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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
vensysteme, welches doch selbst erst ein Erzeugniss von ihr ist,
abhängig zu machen, ist eine der vielen Inconsequenzen, in
welche der von vorn herein specialisirende Geist nothwendig
verfällt. Aus der functionellen Uridee der Fruchtanlage als Bil-
dung gehen erst die übrigen Organe hervor, zuerst als reine Ob-
jecte der Vegetation, deren Function selbst als bestimmte Indivi-
dualität um so mehr untergeordnet ist, je jünger die Stufe ihrer
Entwickelung. Sobald die entfernteren Bestandtheile eines Orga-
nes gebildet sind, scheint das Verhältniss sich so weit gesteigert zu
haben, dass die individuelle Function beginnen kann. Dieses se-
hen wir z. B. an den Muskeln, welche bei dem Hühnchen erst
dann wahre Bewegung zeigen, wenn ihre Fasern schon in hohem
Grade der Ausbildung sind, und noch deutlicher an den Drüsen.
Die Secretion der Galle findet sich z. B. erst, wenn die Leber
schon ihr grösstes Volumen erreicht hat, ja an diesem zum Theil
schon wiederum abnimmt. Diese bedeutende Grösse also auch
mit einer individuellen bedeutenden Function der Leber in Ver-
bindung bringen zu wollen, wie Einige z. B. in Bezug auf die
Metamorphose des Blutes gethan haben, ist a priori schon rein
willkührlich, wird aber durch die Erfahrung direct widerlegt.
Denn die angeblich gleichzeitige Metamorphose der Blutkörper-
chen ist, wie oben schon angegeben wurde, durchaus selbststän-
dig und am wenigsten mit der Grösse der Leber zusammenhän-
gend. Ihre Gallenabsonderung, welche dann am stärksten seyn
sollte, fehlt zu der Zeit noch ganz oder zeigt sich nur in höchst
unbedeutenden Spuren. Sie nimmt aber, wie sich jeder leicht
überzeugen kann, mit dem Verlaufe der Entwickelung direct zu.
Dasselbe lässt sich auf ähnliche Weise von allen drüsigen und
drüsigten Organen behaupten.

Wie die morphologischen Verhältnisse eines Organes dadurch
entstehen, dass die individuelle Uridee sich immer mehr speciali-
sirt, bis sie zur speciellsten Individualität wird, so ist es auch
mit den Functionen der Fall. Ihre erste Tendenz ist Bildung
überhaupt. Nachdem diese eingeleitet und in einem gewissen
Grade erreicht worden, beginnt sich jedes Organ, jeder Organtheil
in seiner individuellen Eigenthümlichkeit zu zeigen, seine Secreta
abzusondern und in seinem bestimmten oder subordinirten Ver-
hältnisse zu erscheinen. Die unmittelbare Folge hiervon ist, dass
auch die Functionen der Organe dieselben Reihen durchlaufen
müssen, als die Stoffe und Gestalten dieser selbst.

Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
vensysteme, welches doch selbst erst ein Erzeugniſs von ihr ist,
abhängig zu machen, ist eine der vielen Inconsequenzen, in
welche der von vorn herein specialisirende Geist nothwendig
verfällt. Aus der functionellen Uridee der Fruchtanlage als Bil-
dung gehen erst die übrigen Organe hervor, zuerst als reine Ob-
jecte der Vegetation, deren Function selbst als bestimmte Indivi-
dualität um so mehr untergeordnet ist, je jünger die Stufe ihrer
Entwickelung. Sobald die entfernteren Bestandtheile eines Orga-
nes gebildet sind, scheint das Verhältniſs sich so weit gesteigert zu
haben, daſs die individuelle Function beginnen kann. Dieses se-
hen wir z. B. an den Muskeln, welche bei dem Hühnchen erst
dann wahre Bewegung zeigen, wenn ihre Fasern schon in hohem
Grade der Ausbildung sind, und noch deutlicher an den Drüsen.
Die Secretion der Galle findet sich z. B. erst, wenn die Leber
schon ihr gröſstes Volumen erreicht hat, ja an diesem zum Theil
schon wiederum abnimmt. Diese bedeutende Gröſse also auch
mit einer individuellen bedeutenden Function der Leber in Ver-
bindung bringen zu wollen, wie Einige z. B. in Bezug auf die
Metamorphose des Blutes gethan haben, ist a priori schon rein
willkührlich, wird aber durch die Erfahrung direct widerlegt.
Denn die angeblich gleichzeitige Metamorphose der Blutkörper-
chen ist, wie oben schon angegeben wurde, durchaus selbststän-
dig und am wenigsten mit der Gröſse der Leber zusammenhän-
gend. Ihre Gallenabsonderung, welche dann am stärksten seyn
sollte, fehlt zu der Zeit noch ganz oder zeigt sich nur in höchst
unbedeutenden Spuren. Sie nimmt aber, wie sich jeder leicht
überzeugen kann, mit dem Verlaufe der Entwickelung direct zu.
Dasselbe läſst sich auf ähnliche Weise von allen drüsigen und
drüsigten Organen behaupten.

