einnehmendsten Gesellschafter, dessen unbefangene Seele, dessen Selbstvergessenheit ihm die Herzen gewann. Kein Mensch ist je, wie er, aller Art von Umtreiberei fremd geblieben. Und doch hätte er, in seinen letzten Tagen noch, dem Polizeiwesen in die Hände gerathen können. Ein junger Maler hat vor einigen Jahren ein wohlgetroffenes Bildniß von ihm verfertigt. An jenen wandten sich einige junge Deutsche, zuerst schmei¬ chelnd, dann mit Gelderbietungen. Sie verlangten Kopie. Der Künstler, dem die Erlaubniß zu malen nur unter der Bedingung bewilligt worden, daß er Niemanden Abschrift liefre, ist ein zu ehrlicher Mann, um nicht Wort zu halten, oder sich bestechen zu lassen. Also wurden die Versuche abgewiesen. Die vielfältige Wiederholung derselben erregte indeß seine Neugier, zu wissen, warum man den Gegenstand mit solcher Hart¬ näckigkeit beziele. Er erfuhr, daß die Thorheit wünsche, den herrlichen Kopf mit seinem Barte in ihren Ver¬ sammlungen aufzustellen. Denken Sie sich die Folgen für den unschuldigen Greis, wenn sein Bildniß als eine Art von Baphomet irgendwo entdeckt wurde!" --
-- "Der sonderbare Mann hat die geringfügigsten Papierschnitzel aufbewahrt. Ein mächtiger Schwall von Schriften zeigt sich in seinem Nachlaß. Ich habe den Wunsch geäußert, daß Hrn. -- die schriftstellerischen Arbeiten, die moralisch-politischen wenigstens, zur Sich¬ tung überantwortet werden. Die linguistischen zeigen
einnehmendſten Geſellſchafter, deſſen unbefangene Seele, deſſen Selbſtvergeſſenheit ihm die Herzen gewann. Kein Menſch iſt je, wie er, aller Art von Umtreiberei fremd geblieben. Und doch haͤtte er, in ſeinen letzten Tagen noch, dem Polizeiweſen in die Haͤnde gerathen koͤnnen. Ein junger Maler hat vor einigen Jahren ein wohlgetroffenes Bildniß von ihm verfertigt. An jenen wandten ſich einige junge Deutſche, zuerſt ſchmei¬ chelnd, dann mit Gelderbietungen. Sie verlangten Kopie. Der Kuͤnſtler, dem die Erlaubniß zu malen nur unter der Bedingung bewilligt worden, daß er Niemanden Abſchrift liefre, iſt ein zu ehrlicher Mann, um nicht Wort zu halten, oder ſich beſtechen zu laſſen. Alſo wurden die Verſuche abgewieſen. Die vielfaͤltige Wiederholung derſelben erregte indeß ſeine Neugier, zu wiſſen, warum man den Gegenſtand mit ſolcher Hart¬ naͤckigkeit beziele. Er erfuhr, daß die Thorheit wuͤnſche, den herrlichen Kopf mit ſeinem Barte in ihren Ver¬ ſammlungen aufzuſtellen. Denken Sie ſich die Folgen fuͤr den unſchuldigen Greis, wenn ſein Bildniß als eine Art von Baphomet irgendwo entdeckt wurde!“ —
— „Der ſonderbare Mann hat die geringfuͤgigſten Papierſchnitzel aufbewahrt. Ein maͤchtiger Schwall von Schriften zeigt ſich in ſeinem Nachlaß. Ich habe den Wunſch geaͤußert, daß Hrn. — die ſchriftſtelleriſchen Arbeiten, die moraliſch-politiſchen wenigſtens, zur Sich¬ tung uͤberantwortet werden. Die linguiſtiſchen zeigen
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einnehmendſten Geſellſchafter, deſſen unbefangene Seele,
deſſen Selbſtvergeſſenheit ihm die Herzen gewann.
Kein Menſch iſt je, wie er, aller Art von Umtreiberei
fremd geblieben. Und doch haͤtte er, in ſeinen letzten
Tagen noch, dem Polizeiweſen in die Haͤnde gerathen
koͤnnen. Ein junger Maler hat vor einigen Jahren
ein wohlgetroffenes Bildniß von ihm verfertigt. An
jenen wandten ſich einige junge Deutſche, zuerſt ſchmei¬
chelnd, dann mit Gelderbietungen. Sie verlangten
Kopie. Der Kuͤnſtler, dem die Erlaubniß zu malen
nur unter der Bedingung bewilligt worden, daß er
Niemanden Abſchrift liefre, iſt ein zu ehrlicher Mann,
um nicht Wort zu halten, oder ſich beſtechen zu laſſen.
Alſo wurden die Verſuche abgewieſen. Die vielfaͤltige
Wiederholung derſelben erregte indeß ſeine Neugier, zu
wiſſen, warum man den Gegenſtand mit ſolcher Hart¬
naͤckigkeit beziele. Er erfuhr, daß die Thorheit wuͤnſche,
den herrlichen Kopf mit ſeinem Barte in ihren Ver¬
ſammlungen aufzuſtellen. Denken Sie ſich die Folgen
fuͤr den unſchuldigen Greis, wenn ſein Bildniß als
eine Art von Baphomet irgendwo entdeckt wurde!“ —
— „Der ſonderbare Mann hat die geringfuͤgigſten
Papierſchnitzel aufbewahrt. Ein maͤchtiger Schwall von
Schriften zeigt ſich in ſeinem Nachlaß. Ich habe den
Wunſch geaͤußert, daß Hrn. — die ſchriftſtelleriſchen
Arbeiten, die moraliſch-politiſchen wenigſtens, zur Sich¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/182>, abgerufen am 24.11.2024.
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