Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
an die untere Hälfte desselben. Die Extremitäten stehen zwi-
schen beiden, einerseits als Bewegungs-, anderseits als Sinneswerk-
zeuge. Ja dieser Unterschied spricht sich überall im Erwachsenen
in der Differenz zwischen hinteren (oberen) und vorderen (unte-
ren) Nervenwurzel als Leiter der Empfindung und Bewegung
deutlich genug aus.

Die nun am Nächsten liegende Foderung wäre die, Vergleiche
unter den einzelnen Klassen der Wirbelthiere sowohl, als der
Wirbellosen anzustellen. Allein hierzu sind, wie man wohl sa-
gen kann, bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft kaum einige
Vorarbeiten geliefert. Eine Darstellung der Unterschiede selbst
müsste noch zu viele Hypothesen enthalten, da wir in manchen
Klassen die Entwickelungsgeschichte eines einzigen Thieres nur
und selbst diese nicht vollständig besitzen. Wir gehen daher zu
den Theilorganismen des individuellen Thieres, seinen Organen,
unmittelbar über.

VII.
Genese der Organe.

Das Folgende ist das Resultat der im zweiten Abschnitte
vorgetragenen Beobachtungen und mit möglichster Genauigkeit
und Treue aus diesen gefolgert. Wir fassen das Wichtigste in
eine Anzahl von Hauptpunkten zusammen, müssen aber bei die-
ser sowohl, als der folgenden Rubrik das in dem zweiten Ab-
schnitte Abgehandelte als bekannt voraussetzen, da Alles sonst
nicht begriffen, Vieles sogar weder verstanden, noch richtig auf-
gefasst werden kann. Es ist daher Jedem zu rathen, zuvor die
Lehre von der Entwickelung des Embryo genau durchzugehen,
ehe er an die Lesung dieser Theile der Schrift selbst schreitet.

Wir müssen hier drei einander untergeordnete Verhältnisse
unterscheiden: 1. die Organcomplexe, 2. die Organsysteme, 3.
die Organe selbst.

Es giebt in jedem Thiere zwei Hauptcomplexe der in ihm
vorkommenden Organsysteme, von denen der eine seiner Bedeu-
tung nach mit dem pflanzlichen Organismus übereinkommt, der
andere dagegen blosses Eigenthum und charakteristisches Unter-
scheidungszeichen des Thieres ist. Den ersteren pflegt man mit
dem Namen der vegetativen, den anderen mit dem der animali-
schen Organe zu belegen. Organsysteme dagegen sind die den
Complexen untergeordneten individuellen Systeme des Körpers,

Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
an die untere Hälfte desselben. Die Extremitäten stehen zwi-
schen beiden, einerseits als Bewegungs-, anderseits als Sinneswerk-
zeuge. Ja dieser Unterschied spricht sich überall im Erwachsenen
in der Differenz zwischen hinteren (oberen) und vorderen (unte-
ren) Nervenwurzel als Leiter der Empfindung und Bewegung
deutlich genug aus.

Die nun am Nächsten liegende Foderung wäre die, Vergleiche
unter den einzelnen Klassen der Wirbelthiere sowohl, als der
Wirbellosen anzustellen. Allein hierzu sind, wie man wohl sa-
gen kann, bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft kaum einige
Vorarbeiten geliefert. Eine Darstellung der Unterschiede selbst
müſste noch zu viele Hypothesen enthalten, da wir in manchen
Klassen die Entwickelungsgeschichte eines einzigen Thieres nur
und selbst diese nicht vollständig besitzen. Wir gehen daher zu
den Theilorganismen des individuellen Thieres, seinen Organen,
unmittelbar über.

VII.
Genese der Organe.

Das Folgende ist das Resultat der im zweiten Abschnitte
vorgetragenen Beobachtungen und mit möglichster Genauigkeit
und Treue aus diesen gefolgert. Wir fassen das Wichtigste in
eine Anzahl von Hauptpunkten zusammen, müssen aber bei die-
ser sowohl, als der folgenden Rubrik das in dem zweiten Ab-
schnitte Abgehandelte als bekannt voraussetzen, da Alles sonst
nicht begriffen, Vieles sogar weder verstanden, noch richtig auf-
gefaſst werden kann. Es ist daher Jedem zu rathen, zuvor die
Lehre von der Entwickelung des Embryo genau durchzugehen,
ehe er an die Lesung dieser Theile der Schrift selbst schreitet.

Wir müssen hier drei einander untergeordnete Verhältnisse
unterscheiden: 1. die Organcomplexe, 2. die Organsysteme, 3.
die Organe selbst.

