Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Gränze gesandt worden, und hatte diese, um Huber
und seine eigne bei demselben lebende Familie in Travers
zu besuchen, ohne Erlaubniß überschritten. Hieraus
konnte ihm in Paris ein Todesverbrechen gemacht wer¬
den, und er sann auf eine gültige Ausrede. Huber
hatte ihm die Denkschrift für Lafayette gezeigt, sie ent¬
hielt mancherlei, was den damaligen Gewalthabern in
Frankreich wichtig sein konnte, unter andern den Be¬
weis, daß der Feldmarschall Luckner als General der
französischen Republik gegen diese einen Verrath began¬
gen habe. Luckner war schon seiner Befehlführung ent¬
setzt, die Anklage gegen ihn vollständig, sein Todes¬
urtheil gewiß; ihm konnte demnach nichts mehr schaden;
Forster hielt es aber für sich nützlich, wenn er eine
Abschrift jenes Aufsatzes, für den Fall, daß er selbst
angeklagt würde, vorzeigen, und den Zweck, sich diese
Abschrift zu verschaffen, als den seines Besuches bei
Huber angeben könnte. Huber gab ihm die Abschrift,
welche zwar glücklicherweise nicht als das Zeugniß gegen
Luckner, der bereits guillotinirt war, noch für Forster,
der unangeschuldigt blieb, zu dienen brauchte, allein
durch dessen bald erfolgten Tod, in fremde Hände ge¬
rieth, und in Paris unter dem Titel: Memoire de
Lally-Tolendal au roi de Prusse
, pour reclamer la
liberte de La Fayette
, öffentlich im Druck erschien.
Groß war das Aufsehn, welches diese Bekanntmachung
verursachte, und der Verdruß Bollmanns, der dieselbe

Graͤnze geſandt worden, und hatte dieſe, um Huber
und ſeine eigne bei demſelben lebende Familie in Travers
zu beſuchen, ohne Erlaubniß uͤberſchritten. Hieraus
konnte ihm in Paris ein Todesverbrechen gemacht wer¬
den, und er ſann auf eine guͤltige Ausrede. Huber
hatte ihm die Denkſchrift fuͤr Lafayette gezeigt, ſie ent¬
hielt mancherlei, was den damaligen Gewalthabern in
Frankreich wichtig ſein konnte, unter andern den Be¬
weis, daß der Feldmarſchall Luckner als General der
franzoͤſiſchen Republik gegen dieſe einen Verrath began¬
gen habe. Luckner war ſchon ſeiner Befehlfuͤhrung ent¬
ſetzt, die Anklage gegen ihn vollſtaͤndig, ſein Todes¬
urtheil gewiß; ihm konnte demnach nichts mehr ſchaden;
Forſter hielt es aber fuͤr ſich nuͤtzlich, wenn er eine
Abſchrift jenes Aufſatzes, fuͤr den Fall, daß er ſelbſt
angeklagt wuͤrde, vorzeigen, und den Zweck, ſich dieſe
Abſchrift zu verſchaffen, als den ſeines Beſuches bei
Huber angeben koͤnnte. Huber gab ihm die Abſchrift,
welche zwar gluͤcklicherweiſe nicht als das Zeugniß gegen
Luckner, der bereits guillotinirt war, noch fuͤr Forſter,
der unangeſchuldigt blieb, zu dienen brauchte, allein
durch deſſen bald erfolgten Tod, in fremde Haͤnde ge¬
rieth, und in Paris unter dem Titel: Mémoire de
Lally-Tolendal au roi de Prusse
, pour réclamer la
liberté de La Fayette
, oͤffentlich im Druck erſchien.
