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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
rechte dagegen einen Theil desselben in das rechte Atrium leitet.
Das Blut der Nabelvene durchströmt grösstentheils die Leber,
während eine nur geringe Abtheilung desselben durch den venö-
sen Gang unmittelbar zur unteren Hohlader geleitet wird. Da
der Blutlauf im Fötus sich über den Körper desselben in die Pla-
centa erstreckt, so würde die blosse Kraft des linken Ventrikels
nicht hinreichen, um dem Blute einen so starken Impuls zu ge-
ben (S. 211.). Es wird daher auch die rechte Herzkammer zu
Hilfe genommen, welche den arteriellen Kreislauf des Kopfes ver-
sorgt, während der linke Ventrikel das Blut nach dem Unterleibe
hin und von da in die Placenta treibt. Wegen dieser Einrich-
tung haben auch beide Herzhälften gleich dicke Wandungen (S.
212.). -- Man muss überhaupt in den Naturwissenschaften die Idee
festhalten, dass Function und Form, wie Zeit und Raum, nur auf
niederer Stufe, verschieden sind, in einer höheren Sphäre dage-
gen durchaus in einander und in ein höheres Dritte eingehen
und insofern identisch seyn müssen. So ist es die Uridee des
Thieres, seine Individualität im Gegensatze der Aussenwelt zu be-
haupten, in sich Centrum und Peripherie zu haben und von die-
sem geschlossenen Kreise aus nach aussen hin zu wirken. Das
Blut ist aber unter den Säften dasjenige, welche diese Individua-
lität am meisten darstellt und behauptet. Daher die von den äl-
testen Zeiten her wiederhallende Ahndung, dass Blut und Cha-
rakter innig zusammenhangen -- ein Ausspruch, der sicher auch
schon durch bestimmte Erfahrungen nachgewiesen wäre, wenn
man mit ruhigem, ächt naturforschenden Blicke von ärztlicher und
philosophischer Seite aus danach geforscht hätte. Seine Bahn ist
auf gleiche Weise ursprünglich die des Kreises, dessen Mittelpunkt
oder vielmehr Mittelstelle sich jedoch bald dem Längentypus
des Embryo gemäss auch zu einer länglichen Ellipse ausdehnt.
So erscheint er im ersten Dotterkreislaufe. Allein bald tritt der
Gegensatz des Innern (Individuums) und des Aeussern auf. Es
bildet sich so ein neuer Kreis, dessen Peripherie ebenfalls über
den Embryo hinausgeht und mit dem Aeusseren, sey dieses ath-
mosphärische Luft oder Mutterblut, in Contiguität tritt. Das Cen-
tralrohr, welchem im Gegensatze zu dem Aeusseren, wie es frü-
her der Embryo selbst in Bezug auf die Höfe gethan, in diesem
Kreise sich selbstständig zu individualisiren bestrebt, krümmt sich
in sich zusammen und stellt so anfangs in einem halben Bogen,

Von dem Embryo.
rechte dagegen einen Theil desselben in das rechte Atrium leitet.
Das Blut der Nabelvene durchströmt gröſstentheils die Leber,
während eine nur geringe Abtheilung desselben durch den venö-
sen Gang unmittelbar zur unteren Hohlader geleitet wird. Da
der Blutlauf im Fötus sich über den Körper desselben in die Pla-
centa erstreckt, so würde die bloſse Kraft des linken Ventrikels
nicht hinreichen, um dem Blute einen so starken Impuls zu ge-
ben (S. 211.). Es wird daher auch die rechte Herzkammer zu
Hilfe genommen, welche den arteriellen Kreislauf des Kopfes ver-
sorgt, während der linke Ventrikel das Blut nach dem Unterleibe
hin und von da in die Placenta treibt. Wegen dieser Einrich-
tung haben auch beide Herzhälften gleich dicke Wandungen (S.
212.). — Man muſs überhaupt in den Naturwissenschaften die Idee
festhalten, daſs Function und Form, wie Zeit und Raum, nur auf
niederer Stufe, verschieden sind, in einer höheren Sphäre dage-
gen durchaus in einander und in ein höheres Dritte eingehen
und insofern identisch seyn müssen. So ist es die Uridee des
Thieres, seine Individualität im Gegensatze der Auſsenwelt zu be-
haupten, in sich Centrum und Peripherie zu haben und von die-
sem geschlossenen Kreise aus nach auſsen hin zu wirken. Das
Blut ist aber unter den Säften dasjenige, welche diese Individua-
lität am meisten darstellt und behauptet. Daher die von den äl-
testen Zeiten her wiederhallende Ahndung, daſs Blut und Cha-
rakter innig zusammenhangen — ein Ausspruch, der sicher auch
schon durch bestimmte Erfahrungen nachgewiesen wäre, wenn
man mit ruhigem, ächt naturforschenden Blicke von ärztlicher und
philosophischer Seite aus danach geforscht hätte. Seine Bahn ist
auf gleiche Weise ursprünglich die des Kreises, dessen Mittelpunkt
oder vielmehr Mittelstelle sich jedoch bald dem Längentypus
des Embryo gemäſs auch zu einer länglichen Ellipse ausdehnt.
So erscheint er im ersten Dotterkreislaufe. Allein bald tritt der
Gegensatz des Innern (Individuums) und des Aeuſsern auf. Es
bildet sich so ein neuer Kreis, dessen Peripherie ebenfalls über
den Embryo hinausgeht und mit dem Aeuſseren, sey dieses ath-
mosphärische Luft oder Mutterblut, in Contiguität tritt. Das Cen-
tralrohr, welchem im Gegensatze zu dem Aeuſseren, wie es frü-
her der Embryo selbst in Bezug auf die Höfe gethan, in diesem
Kreise sich selbstständig zu individualisiren bestrebt, krümmt sich
in sich zusammen und stellt so anfangs in einem halben Bogen,

