hat diesen Reiz der im Talent schwelgenden Persön¬ lichkeit in höchsten Maßen ausgeübt, gebraucht, und dann auch verbraucht; geistig schöner und menschlich liebenswürdiger als Zacharias Werner und Hoffmann, hat er mit diesen seinen unläugbaren Vettern doch zu¬ letzt gleiches Schicksal gehabt. Die günstige Theil¬ nahme für eine beseelte und vielversprechende Eigenart mußte nach und nach dem Eindruck einer leeren Ver¬ zerrung weichen; ein schmerzliches Bedauern konnte den Freunden noch verbleiben, das Widerwärtige mußte aber auch sie abstoßen. Für Baggesen, der, berauscht in Kantischer Philosophie und französischer Revolution, seine kühnsten Launen im Leben wie in Schriften mit Anmuth, um derentwillen sie sogar am Hofe verziehen wurden, geltend gemacht hatte, behielt Erhard immer eine große Vorliebe, seiner Erinnerung an die frühere Gegenwart mischte sich gern ein Lächeln bei; allein das mehr als dichterische Spiel, das jener mit sich selbst und Andern bis zum Uebermaße trieb, konnte einer fortgesetzten Verbindung zwischen zwei so völlig ver¬ schiedenen Naturen durchaus nicht Boden sichern. Wir durften diesen Denkwürdigkeiten das Hereinschimmern der dargebotenen Strahlen dieses Meteors nicht wohl versagen.
VI.
Wir sehen Erhard bisher in dem Kreise seiner jedesmaligen Umgebung persönlich hervorragen, die An¬
hat dieſen Reiz der im Talent ſchwelgenden Perſoͤn¬ lichkeit in hoͤchſten Maßen ausgeuͤbt, gebraucht, und dann auch verbraucht; geiſtig ſchoͤner und menſchlich liebenswuͤrdiger als Zacharias Werner und Hoffmann, hat er mit dieſen ſeinen unlaͤugbaren Vettern doch zu¬ letzt gleiches Schickſal gehabt. Die guͤnſtige Theil¬ nahme fuͤr eine beſeelte und vielverſprechende Eigenart mußte nach und nach dem Eindruck einer leeren Ver¬ zerrung weichen; ein ſchmerzliches Bedauern konnte den Freunden noch verbleiben, das Widerwaͤrtige mußte aber auch ſie abſtoßen. Fuͤr Baggeſen, der, berauſcht in Kantiſcher Philoſophie und franzoͤſiſcher Revolution, ſeine kuͤhnſten Launen im Leben wie in Schriften mit Anmuth, um derentwillen ſie ſogar am Hofe verziehen wurden, geltend gemacht hatte, behielt Erhard immer eine große Vorliebe, ſeiner Erinnerung an die fruͤhere Gegenwart miſchte ſich gern ein Laͤcheln bei; allein das mehr als dichteriſche Spiel, das jener mit ſich ſelbſt und Andern bis zum Uebermaße trieb, konnte einer fortgeſetzten Verbindung zwiſchen zwei ſo voͤllig ver¬ ſchiedenen Naturen durchaus nicht Boden ſichern. Wir durften dieſen Denkwuͤrdigkeiten das Hereinſchimmern der dargebotenen Strahlen dieſes Meteors nicht wohl verſagen.
VI.
Wir ſehen Erhard bisher in dem Kreiſe ſeiner jedesmaligen Umgebung perſoͤnlich hervorragen, die An¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0304"n="290"/>
hat dieſen Reiz der im Talent ſchwelgenden Perſoͤn¬<lb/>
lichkeit in hoͤchſten Maßen ausgeuͤbt, gebraucht, und<lb/>
dann auch verbraucht; geiſtig ſchoͤner und menſchlich<lb/>
liebenswuͤrdiger als Zacharias Werner und Hoffmann,<lb/>
hat er mit dieſen ſeinen unlaͤugbaren Vettern doch zu¬<lb/>
letzt gleiches Schickſal gehabt. Die guͤnſtige Theil¬<lb/>
nahme fuͤr eine beſeelte und vielverſprechende Eigenart<lb/>
mußte nach und nach dem Eindruck einer leeren Ver¬<lb/>
zerrung weichen; ein ſchmerzliches Bedauern konnte<lb/>
den Freunden noch verbleiben, das Widerwaͤrtige mußte<lb/>
aber auch ſie abſtoßen. Fuͤr Baggeſen, der, berauſcht<lb/>
in Kantiſcher Philoſophie und franzoͤſiſcher Revolution,<lb/>ſeine kuͤhnſten Launen im Leben wie in Schriften mit<lb/>
Anmuth, um derentwillen ſie ſogar am Hofe verziehen<lb/>
wurden, geltend gemacht hatte, behielt Erhard immer<lb/>
eine große Vorliebe, ſeiner Erinnerung an die fruͤhere<lb/>
Gegenwart miſchte ſich gern ein Laͤcheln bei; allein das<lb/>
mehr als dichteriſche Spiel, das jener mit ſich ſelbſt<lb/>
und Andern bis zum Uebermaße trieb, konnte einer<lb/>
fortgeſetzten Verbindung zwiſchen zwei ſo voͤllig ver¬<lb/>ſchiedenen Naturen durchaus nicht Boden ſichern. Wir<lb/>
durften dieſen Denkwuͤrdigkeiten das Hereinſchimmern<lb/>
der dargebotenen Strahlen dieſes Meteors nicht wohl<lb/>
verſagen.</p><lb/></div><divn="4"><head><hirendition="#aq">VI</hi>.<lb/></head><p>Wir ſehen Erhard bisher in dem Kreiſe ſeiner<lb/>
jedesmaligen Umgebung perſoͤnlich hervorragen, die An¬<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[290/0304]
hat dieſen Reiz der im Talent ſchwelgenden Perſoͤn¬
lichkeit in hoͤchſten Maßen ausgeuͤbt, gebraucht, und
dann auch verbraucht; geiſtig ſchoͤner und menſchlich
liebenswuͤrdiger als Zacharias Werner und Hoffmann,
hat er mit dieſen ſeinen unlaͤugbaren Vettern doch zu¬
letzt gleiches Schickſal gehabt. Die guͤnſtige Theil¬
nahme fuͤr eine beſeelte und vielverſprechende Eigenart
mußte nach und nach dem Eindruck einer leeren Ver¬
zerrung weichen; ein ſchmerzliches Bedauern konnte
den Freunden noch verbleiben, das Widerwaͤrtige mußte
aber auch ſie abſtoßen. Fuͤr Baggeſen, der, berauſcht
in Kantiſcher Philoſophie und franzoͤſiſcher Revolution,
ſeine kuͤhnſten Launen im Leben wie in Schriften mit
Anmuth, um derentwillen ſie ſogar am Hofe verziehen
wurden, geltend gemacht hatte, behielt Erhard immer
eine große Vorliebe, ſeiner Erinnerung an die fruͤhere
Gegenwart miſchte ſich gern ein Laͤcheln bei; allein das
mehr als dichteriſche Spiel, das jener mit ſich ſelbſt
und Andern bis zum Uebermaße trieb, konnte einer
fortgeſetzten Verbindung zwiſchen zwei ſo voͤllig ver¬
ſchiedenen Naturen durchaus nicht Boden ſichern. Wir
durften dieſen Denkwuͤrdigkeiten das Hereinſchimmern
der dargebotenen Strahlen dieſes Meteors nicht wohl
verſagen.
VI.
Wir ſehen Erhard bisher in dem Kreiſe ſeiner
jedesmaligen Umgebung perſoͤnlich hervorragen, die An¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/304>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.