Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum [...] Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt (Main), 1704.gesetzt/ so pflegen wir uns alsdann / denen die Natur etwas von Judicio Aurium gegeben/ zum höchsten zu verwundern/ preisen derer Autorem, und weden darob bißweilen fast halbentzückt. Oder auch/ ist eine Music gar zu abscheulich und übel gesetzt/ also/ daß sie vom mittelmaß richtiger Güte und einer ordinarie-erträglichen Zierligkeit gar zu weit hinab/ in 1000. dissonantien sich versteigend / mehr einem Hunde-bällen/ Heulen der Wölffe/ und Katzen Geschrey/ als einer Music zu vergleichen ist: so pfleget in etlichen Fällen nichts desto minder unsere empfindende Seel einigerley Vergnügligkeit/ auch aus dergleichen monströsen Music zu haben; zum Exempel/ in diesem Fall: Es ist jährlich bißhero ein- oder zweymahl nach Kiel kommen ein blinder Bettelmann / welcher sich leiten lassende von seinem vorangeheuden/ und an ein mässig Band gebundenen Hunde/ der des Bettlers Weibe von einer Strassen zur andern folgt/ mit den Händen ein Lied auf der Violin/ wiewol nur langsam/ und mit vorsetzlich falschen (von mir deßfals- genung- abge- merckten) Griffen spielet; mit dem Mund aber ein Teutsch Lied/ von Versen zu Versen / darein singt/ dessen Harmonie/ mit der Phantasie auf der Violin/ gantz und gar keine Gemeinschafft nicht hat. Solche so-harte Dissonantien thun musicalschen Ohren un Anfang etwas meh: welcher Schmertz aber so fort darauff in ein Lachen verkehret wird/ in Betrachtung/ daß der lose Hudler/ als ob er nicht besser geigen könte/ diese verdrüßliche Unordnungen des Klanges/ welcher zu gleich vonder Violin/ und aus seinem Mumde geth/ dermassen beständig und ordentlich weiß zu halten/ daß auch dem besten Künstler schwer fallen solte/ ohne vorherigen vielen Versuch/ es nach zuthun; ja eben so schwer/ als einem ist/ beyde Armen zugleich in unverrückter Geschwindigkeit/ rund herum in der Lufft zubewegen/ doch so daß sie nicht beyde zusammen einerley Weg/ sondern die Rotation des einen Armes von dem Leibe ab/ und die andere dem Leibe zu hielte. §. 6. Und wäre gar leicht/ das jenige/ was bißanhero von Opjectis des Gesichts und des Gehöres gedacht/ auch von den übrigen 3. Aeusserlichen Sinnen/ zu erweisen/ wie nehinlich alles das/ was denenselben monströs/ ungewöhnlich und seltzam ist/ nicht eben nothwendig umb solcher insolentien willen müsse getadelt werden; ja viel mehr/ je weiter und mehr es von gehöriger mediocrität abgehet, je höher verwundern wir uns darob. Welches wir dann im übrigen auch in Moralibus zu lernen haben/ zum Exempel an König Salomon/ und au dem Marcolfus/ oder einem andern Narren. Je von ungemeiner Weißheit jener war/ je ein größeres Wunder der Welt war er auch: und je possirlicher sich ein Narr anstellet/ je mehr und hefftiger pflegen fürnehmer Regenten Höfe/ über solche Moral-Monstra, oder abentheurliche Jecken/ sich zu ergetzen. §. 7. Ferner (3.) auf unsern vorigen Zweck allermeist/ von Natural-Monstris, und seltzam-gebildeten Abendtheuren/ und das solche/ der Naturalien-Kammer gar wol werth seyn / wieder zu kommen; so lehret die Erfahrung/ daß gleichwol viel der jenigen Cörper/ und benahmendlich zwar die/ so etwa wegenungemeiner Grösse/ im Geschlecht der Menschen/ der anderen Thiere/ oder der Erd- gewächse/ eine Verwunderung erwecken/ nicht eben so fort für Monstra und Scheusale der Welt zu halten seyn; als da bißweilen sind grosse ungeheure Rettig / Melonen/ hoch- und gefüllte Bluhmen/ oder 2. 3. und mehr Bluhinen an einem Stiel/ die ordinarie sonst nur einzel blühen; Dick- und Breite/ von 6. 