V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
a. Von verschiedenem Ursprunge und Werthe. Die decidua vera ist kein neues Gebilde, sondern die aufgelockerte und me- tamorphosirte Gebärmutterschleimhaut, von welcher dann die re- flexa um das Ei herum abgeschieden wird. Seiler (die Gebär- mutter und das Ei des Menschen S. 30.) spricht diese mit seiner Ansicht von der wahren hinfälligen Haut in völliger Consequenz stehende Vorstellung am deutlichsten aus.
b. Von verschiedenem zeitlichen Ursprunge. Joh. Müller (s. Arch. Hft. 1. S. 6.) stellt die Vorstellung zur Prüfung auf, dass das Exsudat der decidua vera vor dem Eintritte des Eies in den Uterus entstehe, dass aber das einmal schon organisirte Exsudat eben bei dem Eintritte des Eies ein neues Exsudat um die Eintrittsstelle von jenem bilde. --
c. Nicht bloss von verschiedenem zeitlichen, sondern auch von verschiedenem örtlichen Ursprunge. Nach Breschet (l. c. p. 103.) hat das Eichen während seines Durchganges durch die Tube sich mit einer plastischen Masse umgeben und gelangt, wenn es in den Uterus gekommen, in die Substanz der hinfälligen Haut selbst. Durch die Vergrösserung nun entsteht auf diese Weise eine hinfällige Haut an dem Eichen selbst, die decidua reflexa, ohne dass die decidua vera an irgend einer Stelle umgestülpt oder die innere Schleimhaut des Uterus an irgend einem Ort ent- blösst worden wäre. Diese Theorie bildet den unmittelbaren Uebergang zu den folgenden Ansichten.
4. Die Theorien der Propulsion und Einsaat. Die decidua reflexa entsteht dadurch, dass das Eichen einen Theil der deci- dua vera vor sich hertreibt. Sie findet sich auf folgende Weise modificirt.
a. Die Vorstellung von J. Burns. Nach ihm (Hunter ana- tom. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 80. 81.) besteht die deci- dua aus zwei Lamellen. Die äussere ist an den Mündungen der Trompeten und dem Gebärmutterhalse offen. Die innere Lamelle ist überall geschlossen, erstreckt sich an den Oeffnungsstellen über die äussere Lamelle hinaus und verschliesst auf diese Weise die Lük- ken der äusseren Schicht. Das Eichen wird nun durch die innere Lamelle gleichsam aufgehalten, wenn es in den Uterus kommt, treibt diese vor sich her und stellt so die decidua reflexa dar. Zuletzt endlich, im dritten Monate, kommen beide Lamellen in innige Berührung.
5*
V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
a. Von verschiedenem Ursprunge und Werthe. Die decidua vera ist kein neues Gebilde, sondern die aufgelockerte und me- tamorphosirte Gebärmutterschleimhaut, von welcher dann die re- flexa um das Ei herum abgeschieden wird. Seiler (die Gebär- mutter und das Ei des Menschen S. 30.) spricht diese mit seiner Ansicht von der wahren hinfälligen Haut in völliger Consequenz stehende Vorstellung am deutlichsten aus.
b. Von verschiedenem zeitlichen Ursprunge. Joh. Müller (s. Arch. Hft. 1. S. 6.) stellt die Vorstellung zur Prüfung auf, daſs das Exsudat der decidua vera vor dem Eintritte des Eies in den Uterus entstehe, daſs aber das einmal schon organisirte Exsudat eben bei dem Eintritte des Eies ein neues Exsudat um die Eintrittsstelle von jenem bilde. —
c. Nicht bloſs von verschiedenem zeitlichen, sondern auch von verschiedenem örtlichen Ursprunge. Nach Breschet (l. c. p. 103.) hat das Eichen während seines Durchganges durch die Tube sich mit einer plastischen Masse umgeben und gelangt, wenn es in den Uterus gekommen, in die Substanz der hinfälligen Haut selbst. Durch die Vergröſserung nun entsteht auf diese Weise eine hinfällige Haut an dem Eichen selbst, die decidua reflexa, ohne daſs die decidua vera an irgend einer Stelle umgestülpt oder die innere Schleimhaut des Uterus an irgend einem Ort ent- blöſst worden wäre. Diese Theorie bildet den unmittelbaren Uebergang zu den folgenden Ansichten.
