Wiedereinfangung, so faßte Bollmann die Hoffnung und Besorgniß, derselbe könne auf einem andern Wege über die Gränze gekommen sein, und nun ohne Hülfe umherirren. Diese Vorstellung bewog ihn, sich alsbald wieder aufzumachen, und von Ratibor längs der Gränze hin mehr als zwanzig Meilen weit nach Waldenburg zu gehen. Dort hatte er einen Freund, dessen Pferde er nehmen, und mit einem der Gegend kundigen Mann diese durchstreifen wollte, um Lafayette aufzusuchen, ihm fortzuhelfen. Er traf die mannigfachsten Anstalten zu diesem Zwecke, suchte seine Mittel für alle denkbare Fälle einzurichten. Doch schon für jenen zu spät, und für ihn selber unglücklich! Lafayette war bereits wieder in Gefangenschaft, und Bollmann wurde, als er kaum seine kühnen Nachforschungen beginnen wollte, verhaftet und zuerst nach Olmütz, dann aber nach Wien abgeführt. Wir müssen uns nach Lafayette umsehen. Dieser war von Sternberg, gleich vom Thore ab, einer falschen Richtung gefolgt; nicht ganz aus Irrthum, er wollte einem österreichischen Reiterregiment, welches zufällig auf dem Marsche sich in dieser Gegend befand, aus¬ weichen, und späterhin auf die große Straße wieder einlenken. Durch den starken Ritt aber war sein Pferd erschöpft, und stürzte zusammen; er mußte es liegen lassen, und seinen Weg zu Fuß fortsetzen. Von einem Bauer, dem er einige Goldstücke bot, erhandelte er bald ein andres Pferd, und ritt so gut es gehen wollte
Wiedereinfangung, ſo faßte Bollmann die Hoffnung und Beſorgniß, derſelbe koͤnne auf einem andern Wege uͤber die Graͤnze gekommen ſein, und nun ohne Huͤlfe umherirren. Dieſe Vorſtellung bewog ihn, ſich alsbald wieder aufzumachen, und von Ratibor laͤngs der Graͤnze hin mehr als zwanzig Meilen weit nach Waldenburg zu gehen. Dort hatte er einen Freund, deſſen Pferde er nehmen, und mit einem der Gegend kundigen Mann dieſe durchſtreifen wollte, um Lafayette aufzuſuchen, ihm fortzuhelfen. Er traf die mannigfachſten Anſtalten zu dieſem Zwecke, ſuchte ſeine Mittel fuͤr alle denkbare Faͤlle einzurichten. Doch ſchon fuͤr jenen zu ſpaͤt, und fuͤr ihn ſelber ungluͤcklich! Lafayette war bereits wieder in Gefangenſchaft, und Bollmann wurde, als er kaum ſeine kuͤhnen Nachforſchungen beginnen wollte, verhaftet und zuerſt nach Olmuͤtz, dann aber nach Wien abgefuͤhrt. Wir muͤſſen uns nach Lafayette umſehen. Dieſer war von Sternberg, gleich vom Thore ab, einer falſchen Richtung gefolgt; nicht ganz aus Irrthum, er wollte einem oͤſterreichiſchen Reiterregiment, welches zufaͤllig auf dem Marſche ſich in dieſer Gegend befand, aus¬ weichen, und ſpaͤterhin auf die große Straße wieder einlenken. Durch den ſtarken Ritt aber war ſein Pferd erſchoͤpft, und ſtuͤrzte zuſammen; er mußte es liegen laſſen, und ſeinen Weg zu Fuß fortſetzen. Von einem Bauer, dem er einige Goldſtuͤcke bot, erhandelte er bald ein andres Pferd, und ritt ſo gut es gehen wollte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0103"n="89"/>
Wiedereinfangung, ſo faßte Bollmann die Hoffnung<lb/>
und Beſorgniß, derſelbe koͤnne auf einem andern Wege<lb/>