Groß war das Aufſehn, welches dieſe Bekanntmachung
verurſachte, und der Verdruß Bollmanns, der dieſelbe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0115" n="101"/>
Gra&#x0364;nze ge&#x017F;andt worden, und hatte die&#x017F;e, um Huber<lb/>
und &#x017F;eine eigne bei dem&#x017F;elben lebende Familie in Travers<lb/>
zu be&#x017F;uchen, ohne Erlaubniß u&#x0364;ber&#x017F;chritten. Hieraus<lb/>
konnte ihm in Paris ein Todesverbrechen gemacht wer¬<lb/>
den, und er &#x017F;ann auf eine gu&#x0364;ltige Ausrede. Huber<lb/>
hatte ihm die Denk&#x017F;chrift fu&#x0364;r Lafayette gezeigt, &#x017F;ie ent¬<lb/>
hielt mancherlei, was den damaligen Gewalthabern in<lb/>
Frankreich wichtig &#x017F;ein konnte, unter andern den Be¬<lb/>
weis, daß der Feldmar&#x017F;chall Luckner als General der<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Republik gegen die&#x017F;e einen Verrath began¬<lb/>
gen habe. Luckner war &#x017F;chon &#x017F;einer Befehlfu&#x0364;hrung ent¬<lb/>
&#x017F;etzt, die Anklage gegen ihn voll&#x017F;ta&#x0364;ndig, &#x017F;ein Todes¬<lb/>
urtheil gewiß; ihm konnte demnach nichts mehr &#x017F;chaden;<lb/>
For&#x017F;ter hielt es aber fu&#x0364;r &#x017F;ich nu&#x0364;tzlich, wenn er eine<lb/>
Ab&#x017F;chrift jenes Auf&#x017F;atzes, fu&#x0364;r den Fall, daß er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
angeklagt wu&#x0364;rde, vorzeigen, und den Zweck, &#x017F;ich die&#x017F;e<lb/>
Ab&#x017F;chrift zu ver&#x017F;chaffen, als den &#x017F;eines Be&#x017F;uches bei<lb/>
Huber angeben ko&#x0364;nnte. Huber gab ihm die Ab&#x017F;chrift,<lb/>
welche zwar glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e nicht als das Zeugniß gegen<lb/>
Luckner, der bereits guillotinirt war, noch fu&#x0364;r For&#x017F;ter,<lb/>
der unange&#x017F;chuldigt blieb, zu dienen brauchte, allein<lb/>
durch de&#x017F;&#x017F;en bald erfolgten Tod, in fremde Ha&#x0364;nde ge¬<lb/>
rieth, und in Paris unter dem Titel: <hi rendition="#aq">Mémoire de<lb/>
Lally-Tolendal au roi de Prusse</hi>, <hi rendition="#aq">pour réclamer la<lb/>
liberté de La Fayette</hi>, o&#x0364;ffentlich im Druck er&#x017F;chien.<lb/>
Groß war das Auf&#x017F;ehn, welches die&#x017F;e Bekanntmachung<lb/>
verur&#x017F;achte, und der Verdruß Bollmanns, der die&#x017F;elbe<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0115] Graͤnze geſandt worden, und hatte dieſe, um Huber und ſeine eigne bei demſelben lebende Familie in Travers zu beſuchen, ohne Erlaubniß uͤberſchritten. Hieraus konnte ihm in Paris ein Todesverbrechen gemacht wer¬ den, und er ſann auf eine guͤltige Ausrede. Huber hatte ihm die Denkſchrift fuͤr Lafayette gezeigt, ſie ent¬ hielt mancherlei, was den damaligen Gewalthabern in Frankreich wichtig ſein konnte, unter andern den Be¬ weis, daß der Feldmarſchall Luckner als General der franzoͤſiſchen Republik gegen dieſe einen Verrath began¬ gen habe. Luckner war ſchon ſeiner Befehlfuͤhrung ent¬ ſetzt, die Anklage gegen ihn vollſtaͤndig, ſein Todes¬ urtheil gewiß; ihm konnte demnach nichts mehr ſchaden; Forſter hielt es aber fuͤr ſich nuͤtzlich, wenn er eine Abſchrift jenes Aufſatzes, fuͤr den Fall, daß er ſelbſt angeklagt wuͤrde, vorzeigen, und den Zweck, ſich dieſe Abſchrift zu verſchaffen, als den ſeines Beſuches bei Huber angeben koͤnnte. Huber gab ihm die Abſchrift, welche zwar gluͤcklicherweiſe nicht als das Zeugniß gegen Luckner, der bereits guillotinirt war, noch fuͤr Forſter, der unangeſchuldigt blieb, zu dienen brauchte, allein durch deſſen bald erfolgten Tod, in fremde Haͤnde ge¬ rieth, und in Paris unter dem Titel: Mémoire de Lally-Tolendal au roi de Prusse, pour réclamer la liberté de La Fayette, oͤffentlich im Druck erſchien. Groß war das Aufſehn, welches dieſe Bekanntmachung verurſachte, und der Verdruß Bollmanns, der dieſelbe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/115
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/115>, abgerufen am 24.11.2024.