Es giebt in jedem Thiere zwei Hauptcomplexe der in ihm
vorkommenden Organsysteme, von denen der eine seiner Bedeu-
tung nach mit dem pflanzlichen Organismus übereinkommt, der
andere dagegen bloſses Eigenthum und charakteristisches Unter-
scheidungszeichen des Thieres ist. Den ersteren pflegt man mit
dem Namen der vegetativen, den anderen mit dem der animali-
schen Organe zu belegen. Organsysteme dagegen sind die den
Complexen untergeordneten individuellen Systeme des Körpers,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0640" n="612"/><fw place="top" type="header">Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.</fw><lb/>
an die untere Hälfte desselben. Die Extremitäten stehen zwi-<lb/>
schen beiden, einerseits als Bewegungs-, anderseits als Sinneswerk-<lb/>
zeuge. Ja dieser Unterschied spricht sich überall im Erwachsenen<lb/>
in der Differenz zwischen hinteren (oberen) und vorderen (unte-<lb/>
ren) Nervenwurzel als Leiter der Empfindung und Bewegung<lb/>
deutlich genug aus.</p><lb/>
          <p>Die nun am Nächsten liegende Foderung wäre die, Vergleiche<lb/>
unter den einzelnen Klassen der Wirbelthiere sowohl, als der<lb/>
Wirbellosen anzustellen. Allein hierzu sind, wie man wohl sa-<lb/>
gen kann, bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft kaum einige<lb/>
Vorarbeiten geliefert. Eine Darstellung der Unterschiede selbst<lb/>&#x017F;ste noch zu viele Hypothesen enthalten, da wir in manchen<lb/>
Klassen die Entwickelungsgeschichte eines einzigen Thieres nur<lb/>
und selbst diese nicht vollständig besitzen. Wir gehen daher zu<lb/>
den Theilorganismen des individuellen Thieres, seinen Organen,<lb/>
unmittelbar über.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>VII.<lb/>
Genese der Organe.</head><lb/>
          <p>Das Folgende ist das Resultat der im zweiten Abschnitte<lb/>
vorgetragenen Beobachtungen und mit möglichster Genauigkeit<lb/>
und Treue aus diesen gefolgert. Wir fassen das Wichtigste in<lb/>
eine Anzahl von Hauptpunkten zusammen, müssen aber bei die-<lb/>
ser sowohl, als der folgenden Rubrik das in dem zweiten Ab-<lb/>
schnitte Abgehandelte als bekannt voraussetzen, da Alles sonst<lb/>
nicht begriffen, Vieles sogar weder verstanden, noch richtig auf-<lb/>
gefa&#x017F;st werden kann. Es ist daher Jedem zu rathen, zuvor die<lb/>
Lehre von der Entwickelung des Embryo genau durchzugehen,<lb/>
ehe er an die Lesung dieser Theile der Schrift selbst schreitet.</p><lb/>
          <p>Wir müssen hier drei einander untergeordnete Verhältnisse<lb/>
unterscheiden: 1. die Organcomplexe, 2. die Organsysteme, 3.<lb/>
die Organe selbst.</p><lb/>
          <p>Es giebt in jedem Thiere zwei Hauptcomplexe der in ihm<lb/>
vorkommenden Organsysteme, von denen der eine seiner Bedeu-<lb/>
tung nach mit dem pflanzlichen Organismus übereinkommt, der<lb/>
andere dagegen blo&#x017F;ses Eigenthum und charakteristisches Unter-<lb/>
scheidungszeichen des Thieres ist. Den ersteren pflegt man mit<lb/>
dem Namen der vegetativen, den anderen mit dem der animali-<lb/>
schen Organe zu belegen. Organsysteme dagegen sind die den<lb/>
Complexen untergeordneten individuellen Systeme des Körpers,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[612/0640] Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. an die untere Hälfte desselben. Die Extremitäten stehen zwi- schen beiden, einerseits als Bewegungs-, anderseits als Sinneswerk- zeuge. Ja dieser Unterschied spricht sich überall im Erwachsenen in der Differenz zwischen hinteren (oberen) und vorderen (unte- ren) Nervenwurzel als Leiter der Empfindung und Bewegung deutlich genug aus. Die nun am Nächsten liegende Foderung wäre die, Vergleiche unter den einzelnen Klassen der Wirbelthiere sowohl, als der Wirbellosen anzustellen. Allein hierzu sind, wie man wohl sa- gen kann, bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft kaum einige Vorarbeiten geliefert. Eine Darstellung der Unterschiede selbst müſste noch zu viele Hypothesen enthalten, da wir in manchen Klassen die Entwickelungsgeschichte eines einzigen Thieres nur und selbst diese nicht vollständig besitzen. Wir gehen daher zu den Theilorganismen des individuellen Thieres, seinen Organen, unmittelbar über. VII. Genese der Organe. Das Folgende ist das Resultat der im zweiten Abschnitte vorgetragenen Beobachtungen und mit möglichster Genauigkeit und Treue aus diesen gefolgert. Wir fassen das Wichtigste in eine Anzahl von Hauptpunkten zusammen, müssen aber bei die- ser sowohl, als der folgenden Rubrik das in dem zweiten Ab- schnitte Abgehandelte als bekannt voraussetzen, da Alles sonst nicht begriffen, Vieles sogar weder verstanden, noch richtig auf- gefaſst werden kann. Es ist daher Jedem zu rathen, zuvor die Lehre von der Entwickelung des Embryo genau durchzugehen, ehe er an die Lesung dieser Theile der Schrift selbst schreitet. Wir müssen hier drei einander untergeordnete Verhältnisse unterscheiden: 1. die Organcomplexe, 2. die Organsysteme, 3. die Organe selbst. Es giebt in jedem Thiere zwei Hauptcomplexe der in ihm vorkommenden Organsysteme, von denen der eine seiner Bedeu- tung nach mit dem pflanzlichen Organismus übereinkommt, der andere dagegen bloſses Eigenthum und charakteristisches Unter- scheidungszeichen des Thieres ist. Den ersteren pflegt man mit dem Namen der vegetativen, den anderen mit dem der animali- schen Organe zu belegen. Organsysteme dagegen sind die den Complexen untergeordneten individuellen Systeme des Körpers,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/640
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/640>, abgerufen am 22.12.2024.