7. oder mehren Stengeln zusammen-gewachsene Stengel der Coron-imperial, oder Kayser-Krohne; etlich 20. biß 30. aus einem eintzigen Gersten-Korn gewachsene Halmen; und dergleichen: inmassen den meisten / diesem Thun ein wenig- nachdenckenden/ unlaugbar ist/ und unschwer seyn kan/ Sie zu bereden / daß solche Extravagantien der Natur/ vermuthlich mehr werden de[unleserliches Material] Lüsternheit derselben / einem Wachsthums-überfluß/ und plus quam perfection, als einer verhaßt- und verächtlichen Unvoll- kommenheit/ seyn bey zumessen. §. 8. Und (4.) endlich/ gleich wie ein gerin- geres Purpur-Tuch nebenst einem besten gethan / wegen dieser seiner Opposition außdrücklich und so viel mehr die Gütte des besseren vorstellet: oder gleich wie eine schöne Jungfrau den Ruhm preiß-würdiger Schönheit für sich zwar gnung verdienen kan: fals Sie sich aber mit andern gesellt/ die zwar nicht gantz heßlich / denen doch die Natur so hohen Grad annehmlicher Gestalt nit gegeben/ dem Urtheil der Menschen so viel durchdringender/ liebreich oderauch majestätischer/ gleichsam als ein andere Venus und Juno, durch die Augen ins Herß leuchtet: also ist/ dünckt mir/ Sonnenklar und am Tage/ daß solcher gestalt auch/ wokö stliche Raritäten[unleserliches Material]in Fürstl oderandern Kunst- und Naturalie-Kammern seyn/ dero perfection und Zierde so viel deutlicher sich äussert / und philosophischen Gemüthern ein so tief-sinnigers Nachdencken erweckt/ so fern alle oder die meisten Stücke/ die etwa in einem schönen/ licht- und gesimden Logiment/ sauber und ordentlich aufgesetzt/ da und dort mit darzwischen-fügung oder auch opposition unterschiedener / zu ihren Geschlechtern gehörigen/ monströser Gestalten ander Cörper/ in originali, oder Copey/ so viel mehr illustrit, und beyderseits mit einander/ vergesellschafftet werden. §. 9. Die Krafft itzt-an geregter opposition, ausser dem/ was kurtz nur vom Purpur/ gesetzt/ so pflegen wir uns alsdann / denen die Natur etwas von Judicio Aurium gegeben/ zum höchsten zu verwundern/ preisen derer Autorem, und weden darob bißweilen fast halbentzückt. Oder auch/ ist eine Music gar zu abscheulich und übel gesetzt/ also/ daß sie vom mittelmaß richtiger Güte und einer ordinarie-erträglichen Zierligkeit gar zu weit hinab/ in 1000. dissonantien sich versteigend / mehr einem Hunde-bällen/ Heulen der Wölffe/ und Katzen Geschrey/ als einer Music zu vergleichen ist: so pfleget in etlichen Fällen nichts desto minder unsere empfindende Seel einigerley Vergnügligkeit/ auch aus dergleichen monströsen Music zu haben; zum Exempel/ in diesem Fall: Es ist jährlich bißhero ein- oder zweymahl nach Kiel kommen ein blinder Bettelmann / welcher sich leiten lassende von seinem vorangeheuden/ und an ein mässig Band gebundenen Hunde/ der des Bettlers Weibe von einer Strassen zur andern folgt/ mit den Händen ein Lied auf der Violin/ wiewol nur langsam/ und mit vorsetzlich falschen (von mir deßfals- genung- abge- merckten) Griffen spielet; mit dem Mund aber ein Teutsch Lied/ von Versen zu Versen / darein singt/ dessen Harmonie/ mit der Phantasie auf der Violin/ gantz und gar keine Gemeinschafft nicht hat. Solche so-harte Dissonantien thun musicalschen Ohren un Anfang etwas meh: welcher Schmertz aber so fort darauff in ein Lachen verkehret wird/ in Betrachtung/ daß der lose Hudler/ als ob er nicht besser geigen könte/ diese verdrüßliche Unordnungen des Klanges/ welcher zu gleich vonder Violin/ und aus seinem Mumde geth/ dermassen beständig und ordentlich weiß zu halten/ daß auch dem besten Künstler schwer fallen solte/ ohne vorherigen vielen Versuch/ es nach zuthun; ja eben so schwer/ als einem ist/ beyde Armen zugleich in unverrückter Geschwindigkeit/ rund herum in der Lufft zubewegen/ doch so daß sie nicht beyde zusammen einerley Weg/ sondern die Rotation des einen Armes von dem Leibe ab/ und die andere dem Leibe zu hielte. §. 