Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
der Meinung, dass die decidua auf folgende merkwürdige Weise
schwinde. Die Flocken des Chorion drängen sich in diese hinein
und es entstehen daher in ihr eine Menge Gruben, welche der
ganzen Membran ein maschenförmiges Ansehen geben. Indem
diese sich nun vergrössern, verwandelt sich die reflexa in ein
das Chorion locker umgebendes Zellgewebe. Heusinger (s. Zeit-
schr. II. S. 517.) erklärt sich jedoch gegen diese Ansicht, weil
die Löcher oder Maschen sich nicht bloss in der zurückgeschla-
genen, sondern auch in der wahren hinfälligen Haut finden. Auch
läugnet er eine von Carus beschriebene und abgebildete Höhlung
zwischen Chorion und decidua.

g. Bedeutung und Nutzen der decidua und ihres
Contentums
.

Man hat theils willkührlich, theils durch gewisse Analogieen
geleitet, die decidua mit manchen Theilen anderer Thierklassen,
als der Säugethiere und des Menschen, verglichen, ohne jedoch
durch specielle Analogisirung zu sehr wichtigen Resultaten ge-
kommen zu seyn. So verglich sie, wenigstens der Lage nach
richtig, Cuvier (Meck. Arch. V. S. 592.) mit der Eischaale und
minder consequent Dutrochet (Meck. Arch. S. 585.) mit der Ei-
schaalenhaut, während Mertens (Meck. Arch. 1827. S. 315.) sogar
in den während der Entwickelung des Hühnchens innerhalb der
Eischaalenhaut entstehenden Lamellen ein Analogon derselben fin-
den will. Burdach (Physiol. II. S. 63.), der die bestimmten zur
Entwickelung der Frucht vorbereiteten und tauglichen Lagerstätten
der Eier unter der Bezeichnu[n]g der Geniste umfasset, rechnet
die caduca der Säugethiere ebenfalls hierher (S. 77.) und sucht
sie insofern nicht mit diesem oder jenem Gebilde eines Vogels
oder eines anderen Thieres in Vergleich zu bringen, sondern un-
ter einen allgemeinen Gesichtspunkt unterzuordnen. Nach Bre-
schet (l. c. p. 113.) kommen den hierher zu rechnenden Theilen
folgende Functionen zu. 1. Die caduca selbst verschliesst die
Höhlung des Uterus von allen Seiten, hindert so den Ausfluss
der in ihr enthaltenen Flüssigkeit und wird ein intermediärer Kör-
per zwischen Ei und Uterus. Ihre Membranen sollen das Ei auf-
nehmen, und dieses findet in ihnen nicht bloss einen Anhaltspunkt,
sondern einen tauglichen Mittelkörper, um mit dem Fruchthälter
in Wechselwirkung zu treten. Die caduca selbst aber tritt

V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
der Meinung, daſs die decidua auf folgende merkwürdige Weise
schwinde. Die Flocken des Chorion drängen sich in diese hinein
und es entstehen daher in ihr eine Menge Gruben, welche der
ganzen Membran ein maschenförmiges Ansehen geben. Indem
diese sich nun vergröſsern, verwandelt sich die reflexa in ein
das Chorion locker umgebendes Zellgewebe. Heusinger (s. Zeit-
schr. II. S. 517.) erklärt sich jedoch gegen diese Ansicht, weil
die Löcher oder Maschen sich nicht bloſs in der zurückgeschla-
genen, sondern auch in der wahren hinfälligen Haut finden. Auch
läugnet er eine von Carus beschriebene und abgebildete Höhlung
zwischen Chorion und decidua.

g. Bedeutung und Nutzen der decidua und ihres
Contentums
.

