theils auch erholen, theils der Welt meine Stärke in der Dialektik zeigen. Durch Aufforderungen wurde ich auch Recensent. Unter meine Recensionen rechne ich die über Herrn Professor Schmids Moral in der All¬ gemeinen Jenaer Literaturzeitung, wo ich den Begriff vom Recht in seiner ganzen Sphäre darzustellen suchte, zu den gehaltreichsten. Als Schriftsteller setzte ich Mimer und seine jungen Freunde in der neuen Thalia fort und arbeitete für den neuen Merkur eine Abhandlung über die Alleinherrschaft aus. Ich wurde zu dieser Abhand¬ lung durch eine Rede des Boettie, die sich als Anhang bei Montagne's Versuchen findet, veranlaßt. Ich machte mir zuerst die bloß dialektische Aufgabe, sie zu wider¬ legen, und hielt es dann aber auch für nothwendig, weil es zur Theorie der Gesetzgebung gehört, um aus philosophischen Principien die Zulässigkeit oder Verwerf¬ lichkeit der Alleinherrschaft zu untersuchen. Ich fand bald, daß alle moralischen Principien in der Lehre von der besten Regierungsform ohne direkten Gebrauch sind, weil hier der Mensch nicht nach dem genommen werden kann, was er sein soll, sondern nach dem, was er ist und nicht sein soll; ferner, daß die Form der Regie¬ rung keine Garantie für die wirkliche Güte derselben sein kann, und also die Form der Regierung keinen andern Werth haben kann, als daß sie ein schönes Sym¬ bol der Achtung für Menschenrechte ist. Ich leitete daher, was ich noch bei keinem politischen Schriftsteller
theils auch erholen, theils der Welt meine Staͤrke in der Dialektik zeigen. Durch Aufforderungen wurde ich auch Recenſent. Unter meine Recenſionen rechne ich die uͤber Herrn Profeſſor Schmids Moral in der All¬ gemeinen Jenaer Literaturzeitung, wo ich den Begriff vom Recht in ſeiner ganzen Sphaͤre darzuſtellen ſuchte, zu den gehaltreichſten. Als Schriftſteller ſetzte ich Mimer und ſeine jungen Freunde in der neuen Thalia fort und arbeitete fuͤr den neuen Merkur eine Abhandlung uͤber die Alleinherrſchaft aus. Ich wurde zu dieſer Abhand¬ lung durch eine Rede des Boettie, die ſich als Anhang bei Montagne's Verſuchen findet, veranlaßt. Ich machte mir zuerſt die bloß dialektiſche Aufgabe, ſie zu wider¬ legen, und hielt es dann aber auch fuͤr nothwendig, weil es zur Theorie der Geſetzgebung gehoͤrt, um aus philoſophiſchen Principien die Zulaͤſſigkeit oder Verwerf¬ lichkeit der Alleinherrſchaft zu unterſuchen. Ich fand bald, daß alle moraliſchen Principien in der Lehre von der beſten Regierungsform ohne direkten Gebrauch ſind, weil hier der Menſch nicht nach dem genommen werden kann, was er ſein ſoll, ſondern nach dem, was er iſt und nicht ſein ſoll; ferner, daß die Form der Regie¬ rung keine Garantie fuͤr die wirkliche Guͤte derſelben ſein kann, und alſo die Form der Regierung keinen andern Werth haben kann, als daß ſie ein ſchoͤnes Sym¬ bol der Achtung fuͤr Menſchenrechte iſt. Ich leitete daher, was ich noch bei keinem politiſchen Schriftſteller
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0276"n="262"/>
theils auch erholen, theils der Welt meine Staͤrke in<lb/>
der Dialektik zeigen. Durch Aufforderungen wurde ich<lb/>
