nißvolle, Verschwiegene, in dem Verfolg der inneren Lebensgeschichte Erhards, kann nur die unabweislichen Verwickelungen betreffen, zu welchen mit der inneren Geistes- und Gemüthswelt die widersprechenden äußeren Lebensgestaltungen sich verflechten. Seine Verheirathung, seine bürgerliche Stellung, seine Vermögensumstände, mußten einer Menge von Beziehungen nach außen ihr nahes Ziel setzen, welche von innenher mit allen Be¬ dingnissen eines lebendigen Fortschreitens noch behaftet waren. Statt eines fortgesetzten Aufschwungs, so weit die reinsten und edelsten Kräfte zu eignem wie zu aller Menschen Gewinn nur irgend kommen könnten, trat eine allseitige Resignation ein, die überall hemmen mußte, aber doch nirgend vernichten konnte. Solche Konflikte, welche, nach Erhards Geistesart, sogleich eine innere Verarbeitung in erhöhtem Selbstbewußtsein und erwei¬ terter Weltansicht empfingen, fanden ihre vertrauteste Stätte, ihre möglichste Erledigung, füglich in einer Freundschaft, welcher ohnehin schon jeder kühnste Ge¬ dankenflug sich leicht vereinte. In den Bildern und Gefühlen, die den eigentlichen, stets erneuten Kern des Lebens bilden, welchen die Meisten freilich unenthüllt durch ihre dunkeln Tage tragen, mag Erhard das gleich¬ gestimmte Wesen Herberts, welches genug Reize der Aehnlichkeit und Verschiedenheit darbot, als größten Lebenstrost in sich genährt und durchlebt haben, wenn auch ausdrückliche Bekenntnisse darüber nicht vorhanden
nißvolle, Verſchwiegene, in dem Verfolg der inneren Lebensgeſchichte Erhards, kann nur die unabweislichen Verwickelungen betreffen, zu welchen mit der inneren Geiſtes- und Gemuͤthswelt die widerſprechenden aͤußeren Lebensgeſtaltungen ſich verflechten. Seine Verheirathung, ſeine buͤrgerliche Stellung, ſeine Vermoͤgensumſtaͤnde, mußten einer Menge von Beziehungen nach außen ihr nahes Ziel ſetzen, welche von innenher mit allen Be¬ dingniſſen eines lebendigen Fortſchreitens noch behaftet waren. Statt eines fortgeſetzten Aufſchwungs, ſo weit die reinſten und edelſten Kraͤfte zu eignem wie zu aller Menſchen Gewinn nur irgend kommen koͤnnten, trat eine allſeitige Reſignation ein, die uͤberall hemmen mußte, aber doch nirgend vernichten konnte. Solche Konflikte, welche, nach Erhards Geiſtesart, ſogleich eine innere Verarbeitung in erhoͤhtem Selbſtbewußtſein und erwei¬ terter Weltanſicht empfingen, fanden ihre vertrauteſte Staͤtte, ihre moͤglichſte Erledigung, fuͤglich in einer Freundſchaft, welcher ohnehin ſchon jeder kuͤhnſte Ge¬ dankenflug ſich leicht vereinte. In den Bildern und Gefuͤhlen, die den eigentlichen, ſtets erneuten Kern des Lebens bilden, welchen die Meiſten freilich unenthuͤllt durch ihre dunkeln Tage tragen, mag Erhard das gleich¬ geſtimmte Weſen Herberts, welches genug Reize der Aehnlichkeit und Verſchiedenheit darbot, als groͤßten Lebenstroſt in ſich genaͤhrt und durchlebt haben, wenn auch ausdruͤckliche Bekenntniſſe daruͤber nicht vorhanden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0308"n="294"/>
nißvolle, Verſchwiegene, in dem Verfolg der inneren<lb/>
Lebensgeſchichte Erhards, kann nur die unabweislichen<lb/>
