Seine Schüler, Freunde und Verehrer sind über das ganze Gebiet der Wissenschaften ausgesä't; sie hingen ihm mit einer Treue und Liebe, mit einer Begeisterung und Zuversicht an, deren Dokumente in Hunderten von Schriften öffentlich dastehn, und noch viel glänzender und reicher in den Schätzen eines Briefwechsels auf¬ bewahrt sind, dessen Umfang und Inhalt neue Regio¬ nen seines Geistes erblicken läßt.
Sein Herz, reich an Empfindung und Antheil, ent¬ zog sich der weichen Offenheit gewöhnlicher Aeußerun¬ gen; aber nicht Allen seiner Freunde blieb hinter dem Walle von Witz, launiger Schärfe und vornehmer Er¬ scheinung, womit er es verwahrte, dessen leichte Erreg¬ barkeit verborgen. In schmerzlicher Wehmuth allgemein menschlicher Betrachtungen, in gerührten Thränen inni¬ ger Theilnahme, konnte er durch langverschwiegene Wärme den staunenden Entdecker überraschen.
Der theure Mann, dessen Verlust wir beklagen, hatte innige Freunde, unter ihnen die Angesehensten und Größten seiner Zeit. Ein strebender und bewegen¬ der Geist, wie er, blieb auch nicht ohne Gegner. Leider wurden ihm, wie das Geschick der Welt es ja so oft unvermeidlich mit sich führt, auch aus Freunden solche. In den Verwickelungen, welche die Verschiedenheit der Richtungen und Ansichten, in den Reibungen und Feh¬ den, welche das Zusammentreffen starker und eigen¬ thümlicher Geistesarten unter den Genossen gleicher
Seine Schuͤler, Freunde und Verehrer ſind uͤber das ganze Gebiet der Wiſſenſchaften ausgeſaͤ’t; ſie hingen ihm mit einer Treue und Liebe, mit einer Begeiſterung und Zuverſicht an, deren Dokumente in Hunderten von Schriften oͤffentlich daſtehn, und noch viel glaͤnzender und reicher in den Schaͤtzen eines Briefwechſels auf¬ bewahrt ſind, deſſen Umfang und Inhalt neue Regio¬ nen ſeines Geiſtes erblicken laͤßt.
Sein Herz, reich an Empfindung und Antheil, ent¬ zog ſich der weichen Offenheit gewoͤhnlicher Aeußerun¬ gen; aber nicht Allen ſeiner Freunde blieb hinter dem Walle von Witz, launiger Schaͤrfe und vornehmer Er¬ ſcheinung, womit er es verwahrte, deſſen leichte Erreg¬ barkeit verborgen. In ſchmerzlicher Wehmuth allgemein menſchlicher Betrachtungen, in geruͤhrten Thraͤnen inni¬ ger Theilnahme, konnte er durch langverſchwiegene Waͤrme den ſtaunenden Entdecker uͤberraſchen.
Der theure Mann, deſſen Verluſt wir beklagen, hatte innige Freunde, unter ihnen die Angeſehenſten und Groͤßten ſeiner Zeit. Ein ſtrebender und bewegen¬ der Geiſt, wie er, blieb auch nicht ohne Gegner. Leider wurden ihm, wie das Geſchick der Welt es ja ſo oft unvermeidlich mit ſich fuͤhrt, auch aus Freunden ſolche. In den Verwickelungen, welche die Verſchiedenheit der Richtungen und Anſichten, in den Reibungen und Feh¬ den, welche das Zuſammentreffen ſtarker und eigen¬ thuͤmlicher Geiſtesarten unter den Genoſſen gleicher
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Seine Schuͤler, Freunde und Verehrer ſind uͤber das
ganze Gebiet der Wiſſenſchaften ausgeſaͤ’t; ſie hingen
ihm mit einer Treue und Liebe, mit einer Begeiſterung
und Zuverſicht an, deren Dokumente in Hunderten von
Schriften oͤffentlich daſtehn, und noch viel glaͤnzender
und reicher in den Schaͤtzen eines Briefwechſels auf¬
bewahrt ſind, deſſen Umfang und Inhalt neue Regio¬
nen ſeines Geiſtes erblicken laͤßt.
Sein Herz, reich an Empfindung und Antheil, ent¬
zog ſich der weichen Offenheit gewoͤhnlicher Aeußerun¬
gen; aber nicht Allen ſeiner Freunde blieb hinter dem
Walle von Witz, launiger Schaͤrfe und vornehmer Er¬
ſcheinung, womit er es verwahrte, deſſen leichte Erreg¬
barkeit verborgen. In ſchmerzlicher Wehmuth allgemein
menſchlicher Betrachtungen, in geruͤhrten Thraͤnen inni¬
ger Theilnahme, konnte er durch langverſchwiegene
Waͤrme den ſtaunenden Entdecker uͤberraſchen.
Der theure Mann, deſſen Verluſt wir beklagen,
hatte innige Freunde, unter ihnen die Angeſehenſten
und Groͤßten ſeiner Zeit. Ein ſtrebender und bewegen¬
der Geiſt, wie er, blieb auch nicht ohne Gegner. Leider
wurden ihm, wie das Geſchick der Welt es ja ſo oft
unvermeidlich mit ſich fuͤhrt, auch aus Freunden ſolche.
In den Verwickelungen, welche die Verſchiedenheit der
Richtungen und Anſichten, in den Reibungen und Feh¬
den, welche das Zuſammentreffen ſtarker und eigen¬
thuͤmlicher Geiſtesarten unter den Genoſſen gleicher
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/154>, abgerufen am 22.11.2024.
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