lung aller Situationen, in welche die Menschen als Naturwesen kommen müssen, liefert. Wir ergötzten uns an dem Einfluß, den das Studium der Bibliothek des ältesten uns bekannten Volks auf die Bildung der Menschen haben würde, wenn man es einmal als ein in den Plan der göttlichen Vorsehung gehöriges Mittel zur Verständigung des Menschen mit sich selbst, und nicht mehr als von Gott eingegebenen Buchstaben be¬ trachten würde. Der Weg wurde uns durch diese Be¬ trachtungen so angenehm, wie ein Weg zur ewigen Seligkeit. Aus dem Vorhaben ist zwar nichts gewor¬ den, aber es hat sich doch hinlänglich durch den Genuß, den mir die Erinnerung noch giebt, belohnt.
Von Jena reis'te ich über Göttingen durch den Harz und über Hamburg und Kiel nach Kopenhagen, wo ich von Reinhold an Professor Baggesen empfohlen war, und von diesem in das Haus des Ministers Schimmel¬ mann eingeführt wurde. Mein Aufenthalt daselbst ge¬ hört auch unter meine seligen Erinnerungen. Von Kopenhagen ging ich zur See nach Memel, und von da nach Königsberg. Hier genoß ich den Umgang Kants und lebte selige Tage. Die Art, wie ich mit Kant über seine Werke sprach, schien ihm unerwartet zu sein, ich verlangte von ihm keine Erläuterungen, sondern dankte ihm nur für die Wonne, die sie mir verschafft hatten, und sagte ihm kein schmeichelhaftes Wort de߬ wegen. Diese Leichtigkeit ihn zu verstehen, die sich in
lung aller Situationen, in welche die Menſchen als Naturweſen kommen muͤſſen, liefert. Wir ergoͤtzten uns an dem Einfluß, den das Studium der Bibliothek des aͤlteſten uns bekannten Volks auf die Bildung der Menſchen haben wuͤrde, wenn man es einmal als ein in den Plan der goͤttlichen Vorſehung gehoͤriges Mittel zur Verſtaͤndigung des Menſchen mit ſich ſelbſt, und nicht mehr als von Gott eingegebenen Buchſtaben be¬ trachten wuͤrde. Der Weg wurde uns durch dieſe Be¬ trachtungen ſo angenehm, wie ein Weg zur ewigen Seligkeit. Aus dem Vorhaben iſt zwar nichts gewor¬ den, aber es hat ſich doch hinlaͤnglich durch den Genuß, den mir die Erinnerung noch giebt, belohnt.
Von Jena reiſ’te ich uͤber Goͤttingen durch den Harz und uͤber Hamburg und Kiel nach Kopenhagen, wo ich von Reinhold an Profeſſor Baggeſen empfohlen war, und von dieſem in das Haus des Miniſters Schimmel¬ mann eingefuͤhrt wurde. Mein Aufenthalt daſelbſt ge¬ hoͤrt auch unter meine ſeligen Erinnerungen. Von Kopenhagen ging ich zur See nach Memel, und von da nach Koͤnigsberg. Hier genoß ich den Umgang Kants und lebte ſelige Tage. Die Art, wie ich mit Kant uͤber ſeine Werke ſprach, ſchien ihm unerwartet zu ſein, ich verlangte von ihm keine Erlaͤuterungen, ſondern dankte ihm nur fuͤr die Wonne, die ſie mir verſchafft hatten, und ſagte ihm kein ſchmeichelhaftes Wort de߬ wegen. Dieſe Leichtigkeit ihn zu verſtehen, die ſich in
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lung aller Situationen, in welche die Menſchen als
Naturweſen kommen muͤſſen, liefert. Wir ergoͤtzten uns
an dem Einfluß, den das Studium der Bibliothek des
aͤlteſten uns bekannten Volks auf die Bildung der
Menſchen haben wuͤrde, wenn man es einmal als ein
in den Plan der goͤttlichen Vorſehung gehoͤriges Mittel
zur Verſtaͤndigung des Menſchen mit ſich ſelbſt, und
nicht mehr als von Gott eingegebenen Buchſtaben be¬
trachten wuͤrde. Der Weg wurde uns durch dieſe Be¬
trachtungen ſo angenehm, wie ein Weg zur ewigen
Seligkeit. Aus dem Vorhaben iſt zwar nichts gewor¬
den, aber es hat ſich doch hinlaͤnglich durch den Genuß,
den mir die Erinnerung noch giebt, belohnt.
Von Jena reiſ’te ich uͤber Goͤttingen durch den Harz
und uͤber Hamburg und Kiel nach Kopenhagen, wo ich
von Reinhold an Profeſſor Baggeſen empfohlen war,
und von dieſem in das Haus des Miniſters Schimmel¬
mann eingefuͤhrt wurde. Mein Aufenthalt daſelbſt ge¬
hoͤrt auch unter meine ſeligen Erinnerungen. Von
Kopenhagen ging ich zur See nach Memel, und von
da nach Koͤnigsberg. Hier genoß ich den Umgang Kants
und lebte ſelige Tage. Die Art, wie ich mit Kant
uͤber ſeine Werke ſprach, ſchien ihm unerwartet zu ſein,
ich verlangte von ihm keine Erlaͤuterungen, ſondern
dankte ihm nur fuͤr die Wonne, die ſie mir verſchafft
hatten, und ſagte ihm kein ſchmeichelhaftes Wort de߬
wegen. Dieſe Leichtigkeit ihn zu verſtehen, die ſich in
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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