Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth.
scheinungsform ist. Wir entscheiden uns mit Carus und Rathke für die letztere Meinung." -- Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass die Individualität sich auch hier von frühester Zeit an in ihrer strengen Eigenthümlichkeit darstellen muss, und dass, je tiefer wir in das so schwierige Gebiet der Entwickelungsgeschichte eindrin- gen werden, uns um so mehr auch die allerfeinste unterschei- dende Nuancirung zugänglich seyn wird.
Die inneren keimbereitenden Geschlechtstheile entstehen un- abhängig von ihren inneren ausführenden Gängen, und beide müs- sen daher gesondert betrachtet werden. Was nun 1. den Eier- stock und den Hoden betrifft, so ist ihre Geschichte folgende: Noch ehe die Wolffschen Körper sich auf der höchsten Stufe ih- rer anatomischen Ausbildung befinden, erhebt sich an ihnen eine längs derselben verlaufende Falte des Bauchfelles. Wir müssen aber, um jeder Verwirrung oder Verwechselung möglichst vorzu- beugen, die verschiedenen Falten des Peritoneum mit eigenen Namen belegen, und zwar soll die über die obere Fläche des Wolffschen Körpers verlaufende, schon oben beschriebene Falte die Aushängefalte (ligamentum suspensorium Corporis Wolffiani) von uns genannt werden. Die, in welcher Ei- und Saamenleiter sich bilden, möge die Falte des ausführenden inneren Geschlechts- theiles, die endlich, in welcher der Ausführungsgang sich befin- det, die des Ausführungsganges heissen. Zu diesen schon oben berührten Falten kommt endlich noch diejenige, in welcher sich bald Eierstock oder Hoden erzeugen und für die wir den Namen der Falte der keimbereitenden Geschlechtsorgane vorschlagen, so wie endlich für die bald näher zu bezeichnende, welche von dem Bauchringe aus von aussen und hinten nach vorn und innen em- porsteigt und bei dem Männchen zum Gubernatuculum Hun- teri, bei dem Weibchen aber zum ligamentum rotundum wird, den der äusseren Falte. Die Falte für die keimbereitenden Ge- schlechtstheile verläuft zuerst fast in der Mitte zwischen dem in- neren Rande der Wolffschen Körper und ihrem Aufhängebande längs ihrer ganzen Oberfläche, doch etwas mehr nach aussen, als nach innen gerichtet. Sie erhebt sich von Anfang an über die Oberfläche, so dass sie eine zarte schmale Leiste bildet, welche in ihrem Innern nicht hohl, sondern durch eine geringe Quantität eines zarten Bildungsstoffes ausgefüllt ist. Bald jedoch vermehrt sich derselbe an einer Stelle in seiner vorderen Hälfte, so dass
25*
Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth.
scheinungsform ist. Wir entscheiden uns mit Carus und Rathke für die letztere Meinung.“ — Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daſs die Individualität sich auch hier von frühester Zeit an in ihrer strengen Eigenthümlichkeit darstellen muſs, und daſs, je tiefer wir in das so schwierige Gebiet der Entwickelungsgeschichte eindrin- gen werden, uns um so mehr auch die allerfeinste unterschei- dende Nuancirung zugänglich seyn wird.
