sehr, daß ich keinen mir angenehmern Spielkameraden kannte als ihn. Wenn mein Vater von seinen gewöhn¬ lichen Gesellschaften auf meine Bitte zu Hause blieb, um sich mit mir zu beschäftigen, so war dies ein Fest für mich, dem kein andres gleich kam. Diese Erziehung, welche mich Künste und Wissenschaften um ihrer selbst willen lieb gewinnen ließ, erweckte in mir ein solches Gefühl für Freiheit von allem äußern Zwang, daß ich in der Wahl meiner Beschäftigungen immer nur meiner Neigung, oder der von mir erkannten Pflicht folgte, und alle andern Rücksichten, am ersten die auf äußern Vortheil, vernachlässigte.
Bei dieser mir für meinen Karakter so vortheilhaften Erziehung führte mein Temperament aber doch einen Nachtheil herbei, den ich, da meine Lebensbeschreibung, so weit ich sie, ohne in das Leben andrer Personen unerlaubter Weise einzugreifen, fortführen kann, doch nur als ein pädagogisches Experiment Werth haben kann, nun der vielleicht noch nicht genug auf diesen Gegen¬ stand geleiteten Aufmerksamkeit der Erzieher nicht ver¬ schweigen darf: denn es ist sehr wichtig, daß man lerne, den freien Gang der Entwickelung, so lange er zum Guten fortschreitet, nicht zu unterbrechen, ohne deßhalb die Aufmerksamkeit auf den Weg, den er nimmt, zu vernachlässigen. Mich führte gerade das, was man am ersten seinen eigenen Gang nehmen zu lassen für rath¬ sam halten könnte, nämlich der religiöse Karakter, der
ſehr, daß ich keinen mir angenehmern Spielkameraden kannte als ihn. Wenn mein Vater von ſeinen gewoͤhn¬ lichen Geſellſchaften auf meine Bitte zu Hauſe blieb, um ſich mit mir zu beſchaͤftigen, ſo war dies ein Feſt fuͤr mich, dem kein andres gleich kam. Dieſe Erziehung, welche mich Kuͤnſte und Wiſſenſchaften um ihrer ſelbſt willen lieb gewinnen ließ, erweckte in mir ein ſolches Gefuͤhl fuͤr Freiheit von allem aͤußern Zwang, daß ich in der Wahl meiner Beſchaͤftigungen immer nur meiner Neigung, oder der von mir erkannten Pflicht folgte, und alle andern Ruͤckſichten, am erſten die auf aͤußern Vortheil, vernachlaͤſſigte.
Bei dieſer mir fuͤr meinen Karakter ſo vortheilhaften Erziehung fuͤhrte mein Temperament aber doch einen Nachtheil herbei, den ich, da meine Lebensbeſchreibung, ſo weit ich ſie, ohne in das Leben andrer Perſonen unerlaubter Weiſe einzugreifen, fortfuͤhren kann, doch nur als ein paͤdagogiſches Experiment Werth haben kann, nun der vielleicht noch nicht genug auf dieſen Gegen¬ ſtand geleiteten Aufmerkſamkeit der Erzieher nicht ver¬ ſchweigen darf: denn es iſt ſehr wichtig, daß man lerne, den freien Gang der Entwickelung, ſo lange er zum Guten fortſchreitet, nicht zu unterbrechen, ohne deßhalb die Aufmerkſamkeit auf den Weg, den er nimmt, zu vernachlaͤſſigen. Mich fuͤhrte gerade das, was man am erſten ſeinen eigenen Gang nehmen zu laſſen fuͤr rath¬ ſam halten koͤnnte, naͤmlich der religioͤſe Karakter, der
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ſehr, daß ich keinen mir angenehmern Spielkameraden
kannte als ihn. Wenn mein Vater von ſeinen gewoͤhn¬
lichen Geſellſchaften auf meine Bitte zu Hauſe blieb,
um ſich mit mir zu beſchaͤftigen, ſo war dies ein Feſt
fuͤr mich, dem kein andres gleich kam. Dieſe Erziehung,
welche mich Kuͤnſte und Wiſſenſchaften um ihrer ſelbſt
willen lieb gewinnen ließ, erweckte in mir ein ſolches
Gefuͤhl fuͤr Freiheit von allem aͤußern Zwang, daß ich
in der Wahl meiner Beſchaͤftigungen immer nur meiner
Neigung, oder der von mir erkannten Pflicht folgte,
und alle andern Ruͤckſichten, am erſten die auf aͤußern
Vortheil, vernachlaͤſſigte.
Bei dieſer mir fuͤr meinen Karakter ſo vortheilhaften
Erziehung fuͤhrte mein Temperament aber doch einen
Nachtheil herbei, den ich, da meine Lebensbeſchreibung,
ſo weit ich ſie, ohne in das Leben andrer Perſonen
unerlaubter Weiſe einzugreifen, fortfuͤhren kann, doch
nur als ein paͤdagogiſches Experiment Werth haben kann,
nun der vielleicht noch nicht genug auf dieſen Gegen¬
ſtand geleiteten Aufmerkſamkeit der Erzieher nicht ver¬
ſchweigen darf: denn es iſt ſehr wichtig, daß man lerne,
den freien Gang der Entwickelung, ſo lange er zum
Guten fortſchreitet, nicht zu unterbrechen, ohne deßhalb
die Aufmerkſamkeit auf den Weg, den er nimmt, zu
vernachlaͤſſigen. Mich fuͤhrte gerade das, was man am
erſten ſeinen eigenen Gang nehmen zu laſſen fuͤr rath¬
ſam halten koͤnnte, naͤmlich der religioͤſe Karakter, der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/237>, abgerufen am 25.11.2024.
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