Grundsätze, und er wandte die Macht, welche er aus¬ übte, mit Erfolg dazu an, die Frau zu ihrem Gatten zurückzuleiten. Er glaubte, wie er selbst nachher sagte, recht weise zu thun, als er nach vielen schönen Reden es dahin brachte, sie ihrem Manne in Thränen schwim¬ mend in die Arme zu werfen. Auf solche Weise mit Selbstverläugnung Handlungen des Edelsinns und der Großmuth auszuüben, war tief in seinem Karakter be¬ gründet, in welchem lebhafte Reizbarkeit und ernste Ueberlegung sich gegenseitig nicht unterdrückten. Seine späteren Handlungen, Unfälle und Erfolge, lassen sich alle aus dieser Mischung ableiten.
Inzwischen war ihm durch diese und andre Mi߬ verhältnisse, welche in dem kleinen Kreise gar leicht ent¬ standen und gewichtig wurden, der Aufenthalt in Karls¬ ruhe verleidet. Zudem war es Zeit, daß er seiner Be¬ stimmung folgte und in der großen Welt sich eine Lauf¬ bahn wählte. Der nächste Blick mußte natürlich auf Frankreich und dessen Hauptstadt gerichtet sein, wo von jeher für deutsche Aerzte ein günstiger Boden war, und obgleich Bollmann durch den Gang, welchen die fran¬ zösische Revolution in der damaligen Zeit genommen, längst nicht mehr angezogen war, vielmehr gegen die dort herrschende Tagesgewalt eine entschiedene Abnei¬ gung fühlte, so war doch das Verlangen, sich in dieser großen Welt umzusehen und die Gelegenheit des Wir¬ kens und des Glücks aufzusuchen, für ihn um so be¬
Grundſaͤtze, und er wandte die Macht, welche er aus¬ uͤbte, mit Erfolg dazu an, die Frau zu ihrem Gatten zuruͤckzuleiten. Er glaubte, wie er ſelbſt nachher ſagte, recht weiſe zu thun, als er nach vielen ſchoͤnen Reden es dahin brachte, ſie ihrem Manne in Thraͤnen ſchwim¬ mend in die Arme zu werfen. Auf ſolche Weiſe mit Selbſtverlaͤugnung Handlungen des Edelſinns und der Großmuth auszuuͤben, war tief in ſeinem Karakter be¬ gruͤndet, in welchem lebhafte Reizbarkeit und ernſte Ueberlegung ſich gegenſeitig nicht unterdruͤckten. Seine ſpaͤteren Handlungen, Unfaͤlle und Erfolge, laſſen ſich alle aus dieſer Miſchung ableiten.
Inzwiſchen war ihm durch dieſe und andre Mi߬ verhaͤltniſſe, welche in dem kleinen Kreiſe gar leicht ent¬ ſtanden und gewichtig wurden, der Aufenthalt in Karls¬ ruhe verleidet. Zudem war es Zeit, daß er ſeiner Be¬ ſtimmung folgte und in der großen Welt ſich eine Lauf¬ bahn waͤhlte. Der naͤchſte Blick mußte natuͤrlich auf Frankreich und deſſen Hauptſtadt gerichtet ſein, wo von jeher fuͤr deutſche Aerzte ein guͤnſtiger Boden war, und obgleich Bollmann durch den Gang, welchen die fran¬ zoͤſiſche Revolution in der damaligen Zeit genommen, laͤngſt nicht mehr angezogen war, vielmehr gegen die dort herrſchende Tagesgewalt eine entſchiedene Abnei¬ gung fuͤhlte, ſo war doch das Verlangen, ſich in dieſer großen Welt umzuſehen und die Gelegenheit des Wir¬ kens und des Gluͤcks aufzuſuchen, fuͤr ihn um ſo be¬
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Grundſaͤtze, und er wandte die Macht, welche er aus¬
uͤbte, mit Erfolg dazu an, die Frau zu ihrem Gatten
zuruͤckzuleiten. Er glaubte, wie er ſelbſt nachher ſagte,
recht weiſe zu thun, als er nach vielen ſchoͤnen Reden
es dahin brachte, ſie ihrem Manne in Thraͤnen ſchwim¬
mend in die Arme zu werfen. Auf ſolche Weiſe mit
Selbſtverlaͤugnung Handlungen des Edelſinns und der
Großmuth auszuuͤben, war tief in ſeinem Karakter be¬
gruͤndet, in welchem lebhafte Reizbarkeit und ernſte
Ueberlegung ſich gegenſeitig nicht unterdruͤckten. Seine
ſpaͤteren Handlungen, Unfaͤlle und Erfolge, laſſen ſich
alle aus dieſer Miſchung ableiten.
Inzwiſchen war ihm durch dieſe und andre Mi߬
verhaͤltniſſe, welche in dem kleinen Kreiſe gar leicht ent¬
ſtanden und gewichtig wurden, der Aufenthalt in Karls¬
ruhe verleidet. Zudem war es Zeit, daß er ſeiner Be¬
ſtimmung folgte und in der großen Welt ſich eine Lauf¬
bahn waͤhlte. Der naͤchſte Blick mußte natuͤrlich auf
Frankreich und deſſen Hauptſtadt gerichtet ſein, wo von
jeher fuͤr deutſche Aerzte ein guͤnſtiger Boden war, und
obgleich Bollmann durch den Gang, welchen die fran¬
zoͤſiſche Revolution in der damaligen Zeit genommen,
laͤngſt nicht mehr angezogen war, vielmehr gegen die
dort herrſchende Tagesgewalt eine entſchiedene Abnei¬
gung fuͤhlte, ſo war doch das Verlangen, ſich in dieſer
großen Welt umzuſehen und die Gelegenheit des Wir¬
kens und des Gluͤcks aufzuſuchen, fuͤr ihn um ſo be¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/23>, abgerufen am 23.11.2024.
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