nothwendige Folge hiervon ist die, dass auch ihre Gesetze sich mehr oder minder auf die der Genese der Organtheile reduciren lassen. Doch findet sich hier kaum das Princip der Isolirung, es sey denn in den bald zu bezeichnenden Theilen, wo durch blosse Massenveränderung überhaupt das Gewebe organisirt wird.
Der Urstoff besteht aus Körperchen und verbindender Masse. Beide gehen Metamorphosen ein, um sich in bestimmte Gewebe zu verändern, und zwar nach allen möglichen Nüancen.
1. Der Gegensatz von Körnchen und verbindender Masse bleibt wie früher. Jedes von Beiden nimmt nur ein nach dem Cha- rakter des Gewebes verändertes Wesen an. So im Schleimgewebe, in der grauen Substanz des Gehirnes, im Blute, der Lymphe u. dgl.
2. Beide lösen sich zu einem völlig durchsichtigen, im All- gemeinen festen Stoffe auf, in welchem die Körnchen entweder ganz fehlen, wie in der Linsenkapsel, der die Gefässe verbinden- den Membran des Kapselpupillarsackes u. s. w., oder sehr klein und schwer zu bemerken sind, wie in der Membrana humoris vitrei.
3. Der Gegensatz der Körnchenbildung und der der verbin- denden, homogenen Massenbildung durchläuft alle denkbaren Me- tamorphosenreihen.
a. Die ganze neue Masse constituirt sich durch dicht an einander liegende Körnchen, welche nach dem Principe der Isolirung entstan- den sind und durch die Zahlvermehrung endlich zu einem zusammen- hängenden Ganzen werden, wie in der Kugelschicht der Choroidea.
b. Die Körnchen gehen durch sichtbar zu verfolgende Ver- schmelzung in eine Bildung ein, welche im vollendeten Zustande aus der verbindenden Masse selbst wegen ihrer Gleichartigkeit und ihres dann sich findenden Mangels ohne Körnchen zu seyn scheint. Dieses ist, wie schon oben angegeben wurde, unterscheidender Charakter der willkührlichen Muskelfäden von den meisten unwill- kührlichen und anderen ähnlichen Geweben. Nach dem Gesetze der Charakterisirung erhalten nun zuletzt die Muskelfäden ihre zier- lichen mit Querstreifen versehenen Scheiden.
c. Von der verbindenden Masse, welche aber nicht mehr als solche dann existirt, sondern ein drittes aus der Vereinigung der Körnchen und der verbindenden Masse des Urstoffes Hervorgegan- genes ist, entstehen die neuen Gewebe. Die nächste Form ist nun die, wie die verbindende Masse sich zu den Fäden umbildet, während sich zwischen ihnen eine um so grössere Anzahl von
VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
nothwendige Folge hiervon ist die, daſs auch ihre Gesetze sich mehr oder minder auf die der Genese der Organtheile reduciren lassen. Doch findet sich hier kaum das Princip der Isolirung, es sey denn in den bald zu bezeichnenden Theilen, wo durch bloſse Massenveränderung überhaupt das Gewebe organisirt wird.
Der Urstoff besteht aus Körperchen und verbindender Masse. Beide gehen Metamorphosen ein, um sich in bestimmte Gewebe zu verändern, und zwar nach allen möglichen Nüancen.
1. Der Gegensatz von Körnchen und verbindender Masse bleibt wie früher. Jedes von Beiden nimmt nur ein nach dem Cha- rakter des Gewebes verändertes Wesen an. So im Schleimgewebe, in der grauen Substanz des Gehirnes, im Blute, der Lymphe u. dgl.
2. Beide lösen sich zu einem völlig durchsichtigen, im All- gemeinen festen Stoffe auf, in welchem die Körnchen entweder ganz fehlen, wie in der Linsenkapsel, der die Gefäſse verbinden- den Membran des Kapselpupillarsackes u. s. w., oder sehr klein und schwer zu bemerken sind, wie in der Membrana humoris vitrei.