4. Die Theorien der Propulsion und Einsaat. Die decidua reflexa entsteht dadurch, daſs das Eichen einen Theil der deci- dua vera vor sich hertreibt. Sie findet sich auf folgende Weise modificirt.
a. Die Vorstellung von J. Burns. Nach ihm (Hunter ana- tom. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 80. 81.) besteht die deci- dua aus zwei Lamellen. Die äuſsere ist an den Mündungen der Trompeten und dem Gebärmutterhalse offen. Die innere Lamelle ist überall geschlossen, erstreckt sich an den Oeffnungsstellen über die äuſsere Lamelle hinaus und verschlieſst auf diese Weise die Lük- ken der äuſseren Schicht. Das Eichen wird nun durch die innere Lamelle gleichsam aufgehalten, wenn es in den Uterus kommt, treibt diese vor sich her und stellt so die decidua reflexa dar. Zuletzt endlich, im dritten Monate, kommen beide Lamellen in innige Berührung.
5*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0095"n="67"/><fwplace="top"type="header">V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.</fw><lb/><p>a. Von verschiedenem Ursprunge und Werthe. Die <hirendition="#i">decidua<lb/>
vera</hi> ist kein neues Gebilde, sondern die aufgelockerte und me-<lb/>
tamorphosirte Gebärmutterschleimhaut, von welcher dann die <hirendition="#i">re-<lb/>
flexa</hi> um das Ei herum abgeschieden wird. Seiler (die Gebär-<lb/>
mutter und das Ei des Menschen S. 30.) spricht diese mit seiner<lb/>
Ansicht von der wahren hinfälligen Haut in völliger Consequenz<lb/>
stehende Vorstellung am deutlichsten aus.</p><lb/><p>b. Von verschiedenem zeitlichen Ursprunge. Joh. Müller<lb/>
(s. Arch. Hft. 1. S. 6.) stellt die Vorstellung zur Prüfung auf,<lb/>
daſs das Exsudat der <hirendition="#i">decidua vera</hi> vor dem Eintritte des Eies<lb/>
in den Uterus entstehe, daſs aber das einmal schon organisirte<lb/>
Exsudat eben bei dem Eintritte des Eies ein neues Exsudat um<lb/>
die Eintrittsstelle von jenem bilde. —</p><lb/><p>c. Nicht bloſs von verschiedenem zeitlichen, sondern auch<lb/>
von verschiedenem örtlichen Ursprunge. Nach Breschet (l. c. p.<lb/>
103.) hat das Eichen während seines Durchganges durch die Tube<lb/>
sich mit einer plastischen Masse umgeben und gelangt, wenn es<lb/>
in den Uterus gekommen, in die Substanz der hinfälligen Haut<lb/>
selbst. Durch die Vergröſserung nun entsteht auf diese Weise<lb/>
eine hinfällige Haut an dem Eichen selbst, die <hirendition="#i">decidua reflexa</hi>,<lb/>
ohne daſs die <hirendition="#i">decidua vera</hi> an irgend einer Stelle umgestülpt<lb/>
oder die innere Schleimhaut des Uterus an irgend einem Ort ent-<lb/>
blöſst worden wäre. Diese Theorie bildet den unmittelbaren<lb/>
Uebergang zu den folgenden Ansichten.</p><lb/><p>4. Die Theorien der Propulsion und Einsaat. Die <hirendition="#i">decidua<lb/>
reflexa</hi> entsteht dadurch, daſs das Eichen einen Theil der <hirendition="#i">deci-<lb/>
dua vera</hi> vor sich hertreibt. Sie findet sich auf folgende Weise<lb/>
modificirt.</p><lb/><p>a. Die Vorstellung von J. Burns. Nach ihm (Hunter ana-<lb/>
tom. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 80. 81.) besteht die <hirendition="#i">deci-<lb/>