6. Und wäre gar leicht/ das jenige/ was bißanhero von Opjectis des Gesichts und des Gehöres gedacht/ auch von den übrigen 3. Aeusserlichen Sinnen/ zu erweisen/ wie nehinlich alles das/ was denenselben monströs/ ungewöhnlich und seltzam ist/ nicht eben nothwendig umb solcher insolentien willen müsse getadelt werden; ja viel mehr/ je weiter und mehr es von gehöriger mediocrität abgehet, je höher verwundern wir uns darob. Welches wir dann im übrigen auch in Moralibus zu lernen haben/ zum Exempel an König Salomon/ und au dem Marcolfus/ oder einem andern Narren. Je von ungemeiner Weißheit jener war/ je ein größeres Wunder der Welt war er auch: und je possirlicher sich ein Narr anstellet/ je mehr und hefftiger pflegen fürnehmer Regenten Höfe/ über solche Moral-Monstra, oder abentheurliche Jecken/ sich zu ergetzen. §. 7. Ferner (3.) auf unsern vorigen Zweck allermeist/ von Natural-Monstris, und seltzam-gebildeten Abendtheuren/ und das solche/ der Naturalien-Kammer gar wol werth seyn / wieder zu kommen; so lehret die Erfahrung/ daß gleichwol viel der jenigen Cörper/ und benahmendlich zwar die/ so etwa wegenungemeiner Grösse/ im Geschlecht der Menschen/ der anderen Thiere/ oder der Erd- gewächse/ eine Verwunderung erwecken/ nicht eben so fort für Monstra und Scheusale der Welt zu halten seyn; als da bißweilen sind grosse ungeheure Rettig / Melonen/ hoch- und gefüllte Bluhmen/ oder 2. 3. und mehr Bluhinen an einem Stiel/ die ordinarie sonst nur einzel blühen; Dick- und Breite/ von 6. 7. oder mehren Stengeln zusam̃en-gewachsene Stengel der Coron-imperial, oder Kayser-Krohne; etlich 20. biß 30. aus einem eintzigen Gersten-Korn gewachsene Halmen; und dergleichen: inmassen den meisten / diesem Thun ein wenig- nachdenckenden/ unlaugbar ist/ und unschwer seyn kan/ Sie zu bereden / daß solche Extravagantien der Natur/ vermuthlich mehr werden de[unleserliches Material] Lüsternheit derselben / einem Wachsthums-überfluß/ und plus quam perfection, als einer verhaßt- und verächtlichen Unvoll- kommenheit/ seyn bey zumessen. §. 8. Und (4.) endlich/ gleich wie ein gerin- geres Purpur-Tuch nebenst einem besten gethan / wegen dieser seiner Opposition außdrücklich und so viel mehr die Gütte des besseren vorstellet: oder gleich wie eine schöne Jungfrau den Ruhm preiß-würdiger Schönheit für sich zwar gnung verdienen kan: fals Sie sich aber mit andern gesellt/ die zwar nicht gantz heßlich / denen doch die Natur so hohen Grad annehmlicher Gestalt nit gegeben/ dem Urtheil der Menschen so viel durchdringender/ liebreich oderauch majestätischer/ gleichsam als ein andere Venus und Juno, durch die Augen ins Herß leuchtet: also ist/ dünckt mir/ Soñenklar und am Tage/ daß solcher gestalt auch/ wokö stliche Raritäten[unleserliches Material]in Fürstl oderandern Kunst- und Naturalië-Kammern seyn/ dero perfection uñ Zierde so viel deutlicher sich äussert / und philosophischen Gemüthern ein so tief-sinnigers Nachdencken erweckt/ so fern alle oder die meisten Stücke/ die etwa in einem schönen/ licht- und gesimden Logiment/ sauber und ordentlich aufgesetzt/ da und dort mit darzwischen-fügung oder auch opposition unterschiedener / zu ihren Geschlechtern gehörigen/ monströser Gestalten ander Cörper/ in originali, oder Copey/ so viel mehr illustrit, und beyderseits mit einander/ vergesellschafftet werden. §. 9. 