3. Der Gegensatz der Körnchenbildung und der der verbin- denden, homogenen Massenbildung durchläuft alle denkbaren Me- tamorphosenreihen.
a. Die ganze neue Masse constituirt sich durch dicht an einander liegende Körnchen, welche nach dem Principe der Isolirung entstan- den sind und durch die Zahlvermehrung endlich zu einem zusammen- hängenden Ganzen werden, wie in der Kugelschicht der Choroidea.
b. Die Körnchen gehen durch sichtbar zu verfolgende Ver- schmelzung in eine Bildung ein, welche im vollendeten Zustande aus der verbindenden Masse selbst wegen ihrer Gleichartigkeit und ihres dann sich findenden Mangels ohne Körnchen zu seyn scheint. Dieses ist, wie schon oben angegeben wurde, unterscheidender Charakter der willkührlichen Muskelfäden von den meisten unwill- kührlichen und anderen ähnlichen Geweben. Nach dem Gesetze der Charakterisirung erhalten nun zuletzt die Muskelfäden ihre zier- lichen mit Querstreifen versehenen Scheiden.
c. Von der verbindenden Masse, welche aber nicht mehr als solche dann existirt, sondern ein drittes aus der Vereinigung der Körnchen und der verbindenden Masse des Urstoffes Hervorgegan- genes ist, entstehen die neuen Gewebe. Die nächste Form ist nun die, wie die verbindende Masse sich zu den Fäden umbildet, während sich zwischen ihnen eine um so gröſsere Anzahl von
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VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
nothwendige Folge hiervon ist die, daſs auch ihre Gesetze sich
mehr oder minder auf die der Genese der Organtheile reduciren
lassen. Doch findet sich hier kaum das Princip der Isolirung, es
sey denn in den bald zu bezeichnenden Theilen, wo durch bloſse
Massenveränderung überhaupt das Gewebe organisirt wird.
Der Urstoff besteht aus Körperchen und verbindender Masse.
Beide gehen Metamorphosen ein, um sich in bestimmte Gewebe
zu verändern, und zwar nach allen möglichen Nüancen.
1. Der Gegensatz von Körnchen und verbindender Masse
bleibt wie früher. Jedes von Beiden nimmt nur ein nach dem Cha-
rakter des Gewebes verändertes Wesen an. So im Schleimgewebe,
in der grauen Substanz des Gehirnes, im Blute, der Lymphe u. dgl.
2. Beide lösen sich zu einem völlig durchsichtigen, im All-
gemeinen festen Stoffe auf, in welchem die Körnchen entweder
ganz fehlen, wie in der Linsenkapsel, der die Gefäſse verbinden-
den Membran des Kapselpupillarsackes u. s. w., oder sehr klein und
schwer zu bemerken sind, wie in der Membrana humoris vitrei.
3. Der Gegensatz der Körnchenbildung und der der verbin-
denden, homogenen Massenbildung durchläuft alle denkbaren Me-
tamorphosenreihen.
a. Die ganze neue Masse constituirt sich durch dicht an einander
liegende Körnchen, welche nach dem Principe der Isolirung entstan-
den sind und durch die Zahlvermehrung endlich zu einem zusammen-
hängenden Ganzen werden, wie in der Kugelschicht der Choroidea.
b. Die Körnchen gehen durch sichtbar zu verfolgende Ver-
schmelzung in eine Bildung ein, welche im vollendeten Zustande
aus der verbindenden Masse selbst wegen ihrer Gleichartigkeit und
ihres dann sich findenden Mangels ohne Körnchen zu seyn scheint.
Dieses ist, wie schon oben angegeben wurde, unterscheidender
Charakter der willkührlichen Muskelfäden von den meisten unwill-
kührlichen und anderen ähnlichen Geweben. Nach dem Gesetze der
Charakterisirung erhalten nun zuletzt die Muskelfäden ihre zier-
lichen mit Querstreifen versehenen Scheiden.
c. Von der verbindenden Masse, welche aber nicht mehr als
solche dann existirt, sondern ein drittes aus der Vereinigung der
Körnchen und der verbindenden Masse des Urstoffes Hervorgegan-
genes ist, entstehen die neuen Gewebe. Die nächste Form ist
nun die, wie die verbindende Masse sich zu den Fäden umbildet,
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/675>, abgerufen am 24.11.2024.
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