Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. Momenten recht deutlich aus. Wiewohl im Ganzen noch sehrweich und zart, bietet die Rückensaite doch schon dem betrachten- den Auge einen Körper von dichterer Consistenz dar; sie zeigt sich von dichterem, derberem Gefüge, ohne bedeutende Körner- anhäufung im Innern, von einer mehr ins Opalartige gehenden Farbe, mit einem Worte von einem entfernt knorpelartigen Aus- sehen. Bei Vögeln und Säugethieren kann sich Jeder hiervon auf das Leichteste überzeugen. Die Rückenplatten scheinen mit denselben Körnchen versehen, überhaupt von demselben Consistenz- und Dichtigkeitsgrade zu seyn, als der Primitivstreifen war. Ob ihre Körnchen vielleicht etwas mehr zerstreut seyen oder nicht, lässt sich nur schwer mit Gewissheit entscheiden, doch glaube ich aus Erfahrung das Erstere wenigstens mit Wahrscheinlichkeit aufstellen zu können. Mehr, als blosse Vermuthung, lässt sich auch nicht über die zwischen den Leibesplatten enthaltene Flüs- sigkeit geben, da eine genaue Isolirung derselben, so dass sie mikroscopisch untersucht werden könnte, unmöglich ist. Diese drei ihrem Gewebe nach verschiedenen Theile gehen nun ver- schiedene Metamorphosen ein. Die Flüssigkeit zerfällt ganz nach aussen in Hülle, mehr nach innen in Nervensubstanz und mag im Innern vielleicht unverändert bleiben oder sich der Consistenz nach verdünnen. Sie ist also Urstoff des centralen Nervensyste- mes und dessen Hüllen. Um die Rückensaite wird die Masse dichter und bildet mit dieser den Urstoff für die Wirbelsäule im engeren Sinne, d. h. für die über einander liegenden Wirbelkör- per. Die Leibesplatten zerfallen nach innen in eine Schicht von dichterer Consistenz, den Urstoff des oberen und unteren Central- rohres, in eine mittlere Schicht von gelatinöser zäher Consistenz für die motorischen Organe und die ihnen zugehörenden Theile, und endlich in eine äussere Schicht für das äussere Hautsystem. Alle diese drei Schichten gehen aber an ihren Grenzen mehr oder minder in einander über. Die Extremitäten gehören ihrem Ur- stoffe nach zu der mittleren Schicht. -- Anfangs scheinen die Gruben, welche die ersten Rudimente der höheren Sinnesorgane andeuten, mit keiner eigenen Flüssigkeit gefüllt zu seyn. Diese existirt aber unzweifelhaft, sobald z. B. am Auge die hintere Wand der Grube kugelig hervortritt oder am Ohre das Labyrinth als rundliche Blase dargestellt wird, und hängt continuirlich mit der Flüssigkeit des centralen Nervensystemes zusammen. Als 40*
VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. Momenten recht deutlich aus. Wiewohl im Ganzen noch sehrweich und zart, bietet die Rückensaite doch schon dem betrachten- den Auge einen Körper von dichterer Consistenz dar; sie zeigt sich von dichterem, derberem Gefüge, ohne bedeutende Körner- anhäufung im Innern, von einer mehr ins Opalartige gehenden Farbe, mit einem Worte von einem entfernt knorpelartigen Aus- sehen. Bei Vögeln und Säugethieren kann sich Jeder hiervon auf das Leichteste überzeugen. Die Rückenplatten scheinen mit denselben Körnchen versehen, überhaupt von demselben Consistenz- und Dichtigkeitsgrade zu seyn, als der Primitivstreifen war. Ob ihre Körnchen vielleicht etwas mehr zerstreut seyen oder nicht, läſst sich nur schwer mit Gewiſsheit entscheiden, doch glaube ich aus Erfahrung das Erstere wenigstens mit Wahrscheinlichkeit aufstellen zu können. Mehr, als bloſse Vermuthung, läſst sich auch nicht über die zwischen den Leibesplatten enthaltene Flüs- sigkeit geben, da eine genaue Isolirung derselben, so daſs sie mikroscopisch untersucht werden könnte, unmöglich ist. Diese drei ihrem Gewebe nach verschiedenen Theile gehen nun ver- schiedene Metamorphosen ein. Die Flüssigkeit zerfällt ganz nach