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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
lungsgeschichte des Hühnchens zeigt, die Flüssigkeit desselben.
Wenn nun diese Fötalhaut der Individualität des Eies und der
Keimhaut ursprünglich angehört, die doch in ihrem peripherischen
sowohl, als in ihrem centralen Theile, dem Embryo, ein Eitheil
ist, so ist diese Flüssigkeit ebenfalls durch das Wachsthum der
sie umschliessenden Haut bedingt und mit ihr coexistirend. Ihr
Erscheinen ist eben so gut ein Evolutionsproduct des Eies, als
das des Amnion selbst und es folgt aus keiner der bekannten
Thatsachen, dass nur der centrale Theil der Keimhaut, der Em-
bryo, die ihn umgebende Flüssigkeit aussondere. Diejenigen,
welche das Letztere behaupten, haben auch die Idee des indivi-
duellen, parasitischen Lebens des Eies nicht gehörig erfasst und
den Embryo als das einzige Individuum der Entwickelung ange-
sehen, weil er relativ letztes Ziel derselben wird. Daher entstan-
den auch die verschiedenen eben so sonderbaren, als falschen An-
sichten, dass die Amnionsflüssigkeit durch die Haut als Schweiss,
durch den After u. dgl. ausgesondert werde. Alle diese Angaben
fallen schon von selbst in ihr Nichts zusammen. (Zusammenstel-
lungen derselben finden sich bei Lobstein von der Ernährung des
Fötus übers. von Kestner. 1802. 8., G. Levestamm de liquore
amnii foetus humani praecipue de ejusdem usu. Kiliae
. 1823.
8. Ricklefs de liquore amnii Wirceburgi. 1826. 8. u. A.)
Wir glauben vielmehr die Genese dieser Flüssigkeit auf folgende
Weise auffassen zu müssen. Das Ei als relative Individualität
nimmt selbstständig Nahrungsstoffe aus dem ihn umgebenden Kör-
per, aus dem mütterlichen Organismus auf. Diese werden aber
nicht passiv angehäuft, sondern zur Nahrung der Eitheile über-
haupt und vorzüglich des parasitischen Organismus, des Haupt-
theiles des Eies verwandt. Dieser ist aber im allgemeinsten
Sinne die Keimhaut. Wenn nun der centrale Theil derselben,
der Embryo, die ihm passenden und sein Wachsthum und seine
Ausbildung begründenden Bestandtheile sich angeeignet und mit
ihm die übrigen Eitheile sich vergrössert haben, so werden die
als Excreta übrig bleibenden Stoffe in den Raum zwischen ihm und
dem umschliessenden Theile der Eihaut ausgeschieden. So ist der
liquor amnii nicht das Excretionsproduct dieses oder jenen Thei-
les der Frucht, sondern das als minder brauchbare Abgeschiedene,
welches freilich noch einen gewissen Stoffwechsel eingeht, nach-
dem es schon ausgeschieden worden, alsdann aber mehr als Ne-

Von dem Embryo.
lungsgeschichte des Hühnchens zeigt, die Flüssigkeit desselben.
Wenn nun diese Fötalhaut der Individualität des Eies und der
Keimhaut ursprünglich angehört, die doch in ihrem peripherischen
sowohl, als in ihrem centralen Theile, dem Embryo, ein Eitheil
ist, so ist diese Flüssigkeit ebenfalls durch das Wachsthum der
sie umschlieſsenden Haut bedingt und mit ihr coexistirend. Ihr
Erscheinen ist eben so gut ein Evolutionsproduct des Eies, als
das des Amnion selbst und es folgt aus keiner der bekannten
Thatsachen, daſs nur der centrale Theil der Keimhaut, der Em-
bryo, die ihn umgebende Flüssigkeit aussondere. Diejenigen,
welche das Letztere behaupten, haben auch die Idee des indivi-
duellen, parasitischen Lebens des Eies nicht gehörig erfaſst und
den Embryo als das einzige Individuum der Entwickelung ange-
sehen, weil er relativ letztes Ziel derselben wird. Daher entstan-
den auch die verschiedenen eben so sonderbaren, als falschen An-
sichten, daſs die Amnionsflüssigkeit durch die Haut als Schweiſs,
durch den After u. dgl. ausgesondert werde. Alle diese Angaben
fallen schon von selbst in ihr Nichts zusammen. (Zusammenstel-
lungen derselben finden sich bei Lobstein von der Ernährung des
Fötus übers. von Kestner. 1802. 8., G. Levestamm de liquore
amnii foetus humani praecipue de ejusdem usu. Kiliae
. 1823.