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[348/0376] Von dem Embryo. rechte dagegen einen Theil desselben in das rechte Atrium leitet. Das Blut der Nabelvene durchströmt gröſstentheils die Leber, während eine nur geringe Abtheilung desselben durch den venö- sen Gang unmittelbar zur unteren Hohlader geleitet wird. Da der Blutlauf im Fötus sich über den Körper desselben in die Pla- centa erstreckt, so würde die bloſse Kraft des linken Ventrikels nicht hinreichen, um dem Blute einen so starken Impuls zu ge- ben (S. 211.). Es wird daher auch die rechte Herzkammer zu Hilfe genommen, welche den arteriellen Kreislauf des Kopfes ver- sorgt, während der linke Ventrikel das Blut nach dem Unterleibe hin und von da in die Placenta treibt. Wegen dieser Einrich- tung haben auch beide Herzhälften gleich dicke Wandungen (S. 212.). — Man muſs überhaupt in den Naturwissenschaften die Idee festhalten, daſs Function und Form, wie Zeit und Raum, nur auf niederer Stufe, verschieden sind, in einer höheren Sphäre dage- gen durchaus in einander und in ein höheres Dritte eingehen und insofern identisch seyn müssen. So ist es die Uridee des Thieres, seine Individualität im Gegensatze der Auſsenwelt zu be- haupten, in sich Centrum und Peripherie zu haben und von die- sem geschlossenen Kreise aus nach auſsen hin zu wirken. Das Blut ist aber unter den Säften dasjenige, welche diese Individua- lität am meisten darstellt und behauptet. Daher die von den äl- testen Zeiten her wiederhallende Ahndung, daſs Blut und Cha- rakter innig zusammenhangen — ein Ausspruch, der sicher auch schon durch bestimmte Erfahrungen nachgewiesen wäre, wenn man mit ruhigem, ächt naturforschenden Blicke von ärztlicher und philosophischer Seite aus danach geforscht hätte. Seine Bahn ist auf gleiche Weise ursprünglich die des Kreises, dessen Mittelpunkt oder vielmehr Mittelstelle sich jedoch bald dem Längentypus des Embryo gemäſs auch zu einer länglichen Ellipse ausdehnt. So erscheint er im ersten Dotterkreislaufe. Allein bald tritt der Gegensatz des Innern (Individuums) und des Aeuſsern auf. Es bildet sich so ein neuer Kreis, dessen Peripherie ebenfalls über den Embryo hinausgeht und mit dem Aeuſseren, sey dieses ath- mosphärische Luft oder Mutterblut, in Contiguität tritt. Das Cen- tralrohr, welchem im Gegensatze zu dem Aeuſseren, wie es frü- her der Embryo selbst in Bezug auf die Höfe gethan, in diesem Kreise sich selbstständig zu individualisiren bestrebt, krümmt sich in sich zusammen und stellt so anfangs in einem halben Bogen,

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/376>, abgerufen am 22.11.2024.