be¬ willigt, und der ältere Bruder wählte allerdings Berlin, nicht ohne seine alte Anhänglichkeit an den Hof und das Land, so wie seine Vertrautheit mit Sitten und Lebensweise der ihm so sehr befreundeten Stadt, bei diesem Entschlusse wesentlich in Rechnung zu bringen. Er ahndete nicht, wie sehr diese Antriebe sich in der nächsten Zeit bewähren und zu welcher festen Gestalt sie gedeihen sollten!
Im Januar 1817 verließ er Holstein und kam mit den Seinigen nach Berlin. Hier fand er alles seinen Wünschen gemäß; die größte Zuneigung und Hochach¬ tung begegneten ihm von allen Seiten, und während
Familie, die er in Wien verlaſſen hatte, wieder ver¬ einigt. Auf der Weiterreiſe nach Kopenhagen gerieth er in Lebensgefahr, der er jedoch gluͤcklich entging,
Er war mit ſeiner Stellung in Wien aͤußerſt zu¬ frieden, und genoß in den diplomatiſchen wie in den geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſen jeder Auszeichnung und Annehmlichkeit. Jedoch hatte er bisweilen wohl im Vertrauen geaͤußert, daß er einen dem Vaterlande naͤhe¬ ren Poſten vorziehen wuͤrde, wenn ein ſolcher ſich zeigen ſollte. Als nun die Geſandtſchaft am preußiſchen Hofe dem Grafen Joachim von Bernſtorff angetragen wurde, wuͤnſchte dieſer, voll Zartgefuͤhl und Fuͤrſorge fuͤr den geliebten Bruder, daß demſelben die Wahl zwiſchen beiden Poſten, den Geſandtſchaften zu Wien und Berlin, freigeſtellt wuͤrde. Hoͤchſten Ortes wurde dies gern be¬ willigt, und der aͤltere Bruder waͤhlte allerdings Berlin, nicht ohne ſeine alte Anhaͤnglichkeit an den Hof und das Land, ſo wie ſeine Vertrautheit mit Sitten und Lebensweiſe der ihm ſo ſehr befreundeten Stadt, bei dieſem Entſchluſſe weſentlich in Rechnung zu bringen. Er ahndete nicht, wie ſehr dieſe Antriebe ſich in der naͤchſten Zeit bewaͤhren und zu welcher feſten Geſtalt ſie gedeihen ſollten!
Im Januar 1817 verließ er Holſtein und kam mit den Seinigen nach Berlin. Hier fand er alles ſeinen Wuͤnſchen gemaͤß; die groͤßte Zuneigung und Hochach¬ tung begegneten ihm von allen Seiten, und waͤhrend
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Familie, die er in Wien verlaſſen hatte, wieder ver¬
einigt. Auf der Weiterreiſe nach Kopenhagen gerieth
er in Lebensgefahr, der er jedoch gluͤcklich entging,
Er war mit ſeiner Stellung in Wien aͤußerſt zu¬
frieden, und genoß in den diplomatiſchen wie in den
geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſen jeder Auszeichnung und
Annehmlichkeit. Jedoch hatte er bisweilen wohl im
Vertrauen geaͤußert, daß er einen dem Vaterlande naͤhe¬
ren Poſten vorziehen wuͤrde, wenn ein ſolcher ſich zeigen
ſollte. Als nun die Geſandtſchaft am preußiſchen Hofe
dem Grafen Joachim von Bernſtorff angetragen wurde,
wuͤnſchte dieſer, voll Zartgefuͤhl und Fuͤrſorge fuͤr den
geliebten Bruder, daß demſelben die Wahl zwiſchen
beiden Poſten, den Geſandtſchaften zu Wien und Berlin,
freigeſtellt wuͤrde. Hoͤchſten Ortes wurde dies gern be¬
willigt, und der aͤltere Bruder waͤhlte allerdings Berlin,
nicht ohne ſeine alte Anhaͤnglichkeit an den Hof und
das Land, ſo wie ſeine Vertrautheit mit Sitten und
Lebensweiſe der ihm ſo ſehr befreundeten Stadt, bei
dieſem Entſchluſſe weſentlich in Rechnung zu bringen.
Er ahndete nicht, wie ſehr dieſe Antriebe ſich in der
naͤchſten Zeit bewaͤhren und zu welcher feſten Geſtalt
ſie gedeihen ſollten!
Im Januar 1817 verließ er Holſtein und kam mit
den Seinigen nach Berlin. Hier fand er alles ſeinen
Wuͤnſchen gemaͤß; die groͤßte Zuneigung und Hochach¬
tung begegneten ihm von allen Seiten, und waͤhrend
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/381>, abgerufen am 25.11.2024.
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