in dem Sohne so schöne Hoffnungen erfüllt sah, bis zu dem Lebensalter von zweiundachtzig Jahren bei sich zu pflegen. Verheirathet war er nie. Mit einer einzigen Schwester, die ihn eben so heiß liebte, als sie ihn ein¬ sichtig zu würdigen verstand, lebte er in edlem häusli¬ chen Verhältnisse glücklich vereint.
Einem reichen Kreise bewährter Freunde brachte er stets unveränderte Innigkeit und Treue zu; auch die Beziehungen der allgemeineren Geselligkeit belebten und erhöhten sich in seinem Umgange; die wohlwollende Hei¬ terkeit seines Gemüthes, sein angenehmer Sinn und reich ausgestatteter Verstand äußerten sich in den feinsten und gebildetsten Formen, und sein ganzes Benehmen und Gespräch stellten einen Mann dar, dessen auch die höchsten Klassen der Gesellschaft sich hätten rühmen dürfen. Seine Güte und Sanftmuth, welche doch dem Ernst und der Festigkeit, deren das Recht oder die Wahrheit bedarf, niemals Eintrag thaten, blieben sich auf höheren und niederen Stufen vollkommen gleich. Diese Eigenschaften waren bei ihm durchaus Tugenden, keiner Schwäche entspringend, noch solche erzeugend, mit dem erfreuenden Anschein auch das wohlthuende Wesen verbindend. Von ihm kann die seltene Versicherung gelten, daß er während seiner ganzen Laufbahn niemals einen Mitmenschen gekränkt, ihm aus Absicht oder Leichtsinn geschadet, ihn gehaßt, verkleinert oder gehemmt
in dem Sohne ſo ſchoͤne Hoffnungen erfuͤllt ſah, bis zu dem Lebensalter von zweiundachtzig Jahren bei ſich zu pflegen. Verheirathet war er nie. Mit einer einzigen Schweſter, die ihn eben ſo heiß liebte, als ſie ihn ein¬ ſichtig zu wuͤrdigen verſtand, lebte er in edlem haͤusli¬ chen Verhaͤltniſſe gluͤcklich vereint.
Einem reichen Kreiſe bewaͤhrter Freunde brachte er ſtets unveraͤnderte Innigkeit und Treue zu; auch die Beziehungen der allgemeineren Geſelligkeit belebten und erhoͤhten ſich in ſeinem Umgange; die wohlwollende Hei¬ terkeit ſeines Gemuͤthes, ſein angenehmer Sinn und reich ausgeſtatteter Verſtand aͤußerten ſich in den feinſten und gebildetſten Formen, und ſein ganzes Benehmen und Geſpraͤch ſtellten einen Mann dar, deſſen auch die hoͤchſten Klaſſen der Geſellſchaft ſich haͤtten ruͤhmen duͤrfen. Seine Guͤte und Sanftmuth, welche doch dem Ernſt und der Feſtigkeit, deren das Recht oder die Wahrheit bedarf, niemals Eintrag thaten, blieben ſich auf hoͤheren und niederen Stufen vollkommen gleich. Dieſe Eigenſchaften waren bei ihm durchaus Tugenden, keiner Schwaͤche entſpringend, noch ſolche erzeugend, mit dem erfreuenden Anſchein auch das wohlthuende Weſen verbindend. Von ihm kann die ſeltene Verſicherung gelten, daß er waͤhrend ſeiner ganzen Laufbahn niemals einen Mitmenſchen gekraͤnkt, ihm aus Abſicht oder Leichtſinn geſchadet, ihn gehaßt, verkleinert oder gehemmt
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in dem Sohne ſo ſchoͤne Hoffnungen erfuͤllt ſah, bis zu
dem Lebensalter von zweiundachtzig Jahren bei ſich zu
pflegen. Verheirathet war er nie. Mit einer einzigen
Schweſter, die ihn eben ſo heiß liebte, als ſie ihn ein¬
ſichtig zu wuͤrdigen verſtand, lebte er in edlem haͤusli¬
chen Verhaͤltniſſe gluͤcklich vereint.
Einem reichen Kreiſe bewaͤhrter Freunde brachte er
ſtets unveraͤnderte Innigkeit und Treue zu; auch die
Beziehungen der allgemeineren Geſelligkeit belebten und
erhoͤhten ſich in ſeinem Umgange; die wohlwollende Hei¬
terkeit ſeines Gemuͤthes, ſein angenehmer Sinn und
reich ausgeſtatteter Verſtand aͤußerten ſich in den feinſten
und gebildetſten Formen, und ſein ganzes Benehmen
und Geſpraͤch ſtellten einen Mann dar, deſſen auch die
hoͤchſten Klaſſen der Geſellſchaft ſich haͤtten ruͤhmen
duͤrfen. Seine Guͤte und Sanftmuth, welche doch dem
Ernſt und der Feſtigkeit, deren das Recht oder die
Wahrheit bedarf, niemals Eintrag thaten, blieben ſich
auf hoͤheren und niederen Stufen vollkommen gleich.
Dieſe Eigenſchaften waren bei ihm durchaus Tugenden,
keiner Schwaͤche entſpringend, noch ſolche erzeugend, mit
dem erfreuenden Anſchein auch das wohlthuende Weſen
verbindend. Von ihm kann die ſeltene Verſicherung
gelten, daß er waͤhrend ſeiner ganzen Laufbahn niemals
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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