Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Entstehung des Blutes und der Blutgefässe. Theile mit den Namen derjenigen Gefässe zu belegen, welche späteraus ihnen entstehen, ist unzweckmässig und verwirrend, ja sogar zum Theil unrichtig. -- Der Blutumlauf im Fötus des Menschen und der Säugethiere durchläuft also in seinem Gegensatze zwischen Lun- gen- und Körperkreislaufe alle diejenigen Metamorphosen, welche er in der Reihe der Wirbelthiere vereinzelt darstellt, wie dieses schon J. Fr. Meckel und Joh. Müller angemerkt haben. In dem frühesten Kiemenkreislaufe ist das Respirationssystem der Fische ihren Haupt- stämmen nach (da jedes componirte Capillargefässsystem fehlt und die Kopfschlagader aus der zweiten Hälfte des ersten Kiemengefä- sses entspringt, während sie bei Fischen aus der ersten Kiemenvene kommt) realisirt. Die beiden Aortenbogen, welche zur Aorta descendens zusammentreten, stellen den allgemeinen Amphibien- kreislauf dar und unter diesen sind es vorzüglich die Schlangen, deren Bildung am längsten verhältnissmässig in dem Embryo ver- harrt. Bei Säugethieren und Vögeln tritt erst aus diesem ge- meinsamen Amphibientypus das inverse Verhältniss ein, dass bei den Letzteren der rechte Aortenbogen bleibt und der linke zur linken Lungenarterie wird, während bei den Säugethieren der linke Aortenbogen bleibt und aus dem rechten die rechte Lun- genarterie sich bildet. (Vgl. hiermit die vortreffliche Darstellung der Formen des Kreislaufes in der Thierwelt von Joh. Müller in Burdachs Physiol. IV. S. 141--171. und bes. S. 167. und in s. Physiol. I. S. 152--161. und bes. S. 160.). Daher die von Sa- batier (Mem. de l'acad. 1778. p. 198.) geäusserte Idee, welcher Bichat, Kilian, Meckel, zum Theil E. H. Weber u. A. beistim- men, dass in frühester Zeit der Kreislauf in Form einer Achte (8) vor sich ginge, nämlich was die Arterien betrifft in einer Strömung von links nach rechts für die obere und einer Strö- mung von rechts nach links für die untere Körperhälfte. -- Auf diese Verschiedenheit der Gefässe im Laufe der Embryonalent- wickelung lassen sich auch die meisten der sogenannten Varietä- ten der grossen Gefässstämme am Herzen, wie sie pathologisch gefunden werden (vgl. vorzüglich Otto Bernhard de arteriarum e corde prodeuntium aberrationibus Berol. 1818. 4., Fr. Tie- demann tabulae arteriarum c. h. 1822. fol. tab. IV., Otto Lehrb. d. pathol. Anat. Bd. 1. 1830. 8. S. 300--308. und E. H. Weber in Hildebr. Anat. III. S. 173--177.), wo nicht alle Ge- fässvarietäten überhaupt als Bildungshemmungen reduciren. Mek- Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse. Theile mit den Namen derjenigen Gefäſse zu belegen, welche späteraus ihnen entstehen, ist unzweckmäſsig und verwirrend, ja sogar zum Theil unrichtig. — Der Blutumlauf im Fötus des Menschen und der Säugethiere durchläuft also in seinem Gegensatze zwischen Lun- gen- und Körperkreislaufe alle diejenigen Metamorphosen, welche er in der Reihe der Wirbelthiere vereinzelt darstellt, wie dieses schon J. Fr. Meckel und Joh. Müller angemerkt haben. In dem frühesten Kiemenkreislaufe ist das Respirationssystem der Fische ihren Haupt- stämmen nach (da jedes componirte Capillargefäſssystem fehlt und die Kopfschlagader aus der zweiten Hälfte des ersten Kiemengefä- ſses entspringt, während sie bei Fischen aus der ersten Kiemenvene kommt) realisirt. Die beiden Aortenbogen, welche zur Aorta descendens zusammentreten, stellen den allgemeinen Amphibien- kreislauf dar und unter diesen sind es vorzüglich die Schlangen, deren Bildung am längsten verhältniſsmäſsig in dem Embryo ver- harrt. Bei Säugethieren und Vögeln tritt erst aus diesem ge- meinsamen Amphibientypus das inverse Verhältniſs ein, daſs bei den Letzteren der rechte Aortenbogen bleibt und der linke zur linken Lungenarterie wird, während bei den Säugethieren der linke