Verwickelungen betreffen, zu welchen mit der inneren<lb/>
Geiſtes- und Gemuͤthswelt die widerſprechenden aͤußeren<lb/>
Lebensgeſtaltungen ſich verflechten. Seine Verheirathung,<lb/>ſeine buͤrgerliche Stellung, ſeine Vermoͤgensumſtaͤnde,<lb/>
mußten einer Menge von Beziehungen nach außen ihr<lb/>
nahes Ziel ſetzen, welche von innenher mit allen Be¬<lb/>
dingniſſen eines lebendigen Fortſchreitens noch behaftet<lb/>
waren. Statt eines fortgeſetzten Aufſchwungs, ſo weit<lb/>
die reinſten und edelſten Kraͤfte zu eignem wie zu aller<lb/>
Menſchen Gewinn nur irgend kommen koͤnnten, trat<lb/>
eine allſeitige Reſignation ein, die uͤberall hemmen mußte,<lb/>
aber doch nirgend vernichten konnte. Solche Konflikte,<lb/>
welche, nach Erhards Geiſtesart, ſogleich eine innere<lb/>
Verarbeitung in erhoͤhtem Selbſtbewußtſein und erwei¬<lb/>
terter Weltanſicht empfingen, fanden ihre vertrauteſte<lb/>
Staͤtte, ihre moͤglichſte Erledigung, fuͤglich in einer<lb/>
Freundſchaft, welcher ohnehin ſchon jeder kuͤhnſte Ge¬<lb/>
dankenflug ſich leicht vereinte. In den Bildern und<lb/>
Gefuͤhlen, die den eigentlichen, ſtets erneuten Kern des<lb/>
Lebens bilden, welchen die Meiſten freilich unenthuͤllt<lb/>
durch ihre dunkeln Tage tragen, mag Erhard das gleich¬<lb/>
geſtimmte Weſen Herberts, welches genug Reize der<lb/>
Aehnlichkeit und Verſchiedenheit darbot, als groͤßten<lb/>
Lebenstroſt in ſich genaͤhrt und durchlebt haben, wenn<lb/>
auch ausdruͤckliche Bekenntniſſe daruͤber nicht vorhanden<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[294/0308]
nißvolle, Verſchwiegene, in dem Verfolg der inneren
Lebensgeſchichte Erhards, kann nur die unabweislichen
Verwickelungen betreffen, zu welchen mit der inneren
Geiſtes- und Gemuͤthswelt die widerſprechenden aͤußeren
Lebensgeſtaltungen ſich verflechten. Seine Verheirathung,
ſeine buͤrgerliche Stellung, ſeine Vermoͤgensumſtaͤnde,
mußten einer Menge von Beziehungen nach außen ihr
nahes Ziel ſetzen, welche von innenher mit allen Be¬
dingniſſen eines lebendigen Fortſchreitens noch behaftet
waren. Statt eines fortgeſetzten Aufſchwungs, ſo weit
die reinſten und edelſten Kraͤfte zu eignem wie zu aller
Menſchen Gewinn nur irgend kommen koͤnnten, trat
eine allſeitige Reſignation ein, die uͤberall hemmen mußte,
aber doch nirgend vernichten konnte. Solche Konflikte,
welche, nach Erhards Geiſtesart, ſogleich eine innere
Verarbeitung in erhoͤhtem Selbſtbewußtſein und erwei¬
terter Weltanſicht empfingen, fanden ihre vertrauteſte
Staͤtte, ihre moͤglichſte Erledigung, fuͤglich in einer
Freundſchaft, welcher ohnehin ſchon jeder kuͤhnſte Ge¬
dankenflug ſich leicht vereinte. In den Bildern und
Gefuͤhlen, die den eigentlichen, ſtets erneuten Kern des
Lebens bilden, welchen die Meiſten freilich unenthuͤllt
durch ihre dunkeln Tage tragen, mag Erhard das gleich¬
geſtimmte Weſen Herberts, welches genug Reize der
Aehnlichkeit und Verſchiedenheit darbot, als groͤßten
Lebenstroſt in ſich genaͤhrt und durchlebt haben, wenn
auch ausdruͤckliche Bekenntniſſe daruͤber nicht vorhanden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/308>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.