den werden, so dass sie als dichtere isolirte Knöpfe neben der ganz durchsichtigen Nervenmasse erscheinen. Das erste Wirbel- rudiment entsteht dicht an der Umbeugungsstelle der Rückenplat- ten, doch so, dass nach vorn ein kleiner Raum für die hellere, durchsichtigere Masse übrig bleibt, und so stellt die Urform ein Paar Knöpfe oder einen Wirbel dar. Rasch vermehrt sich ihre Zahl sowohl oben, als unten, so dass das zuerst gebildete Wirbel- rudiment mehr nach der Mitte rückt, indem der Theil der Rük- kenplatten, welcher der Umbiegungsstelle nahe liegt, wahrschein- lich an Wachsthum bedeutend zunimmt. Doch bald wird die Anzahl der Wirbelrudimente nach hinten zu grösser, indem nach vorn die dichtere Masse verhältnissmässig stärker sich anhäuft, um die Schädelbasis zu bilden. Jede Hälfte verfolgt nun ihre ei- genthümliche Formation, und wir gehen daher
1. Zur Entstehung des Schädels über. Dieser bildet zuerst eine geschlossene Blase, welche die Flüssigkeit des künftigen Hir- nes umgiebt und alle Einbiegungen, wenn auch weniger tief, nachahmt, die von den Hirnblasen gebildet werden. Es concen- trirt sich die Massenanhäufung, wie an den Rückenwirbeln, gegen die Basis hin; ob auch, wie dort, in zwei seitlichen Hälften, die durch eine Mittellinie geschieden werden, wage ich nicht zu ent- scheiden. Doch halte ich dies nach meinen Untersuchungen und der Analogie wegen für wahrscheinlich. Der ganze Schädel scheint nun so aus einem membranösen gleichartigen Theile zu bestehen. Untersucht man aber in Weingeist erhärtete Hühnerembryonen vom dritten bis vierten Tage, so findet man folgende Verhältnisse: 1. Der vorderste Schädelwirbel ist nach vorn geschlossen und be- steht aus dem verhältnissmässig sehr grossen Stirntheile, welcher bedeutend nach vorn hervorragt, nach hinten und aussen dagegen durch eine von innen und unten nach oben und aussen laufende Kante begrenzt wird. Diese ist am oberen Theile die Scheidungs- linie zwischen der Hülle der Vierhügelzelle und der des grossen Gehirnes, nach unten dagegen die zwischen letzteren und dem sich eindrängenden Zwischenwirbel des Auges. 2. Vorn ist ein kleiner, schmaler, dreieckiger Raum, wahrscheinlich der künftige Zwischenwirbel der Nase. 3. Die Vierhügelblasenhülle ist fast gleichförmig rundlich und etwas kleiner als die vorhergehende. Ihre Seitenwände, die künftigen ossa parietalia, laufen nach in- nen spitz gegen einander und senken sich verhältnissmässig bedeu-
Schädel und Wirbelsäule.
den werden, so daſs sie als dichtere isolirte Knöpfe neben der ganz durchsichtigen Nervenmasse erscheinen. Das erste Wirbel- rudiment entsteht dicht an der Umbeugungsstelle der Rückenplat- ten, doch so, daſs nach vorn ein kleiner Raum für die hellere, durchsichtigere Masse übrig bleibt, und so stellt die Urform ein Paar Knöpfe oder einen Wirbel dar. Rasch vermehrt sich ihre Zahl sowohl oben, als unten, so daſs das zuerst gebildete Wirbel- rudiment mehr nach der Mitte rückt, indem der Theil der Rük- kenplatten, welcher der Umbiegungsstelle nahe liegt, wahrschein- lich an Wachsthum bedeutend zunimmt. Doch bald wird die Anzahl der Wirbelrudimente nach hinten zu gröſser, indem nach vorn die dichtere Masse verhältniſsmäſsig stärker sich anhäuft, um die Schädelbasis zu bilden. Jede Hälfte verfolgt nun ihre ei- genthümliche Formation, und wir gehen daher