Aortenbogen bleibt und aus dem rechten die rechte Lun- genarterie sich bildet. (Vgl. hiermit die vortreffliche Darstellung der Formen des Kreislaufes in der Thierwelt von Joh. Müller in Burdachs Physiol. IV. S. 141—171. und bes. S. 167. und in s. Physiol. I. S. 152—161. und bes. S. 160.). Daher die von Sa- batier (Mém. de l’acad. 1778. p. 198.) geäuſserte Idee, welcher Bichat, Kilian, Meckel, zum Theil E. H. Weber u. A. beistim- men, daſs in frühester Zeit der Kreislauf in Form einer Achte (8) vor sich ginge, nämlich was die Arterien betrifft in einer Strömung von links nach rechts für die obere und einer Strö- mung von rechts nach links für die untere Körperhälfte. — Auf diese Verschiedenheit der Gefäſse im Laufe der Embryonalent- wickelung lassen sich auch die meisten der sogenannten Varietä- ten der groſsen Gefäſsstämme am Herzen, wie sie pathologisch gefunden werden (vgl. vorzüglich Otto Bernhard de arteriarum e corde prodeuntium aberrationibus Berol. 1818. 4., Fr. Tie- demann tabulae arteriarum c. h. 1822. fol. tab. IV., Otto Lehrb. d. pathol. Anat. Bd. 1. 1830. 8. S. 300—308. und E. H. Weber in Hildebr. Anat. III. S. 173—177.), wo nicht alle Ge- fäſsvarietäten überhaupt als Bildungshemmungen reduciren. 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Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse.
Theile mit den Namen derjenigen Gefäſse zu belegen, welche später
aus ihnen entstehen, ist unzweckmäſsig und verwirrend, ja sogar
zum Theil unrichtig. — Der Blutumlauf im Fötus des Menschen und
der Säugethiere durchläuft also in seinem Gegensatze zwischen Lun-
gen- und Körperkreislaufe alle diejenigen Metamorphosen, welche er
in der Reihe der Wirbelthiere vereinzelt darstellt, wie dieses schon
J. Fr. Meckel und Joh. Müller angemerkt haben. In dem frühesten
Kiemenkreislaufe ist das Respirationssystem der Fische ihren Haupt-
stämmen nach (da jedes componirte Capillargefäſssystem fehlt und
die Kopfschlagader aus der zweiten Hälfte des ersten Kiemengefä-
ſses entspringt, während sie bei Fischen aus der ersten Kiemenvene
kommt) realisirt. Die beiden Aortenbogen, welche zur Aorta
descendens zusammentreten, stellen den allgemeinen Amphibien-
kreislauf dar und unter diesen sind es vorzüglich die Schlangen,
deren Bildung am längsten verhältniſsmäſsig in dem Embryo ver-
harrt. Bei Säugethieren und Vögeln tritt erst aus diesem ge-
meinsamen Amphibientypus das inverse Verhältniſs ein, daſs bei
den Letzteren der rechte Aortenbogen bleibt und der linke zur
linken Lungenarterie wird, während bei den Säugethieren der
linke Aortenbogen bleibt und aus dem rechten die rechte Lun-
genarterie sich bildet. (Vgl. hiermit die vortreffliche Darstellung
der Formen des Kreislaufes in der Thierwelt von Joh. Müller in
Burdachs Physiol. IV. S. 141—171. und bes. S. 167. und in s.
Physiol. I. S. 152—161. und bes. S. 160.). Daher die von Sa-
batier (Mém. de l’acad. 1778. p. 198.) geäuſserte Idee, welcher
Bichat, Kilian, Meckel, zum Theil E. H. Weber u. A. beistim-
men, daſs in frühester Zeit der Kreislauf in Form einer Achte
(8) vor sich ginge, nämlich was die Arterien betrifft in einer
Strömung von links nach rechts für die obere und einer Strö-
mung von rechts nach links für die untere Körperhälfte. — Auf
diese Verschiedenheit der Gefäſse im Laufe der Embryonalent-
wickelung lassen sich auch die meisten der sogenannten Varietä-
ten der groſsen Gefäſsstämme am Herzen, wie sie pathologisch
gefunden werden (vgl. vorzüglich Otto Bernhard de arteriarum
e corde prodeuntium aberrationibus Berol. 1818. 4., Fr. Tie-
demann tabulae arteriarum c. h. 1822. fol. tab. IV., Otto
Lehrb. d. pathol. Anat. Bd. 1. 1830. 8. S. 300—308. und E. H.
Weber in Hildebr. Anat. III. S. 173—177.), wo nicht alle Ge-
fäſsvarietäten überhaupt als Bildungshemmungen reduciren. Mek-
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