I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
den Raum zwischen beiden ausfüllende, helle Flüssigkeit verbun- den ist; denn nie habe ich das Eichen ohne mehr oder minder deutliche Spuren der Scheibe wahrnehmen können. Nur ist sie um so schmäler, zarter und durchsichtiger, je jünger der Follicu- lus. Merkwürdig ist es, dass das Eichen durchaus nicht in glei- chem Maasse mit dem Folliculus wächst. In kleinen Folliculis ist es, gleich dem Keimbläschen in dem Eie des Vogels, verhältnissmässig sehr gross, während es in älteren relativ um vieles kleiner, absolut da- gegen bedeutend grösser gefunden wird. Die Belege hierzu geben die weiter unten gelieferten micrometrischen Messungen. Ueberhaupt werden wir auf diesen Punkt noch ein Mal zurückkommen.
Um die genauere Structur des Eichens selbst kennen zu ler- nen, muss man dasselbe mit der Scheibe von dem übrigen Inhalte des Folliculus möglichst trennen und zwischen zwei Glasplatten unter dem Compressorium leise zusammendrücken. Zu diesem Verfahren ist aber vor Allem Geduld, Ruhe und einige manuelle Fertigkeit nöthig, da das Eichen selbst sehr leicht, und noch leich- ter das in ihm enthaltene, sehr zarte Keimbläschen platzt. Um dieses in dem Eie der Säugethiere aufzufinden, hatten sowohl Purkinje, als ich schon viele vergebliche Versuche gemacht, die aber deshalb unglücklich ausfielen, weil wir sie an Eiern derje- nigen Thiere, nämlich der Wiederkäuer und des Schweines, an- stellten, bei denen das Keimbläschen überaus zart und nur dann mit Bestimmtheit zu erkennen ist, wenn man es in anderen Säu- gethiereiern schon gesehen hat. In neuester Zeit, wo ich, aufge- regt durch Coste's Angaben, dieses Feld von Untersuchungen wie- derum vornahm, entdeckte ich zuerst das Keimbläschen in dem Eichen der Katze, wo es stark und ziemlich fest ist. Daher ich auch Jedem, welcher sich von der Existenz dieses wichtigen Ge- bildes bei Säugethieren überzeugen will, rathe, die Katze zuerst vorzunehmen. Seit dieser Zeit ist es mir fast nie missglückt, das Keimbläschen aus den Eiern aller Säugethiere, die ich unter- suchte, darzustellen, z. B. des Hundes, des Kaninchens, des Eich- hörnchens, des Schaafes, der Kuh, des Maulwurfes, der Ratte u. dgl. Auch kann ich Purkinje als Auctorität hier anführen, der es bei allen genannten Thieren ebenfalls gesehen hat. Es ist also als Erfahrungssatz fest begründet, dass auch das in dem Follicu- lus Graafianus enthaltene Eichen der Säugethiere im Eierstocke sein Keimbläschen habe, welches ganz unter denselben Verhält-
I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
den Raum zwischen beiden ausfüllende, helle Flüssigkeit verbun- den ist; denn nie habe ich das Eichen ohne mehr oder minder deutliche Spuren der Scheibe wahrnehmen können. Nur ist sie um so schmäler, zarter und durchsichtiger, je jünger der Follicu- lus. Merkwürdig ist es, daſs das Eichen durchaus nicht in glei- chem Maaſse mit dem Folliculus wächst. In kleinen Folliculis ist es, gleich dem Keimbläschen in dem Eie des Vogels, verhältniſsmäſsig sehr groſs, während es in älteren relativ um vieles kleiner, absolut da- gegen bedeutend gröſser gefunden wird. Die Belege hierzu geben die weiter unten gelieferten micrometrischen Messungen. Ueberhaupt werden wir auf diesen Punkt noch ein Mal zurückkommen.