Man hat theils willkührlich, theils durch gewisse Analogieen
geleitet, die decidua mit manchen Theilen anderer Thierklassen,
als der Säugethiere und des Menschen, verglichen, ohne jedoch
durch specielle Analogisirung zu sehr wichtigen Resultaten ge-
kommen zu seyn. So verglich sie, wenigstens der Lage nach
richtig, Cuvier (Meck. Arch. V. S. 592.) mit der Eischaale und
minder consequent Dutrochet (Meck. Arch. S. 585.) mit der Ei-
schaalenhaut, während Mertens (Meck. Arch. 1827. S. 315.) sogar
in den während der Entwickelung des Hühnchens innerhalb der
Eischaalenhaut entstehenden Lamellen ein Analogon derselben fin-
den will. Burdach (Physiol. II. S. 63.), der die bestimmten zur
Entwickelung der Frucht vorbereiteten und tauglichen Lagerstätten
der Eier unter der Bezeichnu[n]g der Geniste umfasset, rechnet
die caduca der Säugethiere ebenfalls hierher (S. 77.) und sucht
sie insofern nicht mit diesem oder jenem Gebilde eines Vogels
oder eines anderen Thieres in Vergleich zu bringen, sondern un-
ter einen allgemeinen Gesichtspunkt unterzuordnen. Nach Bre-
schet (l. c. p. 113.) kommen den hierher zu rechnenden Theilen
folgende Functionen zu. 1. Die caduca selbst verschlieſst die
Höhlung des Uterus von allen Seiten, hindert so den Ausfluſs
der in ihr enthaltenen Flüssigkeit und wird ein intermediärer Kör-
per zwischen Ei und Uterus. Ihre Membranen sollen das Ei auf-
nehmen, und dieses findet in ihnen nicht bloſs einen Anhaltspunkt,
sondern einen tauglichen Mittelkörper, um mit dem Fruchthälter
in Wechselwirkung zu treten. Die caduca selbst aber tritt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0099" n="71"/><fw place="top" type="header">V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.</fw><lb/>
der Meinung, da&#x017F;s die <hi rendition="#i">decidua</hi> auf folgende merkwürdige Weise<lb/>
schwinde. Die Flocken des Chorion drängen sich in diese hinein<lb/>
und es entstehen daher in ihr eine Menge Gruben, welche der<lb/>
ganzen Membran ein maschenförmiges Ansehen geben. Indem<lb/>
diese sich nun vergrö&#x017F;sern, verwandelt sich die <hi rendition="#i">reflexa</hi> in ein<lb/>
das Chorion locker umgebendes Zellgewebe. Heusinger (s. Zeit-<lb/>
schr. II. S. 517.) erklärt sich jedoch gegen diese Ansicht, weil<lb/>
die Löcher oder Maschen sich nicht blo&#x017F;s in der zurückgeschla-<lb/>
genen, sondern auch in der wahren hinfälligen Haut finden. Auch<lb/>
läugnet er eine von Carus beschriebene und abgebildete Höhlung<lb/>
zwischen Chorion und <hi rendition="#i">decidua</hi>.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>g. <hi rendition="#g">Bedeutung und Nutzen der <hi rendition="#i">decidua</hi> und ihres<lb/><choice><sic>Contentnms</sic><corr>Contentums</corr></choice></hi>.</head><lb/>
              <p>Man hat theils willkührlich, theils durch gewisse Analogieen<lb/>
geleitet, die <hi rendition="#i">decidua</hi> mit manchen Theilen anderer Thierklassen,<lb/>
als der Säugethiere und des Menschen, verglichen, ohne jedoch<lb/>
durch specielle Analogisirung zu sehr wichtigen Resultaten ge-<lb/>
kommen zu seyn. So verglich sie, wenigstens der Lage nach<lb/>
richtig, Cuvier (Meck. Arch. V. S. 592.) mit der Eischaale und<lb/>
minder consequent Dutrochet (Meck. Arch. S. 585.) mit der Ei-<lb/>
schaalenhaut, während Mertens (Meck. Arch. 1827. S. 315.) sogar<lb/>
in den während der Entwickelung des Hühnchens innerhalb der<lb/>
Eischaalenhaut entstehenden Lamellen ein Analogon derselben fin-<lb/>
den will. Burdach (Physiol. II. S. 63.), der die bestimmten zur<lb/>
Entwickelung der Frucht vorbereiteten und tauglichen Lagerstätten<lb/>
