die Schweiz durchreist und Frankreich vorläufig gesehen, begab er sich nach England, wo er sechs Jahre zubrachte, und eine Zeitlang den Freiherrn vom Stein auf seinen Reisen im Innern dieses Landes zum Begleiter hatte. Auch lernte er hier im Jahre 1786 den Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi kennen und schloß eine herz¬ liche Freundschaft mit ihm. Die Staatsverfassung und ganze Lebenseinrichtung der Engländer wurde Haupt¬ gegenstand seiner Betrachtung, zugleich widmete sein frommer Sinn religiösen und philanthropischen Anstalten schon damals lebhafte Theilnahme.
Noch vor dem Ausbruche der französischen Revolu¬ tion kam Schlabrendorf nach Frankreich zurück, und lebte seitdem bis zu seinem Tode fast unausgesetzt in Paris. Mit einem für die Menschheit glühenden Herzen, mit einem hohen und kräftigen Geiste, stand er alsbald im drängenden Gewühle des gewaltigen politischen Lebens, das vom Jahre 1789 an immer stürmischer emporstieg. Leidenschaftlich ergriff er die frühen Hoffnungen, welche sich dem neuen Gange der Begebenheiten in den Herzen so vieler Zeitgenossen anknüpften, und mochte dieselben auch zuletzt noch nicht aufgeben, als sie für die meisten Theilnehmer längst wieder entschwunden waren; persön¬ liche Thätigkeit aber widmete er nur dem, was auf dem Schauplatze so wechselnder Ereignisse inmitten so vieler Verbrechen und Gräuel sich als wahrhaft gut und rechtlich behaupten ließ. Wohlthätig und menschen¬
die Schweiz durchreiſt und Frankreich vorlaͤufig geſehen, begab er ſich nach England, wo er ſechs Jahre zubrachte, und eine Zeitlang den Freiherrn vom Stein auf ſeinen Reiſen im Innern dieſes Landes zum Begleiter hatte. Auch lernte er hier im Jahre 1786 den Philoſophen Friedrich Heinrich Jacobi kennen und ſchloß eine herz¬ liche Freundſchaft mit ihm. Die Staatsverfaſſung und ganze Lebenseinrichtung der Englaͤnder wurde Haupt¬ gegenſtand ſeiner Betrachtung, zugleich widmete ſein frommer Sinn religioͤſen und philanthropiſchen Anſtalten ſchon damals lebhafte Theilnahme.
Noch vor dem Ausbruche der franzoͤſiſchen Revolu¬ tion kam Schlabrendorf nach Frankreich zuruͤck, und lebte ſeitdem bis zu ſeinem Tode faſt unausgeſetzt in Paris. Mit einem fuͤr die Menſchheit gluͤhenden Herzen, mit einem hohen und kraͤftigen Geiſte, ſtand er alsbald im draͤngenden Gewuͤhle des gewaltigen politiſchen Lebens, das vom Jahre 1789 an immer ſtuͤrmiſcher emporſtieg. Leidenſchaftlich ergriff er die fruͤhen Hoffnungen, welche ſich dem neuen Gange der Begebenheiten in den Herzen ſo vieler Zeitgenoſſen anknuͤpften, und mochte dieſelben auch zuletzt noch nicht aufgeben, als ſie fuͤr die meiſten Theilnehmer laͤngſt wieder entſchwunden waren; perſoͤn¬ liche Thaͤtigkeit aber widmete er nur dem, was auf dem Schauplatze ſo wechſelnder Ereigniſſe inmitten ſo vieler Verbrechen und Graͤuel ſich als wahrhaft gut und rechtlich behaupten ließ. Wohlthaͤtig und menſchen¬
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die Schweiz durchreiſt und Frankreich vorlaͤufig geſehen,
begab er ſich nach England, wo er ſechs Jahre zubrachte,
und eine Zeitlang den Freiherrn vom Stein auf ſeinen
Reiſen im Innern dieſes Landes zum Begleiter hatte.
Auch lernte er hier im Jahre 1786 den Philoſophen
Friedrich Heinrich Jacobi kennen und ſchloß eine herz¬
liche Freundſchaft mit ihm. Die Staatsverfaſſung und
ganze Lebenseinrichtung der Englaͤnder wurde Haupt¬
gegenſtand ſeiner Betrachtung, zugleich widmete ſein
frommer Sinn religioͤſen und philanthropiſchen Anſtalten
ſchon damals lebhafte Theilnahme.
Noch vor dem Ausbruche der franzoͤſiſchen Revolu¬
tion kam Schlabrendorf nach Frankreich zuruͤck, und
lebte ſeitdem bis zu ſeinem Tode faſt unausgeſetzt in
Paris. Mit einem fuͤr die Menſchheit gluͤhenden Herzen,
mit einem hohen und kraͤftigen Geiſte, ſtand er alsbald
im draͤngenden Gewuͤhle des gewaltigen politiſchen Lebens,
das vom Jahre 1789 an immer ſtuͤrmiſcher emporſtieg.
Leidenſchaftlich ergriff er die fruͤhen Hoffnungen, welche
ſich dem neuen Gange der Begebenheiten in den Herzen
ſo vieler Zeitgenoſſen anknuͤpften, und mochte dieſelben
auch zuletzt noch nicht aufgeben, als ſie fuͤr die meiſten
Theilnehmer laͤngſt wieder entſchwunden waren; perſoͤn¬
liche Thaͤtigkeit aber widmete er nur dem, was auf
dem Schauplatze ſo wechſelnder Ereigniſſe inmitten ſo
vieler Verbrechen und Graͤuel ſich als wahrhaft gut
und rechtlich behaupten ließ. Wohlthaͤtig und menſchen¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/158>, abgerufen am 23.11.2024.
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