Die inneren keimbereitenden Geschlechtstheile entstehen un- abhängig von ihren inneren ausführenden Gängen, und beide müs- sen daher gesondert betrachtet werden. Was nun 1. den Eier- stock und den Hoden betrifft, so ist ihre Geschichte folgende: Noch ehe die Wolffschen Körper sich auf der höchsten Stufe ih- rer anatomischen Ausbildung befinden, erhebt sich an ihnen eine längs derselben verlaufende Falte des Bauchfelles. Wir müssen aber, um jeder Verwirrung oder Verwechselung möglichst vorzu- beugen, die verschiedenen Falten des Peritoneum mit eigenen Namen belegen, und zwar soll die über die obere Fläche des Wolffschen Körpers verlaufende, schon oben beschriebene Falte die Aushängefalte (ligamentum suspensorium Corporis Wolffiani) von uns genannt werden. Die, in welcher Ei- und Saamenleiter sich bilden, möge die Falte des ausführenden inneren Geschlechts- theiles, die endlich, in welcher der Ausführungsgang sich befin- det, die des Ausführungsganges heiſsen. Zu diesen schon oben berührten Falten kommt endlich noch diejenige, in welcher sich bald Eierstock oder Hoden erzeugen und für die wir den Namen der Falte der keimbereitenden Geschlechtsorgane vorschlagen, so wie endlich für die bald näher zu bezeichnende, welche von dem Bauchringe aus von auſsen und hinten nach vorn und innen em- porsteigt und bei dem Männchen zum Gubernatuculum Hun- teri, bei dem Weibchen aber zum ligamentum rotundum wird, den der äuſseren Falte. Die Falte für die keimbereitenden Ge- schlechtstheile verläuft zuerst fast in der Mitte zwischen dem in- neren Rande der Wolffschen Körper und ihrem Aufhängebande längs ihrer ganzen Oberfläche, doch etwas mehr nach auſsen, als nach innen gerichtet. Sie erhebt sich von Anfang an über die Oberfläche, so daſs sie eine zarte schmale Leiste bildet, welche in ihrem Innern nicht hohl, sondern durch eine geringe Quantität eines zarten Bildungsstoffes ausgefüllt ist. Bald jedoch vermehrt sich derselbe an einer Stelle in seiner vorderen Hälfte, so daſs
25*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0415"n="387"/><fwplace="top"type="header">Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth.</fw><lb/>
scheinungsform ist. Wir entscheiden uns mit Carus und Rathke<lb/>
für die letztere Meinung.“— Es ist wohl kaum zu bezweifeln,<lb/>
daſs die Individualität sich auch hier von frühester Zeit an in ihrer<lb/>
strengen Eigenthümlichkeit darstellen muſs, und daſs, je tiefer wir<lb/>
in das so schwierige Gebiet der Entwickelungsgeschichte eindrin-<lb/>
gen werden, uns um so mehr auch die allerfeinste unterschei-<lb/>
dende Nuancirung zugänglich seyn wird.</p><lb/><p>Die inneren keimbereitenden Geschlechtstheile entstehen un-<lb/>
abhängig von ihren inneren ausführenden Gängen, und beide müs-<lb/>
sen daher gesondert betrachtet werden. Was nun 1. den Eier-<lb/>
stock und den Hoden betrifft, so ist ihre Geschichte folgende:<lb/>
Noch ehe die Wolffschen Körper sich auf der höchsten Stufe ih-<lb/>
rer anatomischen Ausbildung befinden, erhebt sich an ihnen eine<lb/>
längs derselben verlaufende Falte des Bauchfelles. Wir müssen<lb/>
aber, um jeder Verwirrung oder Verwechselung möglichst vorzu-<lb/>
beugen, die verschiedenen Falten des Peritoneum mit eigenen<lb/>
Namen belegen, und zwar soll die über die obere Fläche des<lb/>
Wolffschen Körpers verlaufende, schon oben beschriebene Falte die<lb/>
Aushängefalte <hirendition="#i">(ligamentum suspensorium Corporis Wolffiani)</hi><lb/>
von uns genannt werden. Die, in welcher Ei- und Saamenleiter<lb/>
sich bilden, möge die Falte des ausführenden inneren Geschlechts-<lb/>
theiles, die endlich, in welcher der Ausführungsgang sich befin-<lb/>
det, die des Ausführungsganges heiſsen. Zu diesen schon oben<lb/>
berührten Falten kommt endlich noch diejenige, in welcher sich<lb/>
bald Eierstock oder Hoden erzeugen und für die wir den Namen<lb/>
der Falte der keimbereitenden Geschlechtsorgane vorschlagen, so<lb/>
wie endlich für die bald näher zu bezeichnende, welche von dem<lb/>
Bauchringe aus von auſsen und hinten nach vorn und innen em-<lb/>
porsteigt und bei dem Männchen zum <hirendition="#i">Gubernatuculum Hun-<lb/>
teri</hi>, bei dem Weibchen aber zum <hirendition="#i">ligamentum rotundum</hi> wird,<lb/>
den der äuſseren Falte. Die Falte für die keimbereitenden Ge-<lb/>
schlechtstheile verläuft zuerst fast in der Mitte zwischen dem in-<lb/>
neren Rande der Wolffschen Körper und ihrem Aufhängebande<lb/>
längs ihrer ganzen Oberfläche, doch etwas mehr nach auſsen, als<lb/>
nach innen gerichtet. Sie erhebt sich von Anfang an über die<lb/>
Oberfläche, so daſs sie eine zarte schmale Leiste bildet, welche<lb/>
in ihrem Innern nicht hohl, sondern durch eine geringe Quantität<lb/>
eines zarten Bildungsstoffes ausgefüllt ist. Bald jedoch vermehrt<lb/>
sich derselbe an einer Stelle in seiner vorderen Hälfte, so daſs<lb/><fwplace="bottom"type="sig">25*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[387/0415]
Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth.
