Ihren Brief, liebe Freundin, vom 16. August, habe ich richtig erhalten. Er hat mir viel Freude gemacht. Gern hätte ich den versprochenen vom Herrn Vetter noch erwartet. Er ist nicht gekommen, und ich muß nun fort. -- Es sind noch son¬ derbare Dinge seit meinem letzten Briefe vorgefallen. Eine un¬ glückliche Verbindung von Umständen hat mich in Hamburg von dem Gegenstand gerissen, dessen Andenken, dessen Briefe im Ge¬ fängniß mir Trost waren. Ob auf immer, auf wie lange, das weiß ich nicht! -- Wir sind aber Freunde, alle Freunde. -- Sie glaubte sich ihrer Pflicht opfern zu müssen, und das kann man ja nicht tadeln! --
Ich gehe mit schönen Erwartungen, -- an denen ich jedoch nicht hänge --, mit vielen Mitteln nach Amerika. Was ich selbst und die Umstände daraus machen können, muß die Zeit lehren. Auf jeden Fall werde ich mit den ausgezeichnetsten Men¬ schen dort bekannt werden, und Gelegenheit haben, mich von Vielem zu unterrichten. -- Die Gewalt der Umstände wird auch Lafayette bald befreien. Ich hoffe, in Geschäften bald wieder nach Europa zurückzukommen.
Es schmerzt mich, daß Boeckh nicht glücklich ist; mehr noch, daß er keine Aussicht hat, es zu werden. Alles um ihn herum muß ihm verdrießlich sein. Wo man einmal sehr unglücklich ge¬ wesen ist, da hat man die Meinung wider sich; da kömmt man zu nichts mehr. Fort in's Weite, das wäre am besten! Ich wollte, daß ich Aussichten in Amerika für ihn finden könnte. Dahin kommen kann man leicht. Neue Umgebungen machen einen neuen Menschen. Wo ein reiner Anfang, da ist ein besse¬ rer Fortgang! -- Die Kriegsunruhen umgeben Sie nun wieder.
10.
London, den 24. October 1795.
Ihren Brief, liebe Freundin, vom 16. Auguſt, habe ich richtig erhalten. Er hat mir viel Freude gemacht. Gern haͤtte ich den verſprochenen vom Herrn Vetter noch erwartet. Er iſt nicht gekommen, und ich muß nun fort. — Es ſind noch ſon¬ derbare Dinge ſeit meinem letzten Briefe vorgefallen. Eine un¬ gluͤckliche Verbindung von Umſtaͤnden hat mich in Hamburg von dem Gegenſtand geriſſen, deſſen Andenken, deſſen Briefe im Ge¬ faͤngniß mir Troſt waren. Ob auf immer, auf wie lange, das weiß ich nicht! — Wir ſind aber Freunde, alle Freunde. — Sie glaubte ſich ihrer Pflicht opfern zu muͤſſen, und das kann man ja nicht tadeln! —
Ich gehe mit ſchoͤnen Erwartungen, — an denen ich jedoch nicht haͤnge —, mit vielen Mitteln nach Amerika. Was ich ſelbſt und die Umſtaͤnde daraus machen koͤnnen, muß die Zeit lehren. Auf jeden Fall werde ich mit den ausgezeichnetſten Men¬ ſchen dort bekannt werden, und Gelegenheit haben, mich von Vielem zu unterrichten. — Die Gewalt der Umſtaͤnde wird auch Lafayette bald befreien. Ich hoffe, in Geſchaͤften bald wieder nach Europa zuruͤckzukommen.
Es ſchmerzt mich, daß Boeckh nicht gluͤcklich iſt; mehr noch, daß er keine Ausſicht hat, es zu werden. Alles um ihn herum muß ihm verdrießlich ſein. Wo man einmal ſehr ungluͤcklich ge¬ weſen iſt, da hat man die Meinung wider ſich; da koͤmmt man zu nichts mehr. Fort in’s Weite, das waͤre am beſten! Ich wollte, daß ich Ausſichten in Amerika fuͤr ihn finden koͤnnte. Dahin kommen kann man leicht. Neue Umgebungen machen einen neuen Menſchen. Wo ein reiner Anfang, da iſt ein beſſe¬ rer Fortgang! — Die Kriegsunruhen umgeben Sie nun wieder.
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10.
London, den 24. October 1795.
Ihren Brief, liebe Freundin, vom 16. Auguſt, habe ich
richtig erhalten. Er hat mir viel Freude gemacht. Gern haͤtte
ich den verſprochenen vom Herrn Vetter noch erwartet. Er iſt
nicht gekommen, und ich muß nun fort. — Es ſind noch ſon¬
derbare Dinge ſeit meinem letzten Briefe vorgefallen. Eine un¬
gluͤckliche Verbindung von Umſtaͤnden hat mich in Hamburg von
dem Gegenſtand geriſſen, deſſen Andenken, deſſen Briefe im Ge¬
faͤngniß mir Troſt waren. Ob auf immer, auf wie lange, das
weiß ich nicht! — Wir ſind aber Freunde, alle Freunde. —
Sie glaubte ſich ihrer Pflicht opfern zu muͤſſen, und das kann
man ja nicht tadeln! —
Ich gehe mit ſchoͤnen Erwartungen, — an denen ich jedoch
nicht haͤnge —, mit vielen Mitteln nach Amerika. Was ich
ſelbſt und die Umſtaͤnde daraus machen koͤnnen, muß die Zeit
lehren. Auf jeden Fall werde ich mit den ausgezeichnetſten Men¬
ſchen dort bekannt werden, und Gelegenheit haben, mich von
Vielem zu unterrichten. — Die Gewalt der Umſtaͤnde wird
auch Lafayette bald befreien. Ich hoffe, in Geſchaͤften bald
wieder nach Europa zuruͤckzukommen.
Es ſchmerzt mich, daß Boeckh nicht gluͤcklich iſt; mehr noch,
daß er keine Ausſicht hat, es zu werden. Alles um ihn herum
muß ihm verdrießlich ſein. Wo man einmal ſehr ungluͤcklich ge¬
weſen iſt, da hat man die Meinung wider ſich; da koͤmmt man
zu nichts mehr. Fort in’s Weite, das waͤre am beſten! Ich
wollte, daß ich Ausſichten in Amerika fuͤr ihn finden koͤnnte.
Dahin kommen kann man leicht. Neue Umgebungen machen
einen neuen Menſchen. Wo ein reiner Anfang, da iſt ein beſſe¬
rer Fortgang! — Die Kriegsunruhen umgeben Sie nun wieder.
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/112>, abgerufen am 09.11.2024.
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