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Oder auch/ ist eine Music gar zu abscheulich und übel gesetzt/ also/ daß sie vom mittelmaß richtiger Güte und einer ordinarie-erträglichen Zierligkeit gar zu weit hinab/ in 1000. dissonantien sich versteigend / mehr einem Hunde-bällen/ Heulen der Wölffe/ und Katzen Geschrey/ als einer Music zu vergleichen ist: so pfleget in etlichen Fällen nichts desto minder unsere empfindende Seel einigerley Vergnügligkeit/ auch aus dergleichen monströsen Music zu haben; zum Exempel/ in diesem Fall: Es ist jährlich bißhero ein- oder zweymahl nach Kiel kommen ein blinder Bettelmann / welcher sich leiten lassende von seinem vorangeheuden/ und an ein mässig Band gebundenen Hunde/ der des Bettlers Weibe von einer Strassen zur andern folgt/ mit den Händen ein Lied auf der Violin/ wiewol nur langsam/ und mit vorsetzlich falschen (von mir deßfals- genung- abge- merckten) Griffen spielet; mit dem Mund aber ein Teutsch Lied/ von Versen zu Versen / darein singt/ dessen Harmonie/ mit der Phantasie auf der Violin/ gantz und gar keine Gemeinschafft nicht hat. Solche so-harte Dissonantien thun musicalschen Ohren un Anfang etwas meh: welcher Schmertz aber so fort darauff in ein Lachen verkehret wird/ in Betrachtung/ daß der lose Hudler/ als ob er nicht besser geigen könte/ diese verdrüßliche Unordnungen des Klanges/ welcher zu gleich vonder Violin/ und aus seinem Mumde geth/ dermassen beständig und ordentlich weiß zu halten/ daß auch dem besten Künstler schwer fallen solte/ ohne vorherigen vielen Versuch/ es nach zuthun; ja eben so schwer/ als einem ist/ beyde Armen zugleich in unverrückter Geschwindigkeit/ rund herum in der Lufft zubewegen/ doch so daß sie nicht beyde zusammen einerley Weg/ sondern die Rotation des einen Armes von dem Leibe ab/ und die andere dem Leibe zu hielte.</p> <p>§. 6. Und wäre gar leicht/ das jenige/ was bißanhero von Opjectis des Gesichts und des Gehöres gedacht/ auch von den übrigen 3. Aeusserlichen Sinnen/ zu erweisen/ wie nehinlich alles das/ was denenselben monströs/ ungewöhnlich und seltzam ist/ nicht eben nothwendig umb solcher insolentien willen müsse getadelt werden; ja viel mehr/ je weiter und mehr es von gehöriger mediocrität abgehet, je höher verwundern wir uns darob. Welches wir dann im übrigen auch in Moralibus zu lernen haben/ zum Exempel an König Salomon/ und au dem Marcolfus/ oder einem andern Narren. Je von ungemeiner Weißheit jener war/ je ein größeres Wunder der Welt war er auch: und je possirlicher sich ein Narr anstellet/ je mehr und hefftiger pflegen fürnehmer Regenten Höfe/ über solche Moral-Monstra, oder abentheurliche Jecken/ sich zu ergetzen.</p> <p>§. 7. Ferner (3.) auf unsern vorigen Zweck allermeist/ von Natural-Monstris, und seltzam-gebildeten Abendtheuren/ und das solche/ der Naturalien-Kammer gar wol werth seyn / wieder zu kommen; so lehret die Erfahrung/ daß gleichwol viel der jenigen Cörper/ und benahmendlich zwar die/ so etwa wegenungemeiner Grösse/ im Geschlecht der Menschen/ der anderen Thiere/ oder der Erd- gewächse/ eine Verwunderung erwecken/ nicht eben so fort für Monstra und Scheusale der Welt zu halten seyn; als da bißweilen sind grosse ungeheure Rettig / Melonen/ hoch- und gefüllte Bluhmen/ oder 2. 3. und mehr Bluhinen an einem Stiel/ die ordinarie sonst nur einzel blühen; Dick- und Breite/ von 6. 7. oder mehren Stengeln zusam̃en-gewachsene Stengel der Coron-imperial, oder Kayser-Krohne; etlich 20. biß 30. aus einem eintzigen Gersten-Korn gewachsene Halmen; und dergleichen: inmassen den meisten / diesem Thun ein wenig- nachdenckenden/ unlaugbar ist/ und unschwer seyn kan/ Sie zu bereden / daß solche Extravagantien der Natur/ vermuthlich mehr werden de<gap reason="illegible"/> Lüsternheit derselben / einem Wachsthums-überfluß/ und plus quam perfection, als einer verhaßt- und verächtlichen Unvoll- kommenheit/ seyn bey zumessen.