Dotter in innige und unmittelbare Verbindung. Bei den Wirbel- thieren schnürt sich der centrale Theil desselben, der Embryonal- theil, mehr oder minder von dem peripherischen Theile, dem Dot- tertheile, ab und begrenzt sich von ihm, wenn auch der Dotter selbst innerhalb der Bauchplatten, d. h. des serösen Antheiles, des unteren Centralrohres aufgenommen wird. Bei den Wirbel- losen fehlt diese bestimmte Begrenzung, wie überhaupt die stren- gere und durchgeführtere Scheidung von centralem und periphe- rischem Theile der Keimhaut. Der Dotter wird so bei ihnen im Laufe der Entwickelung zu einem wahren Körpertheile des Em- bryo, bei den Wirbelthieren dagegen in den Embryonalkörper mehr als ein fremder von einer eigenen Hülle umgebener Eitheil aufgenommen. Bei den Säugethieren bleibt er sogar immer von dem Embryonalkörper geschieden.
15. Die Verbindung des Dotters mit dem Darmrohre ist in der ganzen Reihe der bis jetzt untersuchten Wirbelthiere eine Stelle der dünnen Gedärme, bei Vögeln, Säugethieren und dem Menschen die frühere Umbiegungsstelle derselben. Anders ist die- ses jedoch bei den Wirbellosen. Es fehlt entweder jene innige an einer bestimmten Stelle concentrirte Verbindung ganz oder sie findet sich an anderen Orten, als an einem bestimmten Punkte des Mitteldarmes. Die interessanteste der Art, welche schon Aristoteles und Cavolini gekannt, v. Bär und Burdach aber be- zweifelt haben, hat Carus in neuester Zeit durch treffliche Zeich- nungen erläutert, wiewohl Cuviers Beobachtungen noch manchen Zweifel hierüber rege werden lassen. Es ist dieses in der Klasse der Cephalopoden beiden Sepien, wo die Einmündungsstelle der Mund selbst ist oder vielmehr eine ihm nahe anliegende Stelle. Carus sagt bei dieser Gelegenheit: "Wenn ich übrigens früher an meh- reren Orten die Mollusken als die Bauchthiere bezeichnet habe, so frage ich, was kann diese Bedeutung der Klassen vollkom- mener rechtfertigen, als dass selbst in der höchsten Form der- selben, den Cephalopoden, der Kopf insofern sich doch nicht über die Bedeutung des Bauches erhob, als er eben so dem übri- gens hier zuerst von dem Embryo sich bestimmter absondernden Dotter den Eingang in den Nahrungskanal verstattet, wie dies in den Thieren, welche ich Kopfthiere nenne, d. h. in Fischen, Lur- chen, Vögeln und Säugethieren, durch die eigentliche Bauchge- gend geschieht."
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VI. Wirbellose und Wirbelthiere.
Dotter in innige und unmittelbare Verbindung. Bei den Wirbel- thieren schnürt sich der centrale Theil desselben, der Embryonal- theil, mehr oder minder von dem peripherischen Theile, dem Dot- tertheile, ab und begrenzt sich von ihm, wenn auch der Dotter selbst innerhalb der Bauchplatten, d. h. des serösen Antheiles, des unteren Centralrohres aufgenommen wird. Bei den Wirbel- losen fehlt diese bestimmte Begrenzung, wie überhaupt die stren- gere und durchgeführtere Scheidung von centralem und periphe- rischem Theile der Keimhaut. Der Dotter wird so bei ihnen im Laufe der Entwickelung zu einem wahren Körpertheile des Em- bryo, bei den Wirbelthieren dagegen in den Embryonalkörper mehr als ein fremder von einer eigenen Hülle umgebener Eitheil aufgenommen. Bei den Säugethieren bleibt er sogar immer von dem Embryonalkörper geschieden.
