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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Entstehung des Blutes und der Blutgefässe.
Rinne, die später einen geschlossenen Kanal darstellt und nach
der einen Seite hin die Hauptarterie, nach der andern die Haupt-
vene und in der Mitte das Herz darstellt. In diesem Gefässringe
bilde sich zuerst ein Kreislauf und das Gefässsystem vergrössere
sich dadurch, dass Gefässbogen entstehen, welche entweder mit
Arterien und Venen oder mit zwei Stellen derselben Arterie und
Vene sich verbinden. Aus diesem Gefässbogen entstehen dann
neue u. s. f. Ein Unterschied zwischen Arterie und Vene lasse
sich in frühester Zeit nur an entgegengesetzten Strömungen wahr-
nehmen.

11. Nach Joh. Müller (Physiol. I. Abth. I. S. 143.) liegt
zwischen dem serösen und dem Schleimblatte eine Körnerschicht,
welche sich bald in körnigte, dichte Inseln und durchsichtige
Zwischenräume zertheilt, in denen sich eine zuerst gelbliche, dann
rothe Flüssigkeit, das zuerst in der Area vasculosa deutliche
Blut, ansammelt. Er glaubt (S. 358.), dass die organische Sub-
stanz aufgelöstes Eiweiss und Faserstoff anziehe und so in Rin-
nen und feste Zwischenräume sich theile, wodurch neue Gefässe
entstehen. Die Behauptung dagegen, dass die Gefässenden sich
in die neue Masse verlängern sollen, sey durchaus unrichtig, da
es keine Blutgefässenden, sondern Uebergänge zwischen arteriö-
sen und venösen Strömchen giebt.

Muss nicht diese ungeheure Differenz der Ansichten uns leb-
haft an die von Nasse (Meckels Arch. II. S. 435.) und Burkhardt
(üb. das Blut und das Athmen. 1828. 8. S. 21.) schon gemachte
Vergleichung der Wandelbarkeit der Blutlehre mit dem Blute
selbst erinnern, welche Burdach (Physiol. IV. S. 13.) mit folgen-
den treffenden Worten ausdrückt? "Und in der That," sagt
dieser ausgezeichnete Naturforscher, "hat die Hämatologie ganz
den Charakter des Blutes selbst. Wie das Blut ein nie ruhender
Proteus ist und sich zu Allem und Jedem umzugestalten vermag,
so ist auch Nichts denkbar, was man nicht von ihm ausgesagt
hätte; hier ist keine Thatsache, die nicht geläugnet, keine Deu-
tung, die nicht durch eine andere bekämpft worden wäre; über
jeden Punkt wurden entgegengesetzte Erfahrungen und Ansichten
aufgestellt (S. 14.). Diese Erscheinungen, welche in der Litera-
tur anderer physiologischer Gegenstände keineswegs fehlen, aber
doch in der Lehre vom Blute am stärksten hervortreten, mögen
uns denn mahnen, mit Besonnenheit und Ruhe zu Werke zu ge-

Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse.
Rinne, die später einen geschlossenen Kanal darstellt und nach
der einen Seite hin die Hauptarterie, nach der andern die Haupt-
vene und in der Mitte das Herz darstellt. In diesem Gefäſsringe
bilde sich zuerst ein Kreislauf und das Gefäſssystem vergröſsere
sich dadurch, daſs Gefäſsbogen entstehen, welche entweder mit
Arterien und Venen oder mit zwei Stellen derselben Arterie und
Vene sich verbinden. Aus diesem Gefäſsbogen entstehen dann
neue u. s. f. Ein Unterschied zwischen Arterie und Vene lasse
sich in frühester Zeit nur an entgegengesetzten Strömungen wahr-
nehmen.

11. Nach Joh. Müller (Physiol. I. Abth. I. S. 143.) liegt
zwischen dem serösen und dem Schleimblatte eine Körnerschicht,
welche sich bald in körnigte, dichte Inseln und durchsichtige
Zwischenräume zertheilt, in denen sich eine zuerst gelbliche, dann
rothe Flüssigkeit, das zuerst in der Area vasculosa deutliche
Blut, ansammelt. Er glaubt (S. 358.), daſs die organische Sub-
stanz aufgelöstes Eiweiſs und Faserstoff anziehe und so in Rin-
nen und feste Zwischenräume sich theile, wodurch neue Gefäſse
entstehen. Die Behauptung dagegen, daſs die Gefäſsenden sich
in die neue Masse verlängern sollen, sey durchaus unrichtig, da
es keine Blutgefäſsenden, sondern Uebergänge zwischen arteriö-
sen und venösen Strömchen giebt.