</p> <p>§. 8. Und (4.) endlich/ gleich wie ein gerin- geres Purpur-Tuch nebenst einem besten gethan / wegen dieser seiner Opposition außdrücklich und so viel mehr die Gütte des besseren vorstellet: oder gleich wie eine schöne Jungfrau den Ruhm preiß-würdiger Schönheit für sich zwar gnung verdienen kan: fals Sie sich aber mit andern gesellt/ die zwar nicht gantz heßlich / denen doch die Natur so hohen Grad annehmlicher Gestalt nit gegeben/ dem Urtheil der Menschen so viel durchdringender/ liebreich oderauch majestätischer/ gleichsam als ein andere Venus und Juno, durch die Augen ins Herß leuchtet: also ist/ dünckt mir/ Soñenklar und am Tage/ daß solcher gestalt auch/ wokö stliche Raritäten<gap reason="illegible"/>in Fürstl oderandern Kunst- und Naturalië-Kammern seyn/ dero perfection uñ Zierde so viel deutlicher sich äussert / und philosophischen Gemüthern ein so tief-sinnigers Nachdencken erweckt/ so fern alle oder die meisten Stücke/ die etwa in einem schönen/ licht- und gesimden Logiment/ sauber und ordentlich aufgesetzt/ da und dort mit darzwischen-fügung oder auch opposition unterschiedener / zu ihren Geschlechtern gehörigen/ monströser Gestalten ander Cörper/ in originali, oder Copey/ so viel mehr illustrit, und beyderseits mit einander/ vergesellschafftet werden.</p> <p>§. 9. Die Krafft itzt-an geregter opposition, ausser dem/ was kurtz nur vom Purpur/ </p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0608]
gesetzt/ so pflegen wir uns alsdann / denen die Natur etwas von Judicio Aurium gegeben/ zum höchsten zu verwundern/ preisen derer Autorem, und weden darob bißweilen fast halbentzückt. Oder auch/ ist eine Music gar zu abscheulich und übel gesetzt/ also/ daß sie vom mittelmaß richtiger Güte und einer ordinarie-erträglichen Zierligkeit gar zu weit hinab/ in 1000. dissonantien sich versteigend / mehr einem Hunde-bällen/ Heulen der Wölffe/ und Katzen Geschrey/ als einer Music zu vergleichen ist: so pfleget in etlichen Fällen nichts desto minder unsere empfindende Seel einigerley Vergnügligkeit/ auch aus dergleichen monströsen Music zu haben; zum Exempel/ in diesem Fall: Es ist jährlich bißhero ein- oder zweymahl nach Kiel kommen ein blinder Bettelmann / welcher sich leiten lassende von seinem vorangeheuden/ und an ein mässig Band gebundenen Hunde/ der des Bettlers Weibe von einer Strassen zur andern folgt/ mit den Händen ein Lied auf der Violin/ wiewol nur langsam/ und mit vorsetzlich falschen (von mir deßfals- genung- abge- merckten) Griffen spielet; mit dem Mund aber ein Teutsch Lied/ von Versen zu Versen / darein singt/ dessen Harmonie/ mit der Phantasie auf der Violin/ gantz und gar keine Gemeinschafft nicht hat. Solche so-harte Dissonantien thun musicalschen Ohren un Anfang etwas meh: welcher Schmertz aber so fort darauff in ein Lachen verkehret wird/ in Betrachtung/ daß der lose Hudler/ als ob er nicht besser geigen könte/ diese verdrüßliche Unordnungen des Klanges/ welcher zu gleich vonder Violin/ und aus seinem Mumde geth/ dermassen beständig und ordentlich weiß zu halten/ daß auch dem besten Künstler schwer fallen solte/ ohne vorherigen vielen Versuch/ es nach zuthun; ja eben so schwer/ als einem ist/ beyde Armen zugleich in unverrückter Geschwindigkeit/ rund herum in der Lufft zubewegen/ doch so daß sie nicht beyde zusammen einerley Weg/ sondern die Rotation des einen Armes von dem Leibe ab/ und die andere dem Leibe zu hielte.