dua</hi> aus zwei Lamellen. Die äuſsere ist an den Mündungen der<lb/>
Trompeten und dem Gebärmutterhalse offen. Die innere Lamelle<lb/>
ist überall geschlossen, erstreckt sich an den Oeffnungsstellen über<lb/>
die äuſsere Lamelle hinaus und verschlieſst auf diese Weise die Lük-<lb/>
ken der äuſseren Schicht. Das Eichen wird nun durch die innere<lb/>
Lamelle gleichsam aufgehalten, wenn es in den Uterus kommt,<lb/>
treibt diese vor sich her und stellt so die <hirendition="#i">decidua reflexa</hi> dar.<lb/>
Zuletzt endlich, im dritten Monate, kommen beide Lamellen in<lb/>
innige Berührung.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">5*</fw><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[67/0095]
V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
a. Von verschiedenem Ursprunge und Werthe. Die decidua
vera ist kein neues Gebilde, sondern die aufgelockerte und me-
tamorphosirte Gebärmutterschleimhaut, von welcher dann die re-
flexa um das Ei herum abgeschieden wird. Seiler (die Gebär-
mutter und das Ei des Menschen S. 30.) spricht diese mit seiner
Ansicht von der wahren hinfälligen Haut in völliger Consequenz
stehende Vorstellung am deutlichsten aus.
b. Von verschiedenem zeitlichen Ursprunge. Joh. Müller
(s. Arch. Hft. 1. S. 6.) stellt die Vorstellung zur Prüfung auf,
daſs das Exsudat der decidua vera vor dem Eintritte des Eies
in den Uterus entstehe, daſs aber das einmal schon organisirte
Exsudat eben bei dem Eintritte des Eies ein neues Exsudat um
die Eintrittsstelle von jenem bilde. —
c. Nicht bloſs von verschiedenem zeitlichen, sondern auch
von verschiedenem örtlichen Ursprunge. Nach Breschet (l. c. p.
103.) hat das Eichen während seines Durchganges durch die Tube
sich mit einer plastischen Masse umgeben und gelangt, wenn es
in den Uterus gekommen, in die Substanz der hinfälligen Haut
selbst. Durch die Vergröſserung nun entsteht auf diese Weise
eine hinfällige Haut an dem Eichen selbst, die decidua reflexa,
ohne daſs die decidua vera an irgend einer Stelle umgestülpt
oder die innere Schleimhaut des Uterus an irgend einem Ort ent-
blöſst worden wäre. Diese Theorie bildet den unmittelbaren
Uebergang zu den folgenden Ansichten.
4. Die Theorien der Propulsion und Einsaat. Die decidua
reflexa entsteht dadurch, daſs das Eichen einen Theil der deci-
dua vera vor sich hertreibt. Sie findet sich auf folgende Weise
modificirt.
a. Die Vorstellung von J. Burns. Nach ihm (Hunter ana-
tom. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 80. 81.) besteht die deci-
dua aus zwei Lamellen. Die äuſsere ist an den Mündungen der
Trompeten und dem Gebärmutterhalse offen. Die innere Lamelle
ist überall geschlossen, erstreckt sich an den Oeffnungsstellen über
die äuſsere Lamelle hinaus und verschlieſst auf diese Weise die Lük-
ken der äuſseren Schicht. Das Eichen wird nun durch die innere
Lamelle gleichsam aufgehalten, wenn es in den Uterus kommt,
treibt diese vor sich her und stellt so die decidua reflexa dar.
Zuletzt endlich, im dritten Monate, kommen beide Lamellen in
innige Berührung.
5*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/95>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.