scheinungsform ist. Wir entscheiden uns mit Carus und Rathke
für die letztere Meinung.“ — Es ist wohl kaum zu bezweifeln,
daſs die Individualität sich auch hier von frühester Zeit an in ihrer
strengen Eigenthümlichkeit darstellen muſs, und daſs, je tiefer wir
in das so schwierige Gebiet der Entwickelungsgeschichte eindrin-
gen werden, uns um so mehr auch die allerfeinste unterschei-
dende Nuancirung zugänglich seyn wird.
Die inneren keimbereitenden Geschlechtstheile entstehen un-
abhängig von ihren inneren ausführenden Gängen, und beide müs-
sen daher gesondert betrachtet werden. Was nun 1. den Eier-
stock und den Hoden betrifft, so ist ihre Geschichte folgende:
Noch ehe die Wolffschen Körper sich auf der höchsten Stufe ih-
rer anatomischen Ausbildung befinden, erhebt sich an ihnen eine
längs derselben verlaufende Falte des Bauchfelles. Wir müssen
aber, um jeder Verwirrung oder Verwechselung möglichst vorzu-
beugen, die verschiedenen Falten des Peritoneum mit eigenen
Namen belegen, und zwar soll die über die obere Fläche des
Wolffschen Körpers verlaufende, schon oben beschriebene Falte die
Aushängefalte (ligamentum suspensorium Corporis Wolffiani)
von uns genannt werden. Die, in welcher Ei- und Saamenleiter
sich bilden, möge die Falte des ausführenden inneren Geschlechts-
theiles, die endlich, in welcher der Ausführungsgang sich befin-
det, die des Ausführungsganges heiſsen. Zu diesen schon oben
berührten Falten kommt endlich noch diejenige, in welcher sich
bald Eierstock oder Hoden erzeugen und für die wir den Namen
der Falte der keimbereitenden Geschlechtsorgane vorschlagen, so
wie endlich für die bald näher zu bezeichnende, welche von dem
Bauchringe aus von auſsen und hinten nach vorn und innen em-
porsteigt und bei dem Männchen zum Gubernatuculum Hun-
teri, bei dem Weibchen aber zum ligamentum rotundum wird,
den der äuſseren Falte. Die Falte für die keimbereitenden Ge-
schlechtstheile verläuft zuerst fast in der Mitte zwischen dem in-
neren Rande der Wolffschen Körper und ihrem Aufhängebande
längs ihrer ganzen Oberfläche, doch etwas mehr nach auſsen, als
nach innen gerichtet. Sie erhebt sich von Anfang an über die
Oberfläche, so daſs sie eine zarte schmale Leiste bildet, welche
in ihrem Innern nicht hohl, sondern durch eine geringe Quantität
eines zarten Bildungsstoffes ausgefüllt ist. Bald jedoch vermehrt
sich derselbe an einer Stelle in seiner vorderen Hälfte, so daſs
25*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/415>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.