15. Die Verbindung des Dotters mit dem Darmrohre ist in der ganzen Reihe der bis jetzt untersuchten Wirbelthiere eine Stelle der dünnen Gedärme, bei Vögeln, Säugethieren und dem Menschen die frühere Umbiegungsstelle derselben. Anders ist die- ses jedoch bei den Wirbellosen. Es fehlt entweder jene innige an einer bestimmten Stelle concentrirte Verbindung ganz oder sie findet sich an anderen Orten, als an einem bestimmten Punkte des Mitteldarmes. Die interessanteste der Art, welche schon Aristoteles und Cavolini gekannt, v. Bär und Burdach aber be- zweifelt haben, hat Carus in neuester Zeit durch treffliche Zeich- nungen erläutert, wiewohl Cuviers Beobachtungen noch manchen Zweifel hierüber rege werden lassen. Es ist dieses in der Klasse der Cephalopoden beiden Sepien, wo die Einmündungsstelle der Mund selbst ist oder vielmehr eine ihm nahe anliegende Stelle. Carus sagt bei dieser Gelegenheit: „Wenn ich übrigens früher an meh- reren Orten die Mollusken als die Bauchthiere bezeichnet habe, so frage ich, was kann diese Bedeutung der Klassen vollkom- mener rechtfertigen, als daſs selbst in der höchsten Form der- selben, den Cephalopoden, der Kopf insofern sich doch nicht über die Bedeutung des Bauches erhob, als er eben so dem übri- gens hier zuerst von dem Embryo sich bestimmter absondernden Dotter den Eingang in den Nahrungskanal verstattet, wie dies in den Thieren, welche ich Kopfthiere nenne, d. h. in Fischen, Lur- chen, Vögeln und Säugethieren, durch die eigentliche Bauchge- gend geschieht.“
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VI. Wirbellose und Wirbelthiere.
Dotter in innige und unmittelbare Verbindung. Bei den Wirbel-
thieren schnürt sich der centrale Theil desselben, der Embryonal-
theil, mehr oder minder von dem peripherischen Theile, dem Dot-
tertheile, ab und begrenzt sich von ihm, wenn auch der Dotter
selbst innerhalb der Bauchplatten, d. h. des serösen Antheiles,
des unteren Centralrohres aufgenommen wird. Bei den Wirbel-
losen fehlt diese bestimmte Begrenzung, wie überhaupt die stren-
gere und durchgeführtere Scheidung von centralem und periphe-
rischem Theile der Keimhaut. Der Dotter wird so bei ihnen im
Laufe der Entwickelung zu einem wahren Körpertheile des Em-
bryo, bei den Wirbelthieren dagegen in den Embryonalkörper
mehr als ein fremder von einer eigenen Hülle umgebener Eitheil
aufgenommen. Bei den Säugethieren bleibt er sogar immer von
dem Embryonalkörper geschieden.
15. Die Verbindung des Dotters mit dem Darmrohre ist in
der ganzen Reihe der bis jetzt untersuchten Wirbelthiere eine
Stelle der dünnen Gedärme, bei Vögeln, Säugethieren und dem
Menschen die frühere Umbiegungsstelle derselben. Anders ist die-
ses jedoch bei den Wirbellosen. Es fehlt entweder jene innige
an einer bestimmten Stelle concentrirte Verbindung ganz oder sie
findet sich an anderen Orten, als an einem bestimmten Punkte
des Mitteldarmes. Die interessanteste der Art, welche schon
Aristoteles und Cavolini gekannt, v. Bär und Burdach aber be-
zweifelt haben, hat Carus in neuester Zeit durch treffliche Zeich-
nungen erläutert, wiewohl Cuviers Beobachtungen noch manchen
Zweifel hierüber rege werden lassen. Es ist dieses in der Klasse der
Cephalopoden beiden Sepien, wo die Einmündungsstelle der Mund
selbst ist oder vielmehr eine ihm nahe anliegende Stelle. Carus
sagt bei dieser Gelegenheit: „Wenn ich übrigens früher an meh-
reren Orten die Mollusken als die Bauchthiere bezeichnet habe,
so frage ich, was kann diese Bedeutung der Klassen vollkom-
mener rechtfertigen, als daſs selbst in der höchsten Form der-
selben, den Cephalopoden, der Kopf insofern sich doch nicht
über die Bedeutung des Bauches erhob, als er eben so dem übri-
gens hier zuerst von dem Embryo sich bestimmter absondernden
Dotter den Eingang in den Nahrungskanal verstattet, wie dies in
den Thieren, welche ich Kopfthiere nenne, d. h. in Fischen, Lur-
chen, Vögeln und Säugethieren, durch die eigentliche Bauchge-
gend geschieht.“
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/637>, abgerufen am 23.11.2024.
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