auch Recenſent. Unter meine Recenſionen rechne ich<lb/>
die uͤber Herrn Profeſſor Schmids Moral in der All¬<lb/>
gemeinen Jenaer Literaturzeitung, wo ich den Begriff<lb/>
vom Recht in ſeiner ganzen Sphaͤre darzuſtellen ſuchte,<lb/>
zu den gehaltreichſten. Als Schriftſteller ſetzte ich Mimer<lb/>
und ſeine jungen Freunde in der neuen Thalia fort und<lb/>
arbeitete fuͤr den neuen Merkur eine Abhandlung uͤber<lb/>
die Alleinherrſchaft aus. Ich wurde zu dieſer Abhand¬<lb/>
lung durch eine Rede des Boettie, die ſich als Anhang<lb/>
bei Montagne's Verſuchen findet, veranlaßt. Ich machte<lb/>
mir zuerſt die bloß dialektiſche Aufgabe, ſie zu wider¬<lb/>
legen, und hielt es dann aber auch fuͤr nothwendig,<lb/>
weil es zur Theorie der Geſetzgebung gehoͤrt, um aus<lb/>
philoſophiſchen Principien die Zulaͤſſigkeit oder Verwerf¬<lb/>
lichkeit der Alleinherrſchaft zu unterſuchen. Ich fand<lb/>
bald, daß alle moraliſchen Principien in der Lehre von<lb/>
der beſten Regierungsform ohne direkten Gebrauch ſind,<lb/>
weil hier der Menſch nicht nach dem genommen werden<lb/>
kann, was er ſein ſoll, ſondern nach dem, was er iſt<lb/>
und nicht ſein ſoll; ferner, daß die Form der Regie¬<lb/>
rung keine Garantie fuͤr die wirkliche Guͤte derſelben<lb/>ſein kann, und alſo die Form der Regierung keinen<lb/>
andern Werth haben kann, als daß ſie ein ſchoͤnes Sym¬<lb/>
bol der Achtung fuͤr Menſchenrechte iſt. Ich leitete<lb/>
daher, was ich noch bei keinem politiſchen Schriftſteller<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[262/0276]
theils auch erholen, theils der Welt meine Staͤrke in
der Dialektik zeigen. Durch Aufforderungen wurde ich
auch Recenſent. Unter meine Recenſionen rechne ich
die uͤber Herrn Profeſſor Schmids Moral in der All¬
gemeinen Jenaer Literaturzeitung, wo ich den Begriff
vom Recht in ſeiner ganzen Sphaͤre darzuſtellen ſuchte,
zu den gehaltreichſten. Als Schriftſteller ſetzte ich Mimer
und ſeine jungen Freunde in der neuen Thalia fort und
arbeitete fuͤr den neuen Merkur eine Abhandlung uͤber
die Alleinherrſchaft aus. Ich wurde zu dieſer Abhand¬
lung durch eine Rede des Boettie, die ſich als Anhang
bei Montagne's Verſuchen findet, veranlaßt. Ich machte
mir zuerſt die bloß dialektiſche Aufgabe, ſie zu wider¬
legen, und hielt es dann aber auch fuͤr nothwendig,
weil es zur Theorie der Geſetzgebung gehoͤrt, um aus
philoſophiſchen Principien die Zulaͤſſigkeit oder Verwerf¬
lichkeit der Alleinherrſchaft zu unterſuchen. Ich fand
bald, daß alle moraliſchen Principien in der Lehre von
der beſten Regierungsform ohne direkten Gebrauch ſind,
weil hier der Menſch nicht nach dem genommen werden
kann, was er ſein ſoll, ſondern nach dem, was er iſt
und nicht ſein ſoll; ferner, daß die Form der Regie¬
rung keine Garantie fuͤr die wirkliche Guͤte derſelben
ſein kann, und alſo die Form der Regierung keinen
andern Werth haben kann, als daß ſie ein ſchoͤnes Sym¬
bol der Achtung fuͤr Menſchenrechte iſt. Ich leitete
daher, was ich noch bei keinem politiſchen Schriftſteller
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/276>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.