Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
bild zwar in der Natur existirt, zu dem sich aber unsere Vor- stellung eben so verhält, wie die Skizze zu dem ausgeführten Gemählde. Auch hier also kehrt nur in anderer Form der idea- listische und realistische Gegensatz vollkommen wieder.
VI. Specielle Darstellung der Gesetze der individuellen Entwicke- lung. -- Wirbellose und Wirbelthiere.
Uridee und Individualität verhalten sich wie Abstraktes zu Concretem, wie Allgemeines zu Besonderem, wie Einfaches zu Zusammengesetztem, wie das höhere Ganze zu den umfassten Theilen. Beide sind aber nothwendig in und mit einander. Die Uridee allein hätte ohne Individualität keinen Inhalt, wäre leer und unbestimmt. Eine Individualität ohne Uridee dagegen wäre etwas Isolirtes, für sich Bestehendes, mit keinem Anderen Zusammenhängendes und so auch ohne Bestimmtheit, ohne Cha- rakter. Die specielle, reel existirende Individualität muss beide nothwendig in sich vereinigt und verschmolzen enthalten. Es frägt sich nun aber, welches ist der Gang dieser Verschmelzung in dem Verlaufe der individuellen Entwickelung?
Der Keim hat einerseits die Bestimmung in sich, ein Thier von einer gewissen Art aus sich zu entwickeln, anderseits als relative Individualität, seinen eigenen, gesonderten, individuellen Charakter zu constituiren. Insofern also in ersterer Beziehung alle reale Existenz des auszubildenden Thieres noch durchaus ne- girt ist, keine speciellen Individualisationscharaktere sich in ihm finden, ist er das abstrakt Allgemeinste. Als individueller Keim dagegen ist er ganz und gar concret individuell und besteht so als relatives Ganze aus gewissen subordinirten Organtheilen, den Hüllen (Chorion, Eihülle), der Fruchtanlage (Keimanlage und nach geschehener Befruchtung Keimhaut) und den Nahrungsstoffen (Ei- weiss und dem in der Dotterhaut eingeschlossenen Dotter). Von diesen gewinnt durch die Entwickelung zuerst die Keimhaut überhaupt und dann der centrale Theil derselben insbesondere eine immer grössere relative Individualität. Denn das Leben des Embryo ruhet auf der Tödtung des selbstständigen Lebens des Eies. In jenem
Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
bild zwar in der Natur existirt, zu dem sich aber unsere Vor- stellung eben so verhält, wie die Skizze zu dem ausgeführten Gemählde. Auch hier also kehrt nur in anderer Form der idea- listische und realistische Gegensatz vollkommen wieder.
VI. Specielle Darstellung der Gesetze der individuellen Entwicke- lung. — Wirbellose und Wirbelthiere.
Uridee und Individualität verhalten sich wie Abstraktes zu Concretem, wie Allgemeines zu Besonderem, wie Einfaches zu Zusammengesetztem, wie das höhere Ganze zu den umfaſsten Theilen. Beide sind aber nothwendig in und mit einander. Die Uridee allein hätte ohne Individualität keinen Inhalt, wäre leer und unbestimmt. Eine Individualität ohne Uridee dagegen wäre etwas Isolirtes, für sich Bestehendes, mit keinem Anderen Zusammenhängendes und so auch ohne Bestimmtheit, ohne Cha- rakter. Die specielle, reel existirende Individualität muſs beide nothwendig in sich vereinigt und verschmolzen enthalten. Es frägt sich nun aber, welches ist der Gang dieser Verschmelzung in dem Verlaufe der individuellen Entwickelung?
Der Keim hat einerseits die Bestimmung in sich, ein Thier von einer gewissen Art aus sich zu entwickeln, anderseits als relative Individualität, seinen eigenen, gesonderten, individuellen Charakter zu constituiren. Insofern also in ersterer Beziehung alle reale Existenz des auszubildenden Thieres noch durchaus ne- girt ist, keine speciellen Individualisationscharaktere sich in ihm finden, ist er das abstrakt Allgemeinste. Als individueller Keim dagegen ist er ganz und gar concret individuell und besteht so als relatives Ganze aus gewissen subordinirten Organtheilen, den Hüllen (Chorion, Eihülle), der Fruchtanlage (Keimanlage und nach geschehener Befruchtung Keimhaut) und den Nahrungsstoffen (Ei- weiſs und dem in der Dotterhaut eingeschlossenen Dotter). Von diesen gewinnt durch die Entwickelung zuerst die Keimhaut überhaupt und dann der centrale Theil derselben insbesondere eine immer gröſsere relative Individualität. Denn das Leben des Embryo ruhet auf der Tödtung des selbstständigen Lebens des Eies. In jenem
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Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
bild zwar in der Natur existirt, zu dem sich aber unsere Vor-
stellung eben so verhält, wie die Skizze zu dem ausgeführten
Gemählde. Auch hier also kehrt nur in anderer Form der idea-
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Specielle Darstellung der Gesetze der individuellen Entwicke-
lung. — Wirbellose und Wirbelthiere.
Uridee und Individualität verhalten sich wie Abstraktes zu
Concretem, wie Allgemeines zu Besonderem, wie Einfaches zu
Zusammengesetztem, wie das höhere Ganze zu den umfaſsten
Theilen. Beide sind aber nothwendig in und mit einander. Die
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leer und unbestimmt. Eine Individualität ohne Uridee dagegen
wäre etwas Isolirtes, für sich Bestehendes, mit keinem Anderen
Zusammenhängendes und so auch ohne Bestimmtheit, ohne Cha-
rakter. Die specielle, reel existirende Individualität muſs beide
nothwendig in sich vereinigt und verschmolzen enthalten. Es
frägt sich nun aber, welches ist der Gang dieser Verschmelzung
in dem Verlaufe der individuellen Entwickelung?
Der Keim hat einerseits die Bestimmung in sich, ein Thier
von einer gewissen Art aus sich zu entwickeln, anderseits als
relative Individualität, seinen eigenen, gesonderten, individuellen
Charakter zu constituiren. Insofern also in ersterer Beziehung
alle reale Existenz des auszubildenden Thieres noch durchaus ne-
girt ist, keine speciellen Individualisationscharaktere sich in ihm
finden, ist er das abstrakt Allgemeinste. Als individueller Keim
dagegen ist er ganz und gar concret individuell und besteht so
als relatives Ganze aus gewissen subordinirten Organtheilen, den
Hüllen (Chorion, Eihülle), der Fruchtanlage (Keimanlage und nach
geschehener Befruchtung Keimhaut) und den Nahrungsstoffen (Ei-
weiſs und dem in der Dotterhaut eingeschlossenen Dotter). Von
diesen gewinnt durch die Entwickelung zuerst die Keimhaut
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/626>, abgerufen am 23.11.2024.
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