1. Zur Entstehung des Schädels über. Dieser bildet zuerst eine geschlossene Blase, welche die Flüssigkeit des künftigen Hir- nes umgiebt und alle Einbiegungen, wenn auch weniger tief, nachahmt, die von den Hirnblasen gebildet werden. Es concen- trirt sich die Massenanhäufung, wie an den Rückenwirbeln, gegen die Basis hin; ob auch, wie dort, in zwei seitlichen Hälften, die durch eine Mittellinie geschieden werden, wage ich nicht zu ent- scheiden. Doch halte ich dies nach meinen Untersuchungen und der Analogie wegen für wahrscheinlich. Der ganze Schädel scheint nun so aus einem membranösen gleichartigen Theile zu bestehen. Untersucht man aber in Weingeist erhärtete Hühnerembryonen vom dritten bis vierten Tage, so findet man folgende Verhältnisse: 1. Der vorderste Schädelwirbel ist nach vorn geschlossen und be- steht aus dem verhältniſsmäſsig sehr groſsen Stirntheile, welcher bedeutend nach vorn hervorragt, nach hinten und auſsen dagegen durch eine von innen und unten nach oben und auſsen laufende Kante begrenzt wird. Diese ist am oberen Theile die Scheidungs- linie zwischen der Hülle der Vierhügelzelle und der des groſsen Gehirnes, nach unten dagegen die zwischen letzteren und dem sich eindrängenden Zwischenwirbel des Auges. 2. Vorn ist ein kleiner, schmaler, dreieckiger Raum, wahrscheinlich der künftige Zwischenwirbel der Nase. 3. Die Vierhügelblasenhülle ist fast gleichförmig rundlich und etwas kleiner als die vorhergehende. Ihre Seitenwände, die künftigen ossa parietalia, laufen nach in- nen spitz gegen einander und senken sich verhältniſsmäſsig bedeu-
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Schädel und Wirbelsäule.
den werden, so daſs sie als dichtere isolirte Knöpfe neben der
ganz durchsichtigen Nervenmasse erscheinen. Das erste Wirbel-
rudiment entsteht dicht an der Umbeugungsstelle der Rückenplat-
ten, doch so, daſs nach vorn ein kleiner Raum für die hellere,
durchsichtigere Masse übrig bleibt, und so stellt die Urform ein
Paar Knöpfe oder einen Wirbel dar. Rasch vermehrt sich ihre
Zahl sowohl oben, als unten, so daſs das zuerst gebildete Wirbel-
rudiment mehr nach der Mitte rückt, indem der Theil der Rük-
kenplatten, welcher der Umbiegungsstelle nahe liegt, wahrschein-
lich an Wachsthum bedeutend zunimmt. Doch bald wird die
Anzahl der Wirbelrudimente nach hinten zu gröſser, indem nach
vorn die dichtere Masse verhältniſsmäſsig stärker sich anhäuft,
um die Schädelbasis zu bilden. Jede Hälfte verfolgt nun ihre ei-
genthümliche Formation, und wir gehen daher
1. Zur Entstehung des Schädels über. Dieser bildet zuerst
eine geschlossene Blase, welche die Flüssigkeit des künftigen Hir-
nes umgiebt und alle Einbiegungen, wenn auch weniger tief,
nachahmt, die von den Hirnblasen gebildet werden. Es concen-
trirt sich die Massenanhäufung, wie an den Rückenwirbeln, gegen
die Basis hin; ob auch, wie dort, in zwei seitlichen Hälften, die
durch eine Mittellinie geschieden werden, wage ich nicht zu ent-
scheiden. Doch halte ich dies nach meinen Untersuchungen und
der Analogie wegen für wahrscheinlich. Der ganze Schädel scheint
nun so aus einem membranösen gleichartigen Theile zu bestehen.
Untersucht man aber in Weingeist erhärtete Hühnerembryonen
vom dritten bis vierten Tage, so findet man folgende Verhältnisse:
1. Der vorderste Schädelwirbel ist nach vorn geschlossen und be-
steht aus dem verhältniſsmäſsig sehr groſsen Stirntheile, welcher
bedeutend nach vorn hervorragt, nach hinten und auſsen dagegen
durch eine von innen und unten nach oben und auſsen laufende
Kante begrenzt wird. Diese ist am oberen Theile die Scheidungs-
linie zwischen der Hülle der Vierhügelzelle und der des groſsen
Gehirnes, nach unten dagegen die zwischen letzteren und dem
sich eindrängenden Zwischenwirbel des Auges. 2. Vorn ist ein
kleiner, schmaler, dreieckiger Raum, wahrscheinlich der künftige
Zwischenwirbel der Nase. 3. Die Vierhügelblasenhülle ist fast
gleichförmig rundlich und etwas kleiner als die vorhergehende.
Ihre Seitenwände, die künftigen ossa parietalia, laufen nach in-
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/249>, abgerufen am 23.11.2024.
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