uͤber die Graͤnze gekommen ſein, und nun ohne Huͤlfe<lb/>
umherirren. Dieſe Vorſtellung bewog ihn, ſich alsbald<lb/>
wieder aufzumachen, und von Ratibor laͤngs der Graͤnze<lb/>
hin mehr als zwanzig Meilen weit nach Waldenburg<lb/>
zu gehen. Dort hatte er einen Freund, deſſen Pferde<lb/>
er nehmen, und mit einem der Gegend kundigen Mann<lb/>
dieſe durchſtreifen wollte, um Lafayette aufzuſuchen,<lb/>
ihm fortzuhelfen. Er traf die mannigfachſten Anſtalten<lb/>
zu dieſem Zwecke, ſuchte ſeine Mittel fuͤr alle denkbare<lb/>
Faͤlle einzurichten. Doch ſchon fuͤr jenen zu ſpaͤt, und<lb/>
fuͤr ihn ſelber ungluͤcklich! Lafayette war bereits wieder<lb/>
in Gefangenſchaft, und Bollmann wurde, als er kaum<lb/>ſeine kuͤhnen Nachforſchungen beginnen wollte, verhaftet<lb/>
und zuerſt nach Olmuͤtz, dann aber nach Wien abgefuͤhrt.<lb/>
Wir muͤſſen uns nach Lafayette umſehen. Dieſer<lb/>
war von Sternberg, gleich vom Thore ab, einer falſchen<lb/>
Richtung gefolgt; nicht ganz aus Irrthum, er wollte<lb/>
einem oͤſterreichiſchen Reiterregiment, welches zufaͤllig<lb/>
auf dem Marſche ſich in dieſer Gegend befand, aus¬<lb/>
weichen, und ſpaͤterhin auf die große Straße wieder<lb/>
einlenken. Durch den ſtarken Ritt aber war ſein Pferd<lb/>
erſchoͤpft, und ſtuͤrzte zuſammen; er mußte es liegen<lb/>
laſſen, und ſeinen Weg zu Fuß fortſetzen. Von einem<lb/>
Bauer, dem er einige Goldſtuͤcke bot, erhandelte er bald<lb/>
ein andres Pferd, und ritt ſo gut es gehen wollte<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[89/0103]
Wiedereinfangung, ſo faßte Bollmann die Hoffnung
und Beſorgniß, derſelbe koͤnne auf einem andern Wege
uͤber die Graͤnze gekommen ſein, und nun ohne Huͤlfe
umherirren. Dieſe Vorſtellung bewog ihn, ſich alsbald
wieder aufzumachen, und von Ratibor laͤngs der Graͤnze
hin mehr als zwanzig Meilen weit nach Waldenburg
zu gehen. Dort hatte er einen Freund, deſſen Pferde
er nehmen, und mit einem der Gegend kundigen Mann
dieſe durchſtreifen wollte, um Lafayette aufzuſuchen,
ihm fortzuhelfen. Er traf die mannigfachſten Anſtalten
zu dieſem Zwecke, ſuchte ſeine Mittel fuͤr alle denkbare
Faͤlle einzurichten. Doch ſchon fuͤr jenen zu ſpaͤt, und
fuͤr ihn ſelber ungluͤcklich! Lafayette war bereits wieder
in Gefangenſchaft, und Bollmann wurde, als er kaum
ſeine kuͤhnen Nachforſchungen beginnen wollte, verhaftet
und zuerſt nach Olmuͤtz, dann aber nach Wien abgefuͤhrt.
Wir muͤſſen uns nach Lafayette umſehen. Dieſer
war von Sternberg, gleich vom Thore ab, einer falſchen
Richtung gefolgt; nicht ganz aus Irrthum, er wollte
einem oͤſterreichiſchen Reiterregiment, welches zufaͤllig
auf dem Marſche ſich in dieſer Gegend befand, aus¬
weichen, und ſpaͤterhin auf die große Straße wieder
einlenken. Durch den ſtarken Ritt aber war ſein Pferd
erſchoͤpft, und ſtuͤrzte zuſammen; er mußte es liegen
laſſen, und ſeinen Weg zu Fuß fortſetzen. Von einem
Bauer, dem er einige Goldſtuͤcke bot, erhandelte er bald
ein andres Pferd, und ritt ſo gut es gehen wollte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/103>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.