Um die genauere Structur des Eichens selbst kennen zu ler- nen, muſs man dasselbe mit der Scheibe von dem übrigen Inhalte des Folliculus möglichst trennen und zwischen zwei Glasplatten unter dem Compressorium leise zusammendrücken. Zu diesem Verfahren ist aber vor Allem Geduld, Ruhe und einige manuelle Fertigkeit nöthig, da das Eichen selbst sehr leicht, und noch leich- ter das in ihm enthaltene, sehr zarte Keimbläschen platzt. Um dieses in dem Eie der Säugethiere aufzufinden, hatten sowohl Purkinje, als ich schon viele vergebliche Versuche gemacht, die aber deshalb unglücklich ausfielen, weil wir sie an Eiern derje- nigen Thiere, nämlich der Wiederkäuer und des Schweines, an- stellten, bei denen das Keimbläschen überaus zart und nur dann mit Bestimmtheit zu erkennen ist, wenn man es in anderen Säu- gethiereiern schon gesehen hat. In neuester Zeit, wo ich, aufge- regt durch Coste’s Angaben, dieses Feld von Untersuchungen wie- derum vornahm, entdeckte ich zuerst das Keimbläschen in dem Eichen der Katze, wo es stark und ziemlich fest ist. Daher ich auch Jedem, welcher sich von der Existenz dieses wichtigen Ge- bildes bei Säugethieren überzeugen will, rathe, die Katze zuerst vorzunehmen. Seit dieser Zeit ist es mir fast nie miſsglückt, das Keimbläschen aus den Eiern aller Säugethiere, die ich unter- suchte, darzustellen, z. B. des Hundes, des Kaninchens, des Eich- hörnchens, des Schaafes, der Kuh, des Maulwurfes, der Ratte u. dgl. Auch kann ich Purkinje als Auctorität hier anführen, der es bei allen genannten Thieren ebenfalls gesehen hat. Es ist also als Erfahrungssatz fest begründet, daſs auch das in dem Follicu- lus Graafianus enthaltene Eichen der Säugethiere im Eierstocke sein Keimbläschen habe, welches ganz unter denselben Verhält-
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I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
den Raum zwischen beiden ausfüllende, helle Flüssigkeit verbun-
den ist; denn nie habe ich das Eichen ohne mehr oder minder
deutliche Spuren der Scheibe wahrnehmen können. Nur ist sie
um so schmäler, zarter und durchsichtiger, je jünger der Follicu-
lus. Merkwürdig ist es, daſs das Eichen durchaus nicht in glei-
chem Maaſse mit dem Folliculus wächst. In kleinen Folliculis ist es,
gleich dem Keimbläschen in dem Eie des Vogels, verhältniſsmäſsig
sehr groſs, während es in älteren relativ um vieles kleiner, absolut da-
gegen bedeutend gröſser gefunden wird. Die Belege hierzu geben
die weiter unten gelieferten micrometrischen Messungen. Ueberhaupt
werden wir auf diesen Punkt noch ein Mal zurückkommen.
Um die genauere Structur des Eichens selbst kennen zu ler-
nen, muſs man dasselbe mit der Scheibe von dem übrigen Inhalte
des Folliculus möglichst trennen und zwischen zwei Glasplatten
unter dem Compressorium leise zusammendrücken. Zu diesem
Verfahren ist aber vor Allem Geduld, Ruhe und einige manuelle
Fertigkeit nöthig, da das Eichen selbst sehr leicht, und noch leich-
ter das in ihm enthaltene, sehr zarte Keimbläschen platzt. Um
dieses in dem Eie der Säugethiere aufzufinden, hatten sowohl
Purkinje, als ich schon viele vergebliche Versuche gemacht, die
aber deshalb unglücklich ausfielen, weil wir sie an Eiern derje-
nigen Thiere, nämlich der Wiederkäuer und des Schweines, an-
stellten, bei denen das Keimbläschen überaus zart und nur dann
mit Bestimmtheit zu erkennen ist, wenn man es in anderen Säu-
gethiereiern schon gesehen hat. In neuester Zeit, wo ich, aufge-
regt durch Coste’s Angaben, dieses Feld von Untersuchungen wie-
derum vornahm, entdeckte ich zuerst das Keimbläschen in dem
Eichen der Katze, wo es stark und ziemlich fest ist. Daher ich
auch Jedem, welcher sich von der Existenz dieses wichtigen Ge-
bildes bei Säugethieren überzeugen will, rathe, die Katze zuerst
vorzunehmen. Seit dieser Zeit ist es mir fast nie miſsglückt,
das Keimbläschen aus den Eiern aller Säugethiere, die ich unter-
suchte, darzustellen, z. B. des Hundes, des Kaninchens, des Eich-
hörnchens, des Schaafes, der Kuh, des Maulwurfes, der Ratte u.
dgl. Auch kann ich Purkinje als Auctorität hier anführen, der es
bei allen genannten Thieren ebenfalls gesehen hat. Es ist also
als Erfahrungssatz fest begründet, daſs auch das in dem Follicu-
lus Graafianus enthaltene Eichen der Säugethiere im Eierstocke
sein Keimbläschen habe, welches ganz unter denselben Verhält-
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/46>, abgerufen am 24.11.2024.
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