8. Ricklefs de liquore amnii Wirceburgi. 1826. 8. u. A.)
Wir glauben vielmehr die Genese dieser Flüssigkeit auf folgende
Weise auffassen zu müssen. Das Ei als relative Individualität
nimmt selbstständig Nahrungsstoffe aus dem ihn umgebenden Kör-
per, aus dem mütterlichen Organismus auf. Diese werden aber
nicht passiv angehäuft, sondern zur Nahrung der Eitheile über-
haupt und vorzüglich des parasitischen Organismus, des Haupt-
theiles des Eies verwandt. Dieser ist aber im allgemeinsten
Sinne die Keimhaut. Wenn nun der centrale Theil derselben,
der Embryo, die ihm passenden und sein Wachsthum und seine
Ausbildung begründenden Bestandtheile sich angeeignet und mit
ihm die übrigen Eitheile sich vergröſsert haben, so werden die
als Excreta übrig bleibenden Stoffe in den Raum zwischen ihm und
dem umschlieſsenden Theile der Eihaut ausgeschieden. So ist der
liquor amnii nicht das Excretionsproduct dieses oder jenen Thei-
les der Frucht, sondern das als minder brauchbare Abgeschiedene,
welches freilich noch einen gewissen Stoffwechsel eingeht, nach-
dem es schon ausgeschieden worden, alsdann aber mehr als Ne-

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[558/0586] Von dem Embryo. lungsgeschichte des Hühnchens zeigt, die Flüssigkeit desselben. Wenn nun diese Fötalhaut der Individualität des Eies und der Keimhaut ursprünglich angehört, die doch in ihrem peripherischen sowohl, als in ihrem centralen Theile, dem Embryo, ein Eitheil ist, so ist diese Flüssigkeit ebenfalls durch das Wachsthum der sie umschlieſsenden Haut bedingt und mit ihr coexistirend. Ihr Erscheinen ist eben so gut ein Evolutionsproduct des Eies, als das des Amnion selbst und es folgt aus keiner der bekannten Thatsachen, daſs nur der centrale Theil der Keimhaut, der Em- bryo, die ihn umgebende Flüssigkeit aussondere. Diejenigen, welche das Letztere behaupten, haben auch die Idee des indivi- duellen, parasitischen Lebens des Eies nicht gehörig erfaſst und den Embryo als das einzige Individuum der Entwickelung ange- sehen, weil er relativ letztes Ziel derselben wird. Daher entstan- den auch die verschiedenen eben so sonderbaren, als falschen An- sichten, daſs die Amnionsflüssigkeit durch die Haut als Schweiſs, durch den After u. dgl. ausgesondert werde. Alle diese Angaben fallen schon von selbst in ihr Nichts zusammen. (Zusammenstel- lungen derselben finden sich bei Lobstein von der Ernährung des Fötus übers. von Kestner. 1802. 8., G. Levestamm de liquore amnii foetus humani praecipue de ejusdem usu. Kiliae. 1823. 8. Ricklefs de liquore amnii Wirceburgi. 1826. 8. u. A.) Wir glauben vielmehr die Genese dieser Flüssigkeit auf folgende Weise auffassen zu müssen. Das Ei als relative Individualität nimmt selbstständig Nahrungsstoffe aus dem ihn umgebenden Kör- per, aus dem mütterlichen Organismus auf. Diese werden aber nicht passiv angehäuft, sondern zur Nahrung der Eitheile über- haupt und vorzüglich des parasitischen Organismus, des Haupt- theiles des Eies verwandt. Dieser ist aber im allgemeinsten Sinne die Keimhaut. Wenn nun der centrale Theil derselben, der Embryo, die ihm passenden und sein Wachsthum und seine Ausbildung begründenden Bestandtheile sich angeeignet und mit ihm die übrigen Eitheile sich vergröſsert haben, so werden die als Excreta übrig bleibenden Stoffe in den Raum zwischen ihm und dem umschlieſsenden Theile der Eihaut ausgeschieden. So ist der liquor amnii nicht das Excretionsproduct dieses oder jenen Thei- les der Frucht, sondern das als minder brauchbare Abgeschiedene, welches freilich noch einen gewissen Stoffwechsel eingeht, nach- dem es schon ausgeschieden worden, alsdann aber mehr als Ne-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/586>, abgerufen am 23.11.2024.