Wie die morphologischen Verhältnisse eines Organes dadurch
entstehen, daſs die individuelle Uridee sich immer mehr speciali-
sirt, bis sie zur speciellsten Individualität wird, so ist es auch
mit den Functionen der Fall. Ihre erste Tendenz ist Bildung
überhaupt. Nachdem diese eingeleitet und in einem gewissen
Grade erreicht worden, beginnt sich jedes Organ, jeder Organtheil
in seiner individuellen Eigenthümlichkeit zu zeigen, seine Secreta
abzusondern und in seinem bestimmten oder subordinirten Ver-
hältnisse zu erscheinen. Die unmittelbare Folge hiervon ist, daſs
auch die Functionen der Organe dieselben Reihen durchlaufen
müssen, als die Stoffe und Gestalten dieser selbst.

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[652/0680] Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. vensysteme, welches doch selbst erst ein Erzeugniſs von ihr ist, abhängig zu machen, ist eine der vielen Inconsequenzen, in welche der von vorn herein specialisirende Geist nothwendig verfällt. Aus der functionellen Uridee der Fruchtanlage als Bil- dung gehen erst die übrigen Organe hervor, zuerst als reine Ob- jecte der Vegetation, deren Function selbst als bestimmte Indivi- dualität um so mehr untergeordnet ist, je jünger die Stufe ihrer Entwickelung. Sobald die entfernteren Bestandtheile eines Orga- nes gebildet sind, scheint das Verhältniſs sich so weit gesteigert zu haben, daſs die individuelle Function beginnen kann. Dieses se- hen wir z. B. an den Muskeln, welche bei dem Hühnchen erst dann wahre Bewegung zeigen, wenn ihre Fasern schon in hohem Grade der Ausbildung sind, und noch deutlicher an den Drüsen. Die Secretion der Galle findet sich z. B. erst, wenn die Leber schon ihr gröſstes Volumen erreicht hat, ja an diesem zum Theil schon wiederum abnimmt. Diese bedeutende Gröſse also auch mit einer individuellen bedeutenden Function der Leber in Ver- bindung bringen zu wollen, wie Einige z. B. in Bezug auf die Metamorphose des Blutes gethan haben, ist a priori schon rein willkührlich, wird aber durch die Erfahrung direct widerlegt. Denn die angeblich gleichzeitige Metamorphose der Blutkörper- chen ist, wie oben schon angegeben wurde, durchaus selbststän- dig und am wenigsten mit der Gröſse der Leber zusammenhän- gend. Ihre Gallenabsonderung, welche dann am stärksten seyn sollte, fehlt zu der Zeit noch ganz oder zeigt sich nur in höchst unbedeutenden Spuren. Sie nimmt aber, wie sich jeder leicht überzeugen kann, mit dem Verlaufe der Entwickelung direct zu. Dasselbe läſst sich auf ähnliche Weise von allen drüsigen und drüsigten Organen behaupten. Wie die morphologischen Verhältnisse eines Organes dadurch entstehen, daſs die individuelle Uridee sich immer mehr speciali- sirt, bis sie zur speciellsten Individualität wird, so ist es auch mit den Functionen der Fall. Ihre erste Tendenz ist Bildung überhaupt. Nachdem diese eingeleitet und in einem gewissen Grade erreicht worden, beginnt sich jedes Organ, jeder Organtheil in seiner individuellen Eigenthümlichkeit zu zeigen, seine Secreta abzusondern und in seinem bestimmten oder subordinirten Ver- hältnisse zu erscheinen. Die unmittelbare Folge hiervon ist, daſs auch die Functionen der Organe dieselben Reihen durchlaufen müssen, als die Stoffe und Gestalten dieser selbst.

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/680>, abgerufen am 24.11.2024.