§. 6. Und wäre gar leicht/ das jenige/ was bißanhero von Opjectis des Gesichts und des Gehöres gedacht/ auch von den übrigen 3. Aeusserlichen Sinnen/ zu erweisen/ wie nehinlich alles das/ was denenselben monströs/ ungewöhnlich und seltzam ist/ nicht eben nothwendig umb solcher insolentien willen müsse getadelt werden; ja viel mehr/ je weiter und mehr es von gehöriger mediocrität abgehet, je höher verwundern wir uns darob. Welches wir dann im übrigen auch in Moralibus zu lernen haben/ zum Exempel an König Salomon/ und au dem Marcolfus/ oder einem andern Narren. Je von ungemeiner Weißheit jener war/ je ein größeres Wunder der Welt war er auch: und je possirlicher sich ein Narr anstellet/ je mehr und hefftiger pflegen fürnehmer Regenten Höfe/ über solche Moral-Monstra, oder abentheurliche Jecken/ sich zu ergetzen.
§. 7. Ferner (3.) auf unsern vorigen Zweck allermeist/ von Natural-Monstris, und seltzam-gebildeten Abendtheuren/ und das solche/ der Naturalien-Kammer gar wol werth seyn / wieder zu kommen; so lehret die Erfahrung/ daß gleichwol viel der jenigen Cörper/ und benahmendlich zwar die/ so etwa wegenungemeiner Grösse/ im Geschlecht der Menschen/ der anderen Thiere/ oder der Erd- gewächse/ eine Verwunderung erwecken/ nicht eben so fort für Monstra und Scheusale der Welt zu halten seyn; als da bißweilen sind grosse ungeheure Rettig / Melonen/ hoch- und gefüllte Bluhmen/ oder 2. 3. und mehr Bluhinen an einem Stiel/ die ordinarie sonst nur einzel blühen; Dick- und Breite/ von 6. 7. oder mehren Stengeln zusam̃en-gewachsene Stengel der Coron-imperial, oder Kayser-Krohne; etlich 20. biß 30. aus einem eintzigen Gersten-Korn gewachsene Halmen; und dergleichen: inmassen den meisten / diesem Thun ein wenig- nachdenckenden/ unlaugbar ist/ und unschwer seyn kan/ Sie zu bereden / daß solche Extravagantien der Natur/ vermuthlich mehr werden de_ Lüsternheit derselben / einem Wachsthums-überfluß/ und plus quam perfection, als einer verhaßt- und verächtlichen Unvoll- kommenheit/ seyn bey zumessen.
§. 8. Und (4.) endlich/ gleich wie ein gerin- geres Purpur-Tuch nebenst einem besten gethan / wegen dieser seiner Opposition außdrücklich und so viel mehr die Gütte des besseren vorstellet: oder gleich wie eine schöne Jungfrau den Ruhm preiß-würdiger Schönheit für sich zwar gnung verdienen kan: fals Sie sich aber mit andern gesellt/ die zwar nicht gantz heßlich / denen doch die Natur so hohen Grad annehmlicher Gestalt nit gegeben/ dem Urtheil der Menschen so viel durchdringender/ liebreich oderauch majestätischer/ gleichsam als ein andere Venus und Juno, durch die Augen ins Herß leuchtet: also ist/ dünckt mir/ Soñenklar und am Tage/ daß solcher gestalt auch/ wokö stliche Raritäten_ in Fürstl oderandern Kunst- und Naturalië-Kammern seyn/ dero perfection uñ Zierde so viel deutlicher sich äussert / und philosophischen Gemüthern ein so tief-sinnigers Nachdencken erweckt/ so fern alle oder die meisten Stücke/ die etwa in einem schönen/ licht- und gesimden Logiment/ sauber und ordentlich aufgesetzt/ da und dort mit darzwischen-fügung oder auch opposition unterschiedener / zu ihren Geschlechtern gehörigen/ monströser Gestalten ander Cörper/ in originali, oder Copey/ so viel mehr illustrit, und beyderseits mit einander/ vergesellschafftet werden.
§. 9. Die Krafft itzt-an geregter opposition, ausser dem/ was kurtz nur vom Purpur/
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