I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
enthält in frischem Zustande eine Menge grösserer oder kleinerer gelber Kugeln von bestimmt runder Form und vollkommener Durchsichtigkeit. Neben diesen Kugeln finden sich in ihm eine Menge kleinerer Kügelchen zerstreut, welche, wie wir gesehen haben, der Bildung der wahren Dotterkugeln in ihrer zeitlichen Genese vorangehen, in früherer Zeit aber sich in relativ grösse- rer Menge vorfinden, als späterhin. Durch Einwirkung der höhe- ren Temperatur, des Weingeistes u. dgl. wird der Dotter in eine feste, bröckelige Masse verwandelt, welche in ihren einzelnen Theilen eine nicht ganz unregelmässige Begrenzung zeigt, wiewohl ihr die mathematisch bestimmte Form von Crystallen abgeht.
Macht man mit einer scharfen Scheere Querschnitte des Dot- ters, so sieht man, dass in der Mitte desselben sich eine Substanz befinde, welche von der wahren Dottersubstanz wesentlich ab- weicht. Sie giebt sich dann als einen mehr oder minder bestimmt runden, begrenzten Kreis zu erkennen, und Purkinje (l. c. p. 7.) schloss aus der Conformation dieser Kreise, dass diese Masse in einem Kanale des Dotters verlaufe, welcher von der Narbe aus- gehend zuerst ziemlich eng nach der Mitte des Dotters hinab- steigt, hier aber eine blasig erweiterte Form annimmt. In der zweiten Auflage (l. c. p. 8.) hat er jedoch diese früher geäusserte Ansicht in Zweifel gezogen. Wiewohl bei der flüssigen Masse des Dotters über die Form, welche der in dem Centrum befind- liche Stoff in dem Dotter annehme, eine sichere Entscheidung kaum möglich ist, so scheint doch so viel gewiss zu sein, dass innerhalb des Dotters eine ihm heterogene Substanz überhaupt enthalten sey, die nach Purkinje (l. c. p. 7. 8.) aus einer Menge Kügelchen besteht, welche grösser als die Eiweisskügelchen sind. In dem gekochten Eie ist dieser Stoff von milchweisser Farbe und einem etwas salzigen Geschmacke. Ob aber der Raum, in dem diese Substanz enthalten und welcher in frisch gelegten Eiern am deutlichsten zu erkennen ist, die von Purkinje (l. c. tab. I. Fig. 16--18) angegebene Gestalt oder die etwas verän- dert von Burdach (Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Bd. 2. 1828. 8. tab. II. Fig. 1.) und Karl Ernst v. Bär (Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. 1828. 4. tab. III. Fig. 2.) gezeichnete Form habe, dürfte wohl nie mit aller Gewissheit bestimmt werden können.
3) Die Anlage der Keimhaut. -- In dem Eie des Huhnes,
I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
enthält in frischem Zustande eine Menge gröſserer oder kleinerer gelber Kugeln von bestimmt runder Form und vollkommener Durchsichtigkeit. Neben diesen Kugeln finden sich in ihm eine Menge kleinerer Kügelchen zerstreut, welche, wie wir gesehen haben, der Bildung der wahren Dotterkugeln in ihrer zeitlichen Genese vorangehen, in früherer Zeit aber sich in relativ gröſse- rer Menge vorfinden, als späterhin. Durch Einwirkung der höhe- ren Temperatur, des Weingeistes u. dgl. wird der Dotter in eine feste, bröckelige Masse verwandelt, welche in ihren einzelnen Theilen eine nicht ganz unregelmäſsige Begrenzung zeigt, wiewohl ihr die mathematisch bestimmte Form von Crystallen abgeht.