auſsen in Hülle, mehr nach innen in Nervensubstanz und mag im Innern vielleicht unverändert bleiben oder sich der Consistenz nach verdünnen. Sie ist also Urstoff des centralen Nervensyste- mes und dessen Hüllen. Um die Rückensaite wird die Masse dichter und bildet mit dieser den Urstoff für die Wirbelsäule im engeren Sinne, d. h. für die über einander liegenden Wirbelkör- per. Die Leibesplatten zerfallen nach innen in eine Schicht von dichterer Consistenz, den Urstoff des oberen und unteren Central- rohres, in eine mittlere Schicht von gelatinöser zäher Consistenz für die motorischen Organe und die ihnen zugehörenden Theile, und endlich in eine äuſsere Schicht für das äuſsere Hautsystem. Alle diese drei Schichten gehen aber an ihren Grenzen mehr oder minder in einander über. Die Extremitäten gehören ihrem Ur- stoffe nach zu der mittleren Schicht. — Anfangs scheinen die Gruben, welche die ersten Rudimente der höheren Sinnesorgane andeuten, mit keiner eigenen Flüssigkeit gefüllt zu seyn. Diese existirt aber unzweifelhaft, sobald z. B. am Auge die hintere Wand der Grube kugelig hervortritt oder am Ohre das Labyrinth als rundliche Blase dargestellt wird, und hängt continuirlich mit der Flüssigkeit des centralen Nervensystemes zusammen. Als 40*
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VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
Momenten recht deutlich aus. Wiewohl im Ganzen noch sehr
weich und zart, bietet die Rückensaite doch schon dem betrachten-
den Auge einen Körper von dichterer Consistenz dar; sie zeigt
sich von dichterem, derberem Gefüge, ohne bedeutende Körner-
anhäufung im Innern, von einer mehr ins Opalartige gehenden
Farbe, mit einem Worte von einem entfernt knorpelartigen Aus-
sehen. Bei Vögeln und Säugethieren kann sich Jeder hiervon
auf das Leichteste überzeugen. Die Rückenplatten scheinen mit
denselben Körnchen versehen, überhaupt von demselben Consistenz-
und Dichtigkeitsgrade zu seyn, als der Primitivstreifen war. Ob
ihre Körnchen vielleicht etwas mehr zerstreut seyen oder nicht,
läſst sich nur schwer mit Gewiſsheit entscheiden, doch glaube
ich aus Erfahrung das Erstere wenigstens mit Wahrscheinlichkeit
aufstellen zu können. Mehr, als bloſse Vermuthung, läſst sich
auch nicht über die zwischen den Leibesplatten enthaltene Flüs-
sigkeit geben, da eine genaue Isolirung derselben, so daſs sie
mikroscopisch untersucht werden könnte, unmöglich ist. Diese
drei ihrem Gewebe nach verschiedenen Theile gehen nun ver-
schiedene Metamorphosen ein. Die Flüssigkeit zerfällt ganz nach
auſsen in Hülle, mehr nach innen in Nervensubstanz und mag
im Innern vielleicht unverändert bleiben oder sich der Consistenz
nach verdünnen. Sie ist also Urstoff des centralen Nervensyste-
mes und dessen Hüllen. Um die Rückensaite wird die Masse
dichter und bildet mit dieser den Urstoff für die Wirbelsäule im
engeren Sinne, d. h. für die über einander liegenden Wirbelkör-
per. Die Leibesplatten zerfallen nach innen in eine Schicht von
dichterer Consistenz, den Urstoff des oberen und unteren Central-
rohres, in eine mittlere Schicht von gelatinöser zäher Consistenz
für die motorischen Organe und die ihnen zugehörenden Theile,
und endlich in eine äuſsere Schicht für das äuſsere Hautsystem.
Alle diese drei Schichten gehen aber an ihren Grenzen mehr oder
minder in einander über. Die Extremitäten gehören ihrem Ur-
stoffe nach zu der mittleren Schicht. — Anfangs scheinen die
Gruben, welche die ersten Rudimente der höheren Sinnesorgane
andeuten, mit keiner eigenen Flüssigkeit gefüllt zu seyn. Diese
existirt aber unzweifelhaft, sobald z. B. am Auge die hintere
Wand der Grube kugelig hervortritt oder am Ohre das Labyrinth
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