Muſs nicht diese ungeheure Differenz der Ansichten uns leb-
haft an die von Nasse (Meckels Arch. II. S. 435.) und Burkhardt
(üb. das Blut und das Athmen. 1828. 8. S. 21.) schon gemachte
Vergleichung der Wandelbarkeit der Blutlehre mit dem Blute
selbst erinnern, welche Burdach (Physiol. IV. S. 13.) mit folgen-
den treffenden Worten ausdrückt? „Und in der That,“ sagt
dieser ausgezeichnete Naturforscher, „hat die Hämatologie ganz
den Charakter des Blutes selbst. Wie das Blut ein nie ruhender
Proteus ist und sich zu Allem und Jedem umzugestalten vermag,
so ist auch Nichts denkbar, was man nicht von ihm ausgesagt
hätte; hier ist keine Thatsache, die nicht geläugnet, keine Deu-
tung, die nicht durch eine andere bekämpft worden wäre; über
jeden Punkt wurden entgegengesetzte Erfahrungen und Ansichten
aufgestellt (S. 14.). Diese Erscheinungen, welche in der Litera-
tur anderer physiologischer Gegenstände keineswegs fehlen, aber
doch in der Lehre vom Blute am stärksten hervortreten, mögen
uns denn mahnen, mit Besonnenheit und Ruhe zu Werke zu ge-

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[285/0313] Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse. Rinne, die später einen geschlossenen Kanal darstellt und nach der einen Seite hin die Hauptarterie, nach der andern die Haupt- vene und in der Mitte das Herz darstellt. In diesem Gefäſsringe bilde sich zuerst ein Kreislauf und das Gefäſssystem vergröſsere sich dadurch, daſs Gefäſsbogen entstehen, welche entweder mit Arterien und Venen oder mit zwei Stellen derselben Arterie und Vene sich verbinden. Aus diesem Gefäſsbogen entstehen dann neue u. s. f. Ein Unterschied zwischen Arterie und Vene lasse sich in frühester Zeit nur an entgegengesetzten Strömungen wahr- nehmen. 11. Nach Joh. Müller (Physiol. I. Abth. I. S. 143.) liegt zwischen dem serösen und dem Schleimblatte eine Körnerschicht, welche sich bald in körnigte, dichte Inseln und durchsichtige Zwischenräume zertheilt, in denen sich eine zuerst gelbliche, dann rothe Flüssigkeit, das zuerst in der Area vasculosa deutliche Blut, ansammelt. Er glaubt (S. 358.), daſs die organische Sub- stanz aufgelöstes Eiweiſs und Faserstoff anziehe und so in Rin- nen und feste Zwischenräume sich theile, wodurch neue Gefäſse entstehen. Die Behauptung dagegen, daſs die Gefäſsenden sich in die neue Masse verlängern sollen, sey durchaus unrichtig, da es keine Blutgefäſsenden, sondern Uebergänge zwischen arteriö- sen und venösen Strömchen giebt. Muſs nicht diese ungeheure Differenz der Ansichten uns leb- haft an die von Nasse (Meckels Arch. II. S. 435.) und Burkhardt (üb. das Blut und das Athmen. 1828. 8. S. 21.) schon gemachte Vergleichung der Wandelbarkeit der Blutlehre mit dem Blute selbst erinnern, welche Burdach (Physiol. IV. S. 13.) mit folgen- den treffenden Worten ausdrückt? „Und in der That,“ sagt dieser ausgezeichnete Naturforscher, „hat die Hämatologie ganz den Charakter des Blutes selbst. Wie das Blut ein nie ruhender Proteus ist und sich zu Allem und Jedem umzugestalten vermag, so ist auch Nichts denkbar, was man nicht von ihm ausgesagt hätte; hier ist keine Thatsache, die nicht geläugnet, keine Deu- tung, die nicht durch eine andere bekämpft worden wäre; über jeden Punkt wurden entgegengesetzte Erfahrungen und Ansichten aufgestellt (S. 14.). Diese Erscheinungen, welche in der Litera- tur anderer physiologischer Gegenstände keineswegs fehlen, aber doch in der Lehre vom Blute am stärksten hervortreten, mögen uns denn mahnen, mit Besonnenheit und Ruhe zu Werke zu ge-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/313>, abgerufen am 22.11.2024.