der Eier unter der Bezeichnu<supplied>n</supplied>g der Geniste umfasset, rechnet<lb/>
die <hi rendition="#i">caduca</hi> der Säugethiere ebenfalls hierher (S. 77.) und sucht<lb/>
sie insofern nicht mit diesem oder jenem Gebilde eines Vogels<lb/>
oder eines anderen Thieres in Vergleich zu bringen, sondern un-<lb/>
ter einen allgemeinen Gesichtspunkt unterzuordnen. Nach Bre-<lb/>
schet (l. c. p. 113.) kommen den hierher zu rechnenden Theilen<lb/>
folgende Functionen zu. 1. Die <hi rendition="#i">caduca</hi> selbst verschlie&#x017F;st die<lb/>
Höhlung des Uterus von allen Seiten, hindert so den Ausflu&#x017F;s<lb/>
der in ihr enthaltenen Flüssigkeit und wird ein intermediärer Kör-<lb/>
per zwischen Ei und Uterus. Ihre Membranen sollen das Ei auf-<lb/>
nehmen, <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> dieses findet in ihnen nicht blo&#x017F;s einen Anhaltspunkt,<lb/>
sondern einen tauglichen Mittelkörper, um mit dem Fruchthälter<lb/>
in Wechselwirkung zu treten. Die <hi rendition="#i">caduca</hi> selbst aber tritt<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0099] V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. der Meinung, daſs die decidua auf folgende merkwürdige Weise schwinde. Die Flocken des Chorion drängen sich in diese hinein und es entstehen daher in ihr eine Menge Gruben, welche der ganzen Membran ein maschenförmiges Ansehen geben. Indem diese sich nun vergröſsern, verwandelt sich die reflexa in ein das Chorion locker umgebendes Zellgewebe. Heusinger (s. Zeit- schr. II. S. 517.) erklärt sich jedoch gegen diese Ansicht, weil die Löcher oder Maschen sich nicht bloſs in der zurückgeschla- genen, sondern auch in der wahren hinfälligen Haut finden. Auch läugnet er eine von Carus beschriebene und abgebildete Höhlung zwischen Chorion und decidua. g. Bedeutung und Nutzen der decidua und ihres Contentums. Man hat theils willkührlich, theils durch gewisse Analogieen geleitet, die decidua mit manchen Theilen anderer Thierklassen, als der Säugethiere und des Menschen, verglichen, ohne jedoch durch specielle Analogisirung zu sehr wichtigen Resultaten ge- kommen zu seyn. So verglich sie, wenigstens der Lage nach richtig, Cuvier (Meck. Arch. V. S. 592.) mit der Eischaale und minder consequent Dutrochet (Meck. Arch. S. 585.) mit der Ei- schaalenhaut, während Mertens (Meck. Arch. 1827. S. 315.) sogar in den während der Entwickelung des Hühnchens innerhalb der Eischaalenhaut entstehenden Lamellen ein Analogon derselben fin- den will. Burdach (Physiol. II. S. 63.), der die bestimmten zur Entwickelung der Frucht vorbereiteten und tauglichen Lagerstätten der Eier unter der Bezeichnung der Geniste umfasset, rechnet die caduca der Säugethiere ebenfalls hierher (S. 77.) und sucht sie insofern nicht mit diesem oder jenem Gebilde eines Vogels oder eines anderen Thieres in Vergleich zu bringen, sondern un- ter einen allgemeinen Gesichtspunkt unterzuordnen. Nach Bre- schet (l. c. p. 113.) kommen den hierher zu rechnenden Theilen folgende Functionen zu. 1. Die caduca selbst verschlieſst die Höhlung des Uterus von allen Seiten, hindert so den Ausfluſs der in ihr enthaltenen Flüssigkeit und wird ein intermediärer Kör- per zwischen Ei und Uterus. Ihre Membranen sollen das Ei auf- nehmen, und dieses findet in ihnen nicht bloſs einen Anhaltspunkt, sondern einen tauglichen Mittelkörper, um mit dem Fruchthälter in Wechselwirkung zu treten. Die caduca selbst aber tritt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/99
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/99>, abgerufen am 25.11.2024.