Macht man mit einer scharfen Scheere Querschnitte des Dot- ters, so sieht man, daſs in der Mitte desselben sich eine Substanz befinde, welche von der wahren Dottersubstanz wesentlich ab- weicht. Sie giebt sich dann als einen mehr oder minder bestimmt runden, begrenzten Kreis zu erkennen, und Purkinje (l. c. p. 7.) schloſs aus der Conformation dieser Kreise, daſs diese Masse in einem Kanale des Dotters verlaufe, welcher von der Narbe aus- gehend zuerst ziemlich eng nach der Mitte des Dotters hinab- steigt, hier aber eine blasig erweiterte Form annimmt. In der zweiten Auflage (l. c. p. 8.) hat er jedoch diese früher geäuſserte Ansicht in Zweifel gezogen. Wiewohl bei der flüssigen Masse des Dotters über die Form, welche der in dem Centrum befind- liche Stoff in dem Dotter annehme, eine sichere Entscheidung kaum möglich ist, so scheint doch so viel gewiſs zu sein, daſs innerhalb des Dotters eine ihm heterogene Substanz überhaupt enthalten sey, die nach Purkinje (l. c. p. 7. 8.) aus einer Menge Kügelchen besteht, welche gröſser als die Eiweiſskügelchen sind. In dem gekochten Eie ist dieser Stoff von milchweiſser Farbe und einem etwas salzigen Geschmacke. Ob aber der Raum, in dem diese Substanz enthalten und welcher in frisch gelegten Eiern am deutlichsten zu erkennen ist, die von Purkinje (l. c. tab. I. Fig. 16—18) angegebene Gestalt oder die etwas verän- dert von Burdach (Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Bd. 2. 1828. 8. tab. II. Fig. 1.) und Karl Ernst v. Bär (Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. 1828. 4. tab. III. Fig. 2.) gezeichnete Form habe, dürfte wohl nie mit aller Gewiſsheit bestimmt werden können.
3) Die Anlage der Keimhaut. — In dem Eie des Huhnes,
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I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
enthält in frischem Zustande eine Menge gröſserer oder kleinerer
gelber Kugeln von bestimmt runder Form und vollkommener
Durchsichtigkeit. Neben diesen Kugeln finden sich in ihm eine
Menge kleinerer Kügelchen zerstreut, welche, wie wir gesehen
haben, der Bildung der wahren Dotterkugeln in ihrer zeitlichen
Genese vorangehen, in früherer Zeit aber sich in relativ gröſse-
rer Menge vorfinden, als späterhin. Durch Einwirkung der höhe-
ren Temperatur, des Weingeistes u. dgl. wird der Dotter in eine
feste, bröckelige Masse verwandelt, welche in ihren einzelnen
Theilen eine nicht ganz unregelmäſsige Begrenzung zeigt, wiewohl
ihr die mathematisch bestimmte Form von Crystallen abgeht.
Macht man mit einer scharfen Scheere Querschnitte des Dot-
ters, so sieht man, daſs in der Mitte desselben sich eine Substanz
befinde, welche von der wahren Dottersubstanz wesentlich ab-
weicht. Sie giebt sich dann als einen mehr oder minder bestimmt
runden, begrenzten Kreis zu erkennen, und Purkinje (l. c. p. 7.)
schloſs aus der Conformation dieser Kreise, daſs diese Masse in
einem Kanale des Dotters verlaufe, welcher von der Narbe aus-
gehend zuerst ziemlich eng nach der Mitte des Dotters hinab-
steigt, hier aber eine blasig erweiterte Form annimmt. In der
zweiten Auflage (l. c. p. 8.) hat er jedoch diese früher geäuſserte
Ansicht in Zweifel gezogen. Wiewohl bei der flüssigen Masse
des Dotters über die Form, welche der in dem Centrum befind-
liche Stoff in dem Dotter annehme, eine sichere Entscheidung
kaum möglich ist, so scheint doch so viel gewiſs zu sein, daſs
innerhalb des Dotters eine ihm heterogene Substanz überhaupt
enthalten sey, die nach Purkinje (l. c. p. 7. 8.) aus einer Menge
Kügelchen besteht, welche gröſser als die Eiweiſskügelchen sind.
In dem gekochten Eie ist dieser Stoff von milchweiſser Farbe
und einem etwas salzigen Geschmacke. Ob aber der Raum, in
dem diese Substanz enthalten und welcher in frisch gelegten
Eiern am deutlichsten zu erkennen ist, die von Purkinje (l. c.
tab. I. Fig. 16—18) angegebene Gestalt oder die etwas verän-
dert von Burdach (Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft.
Bd. 2. 1828. 8. tab. II. Fig. 1.) und Karl Ernst v. Bär (Ueber
Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion.
1828. 4. tab. III. Fig. 2.) gezeichnete Form habe, dürfte wohl
nie mit aller Gewiſsheit bestimmt werden können.
3) Die Anlage der Keimhaut. — In dem Eie des Huhnes,
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/34>, abgerufen am 24.11.2024.
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