Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Höhere Sinne. Ohr. sten Kiemenbogen, offen und stellt so das Urrudiment von Eusta-chischer Trompete und Paukenhöhle dar. Rathke (Isis 1828. S. 85.) trat früher bestimmt gegen diese Behauptung auf, und lehrte mit v. Bär (l. c. S. 106. bei Burdach S. 337.), dass der äussere Ge- hörgang durchaus nichts mit der Kiemenspalte zu thun habe und die Eustachische Trompete eine Ausstülpung der Mundhöhle sey. Nach seinen neuesten Beobachtungen (Anat.-physiol. Un- ters. über den Kiemenapparat und das Zungenbein. 1832. 4. S. 119. 120.) scheint er sich zu der richtigeren Ansicht hinzuneigen, während Burdach (Physiol. II. S. 466.) von theoretischer Seite aus Huschkes Meinung sich zuwendet. Wir glauben nämlich nach unseren Untersuchungen als gewiss annehmen zu müssen, dass die Eustachische Trompete der Rest der inneren Abtheilung des früheren ersten Kiemenspaltes ist. Dass aber die Paukenhöhle und der äussere Gehörgang sich aus der ganzen äusseren Abthei- lung des Kiemenspalttheiles bilde, müssen wir noch sehr in Zweifel ziehen. Denn wenn auch die Spalte zuerst nach hinten etwas wei- ter ist, so sieht man doch, sobald sie durch eine dünne Haut ge- schlossen worden, die äussere Andeutung der Ohröffnung nicht in einer Linie mit dieser verdünnten Hautstelle, sondern offenbar über ihr in der Substanz der hinteren Grenze des ersten Kie- menbogens selbst. Auch müsste, wenn die Oeffnung der Spalte selbst zur Ohröffnung würde, diese eine veränderte Richtung an- nehmen, da sie später in die frühere Spaltlinie sich nicht fortsetzt, sondern dieselbe unter einem schiefen Winkel schneidet, wie Husch- ke's eigene Abbildungen (Isis 1828. tab. 2. fig. 3. 4. e.) schon zeigen. Doch muss ich auch anderseits anführen, dass ich bei Menschen und Säugethieren nie beobachtete, dass die durchsichtige Linie sich unter oder hinter die äussere Ohröffnung fortsetzte und dass ich so mit Bestimmtheit den isolirten Ursprung des äusseren Gehörgan- ges wahrzunehmen keine Gelegenheit hatte. -- Die Eustachische Trompete ist, vermöge ihrer Genese, je jünger der Embryo, desto weiter und steigt zuerst von innen und oben nach aussen und unten hinab, erhält späterhin eine mehr horizontale und zuletzt eine mehr schiefe Richtung von unten und innen nach aussen und oben. Ihr Knorpelüberzug erscheint nach mir schon im dritten Monate, nach Burdach (l. c. S. 465.) erst im fünften. -- Die Bildung der Paukenhöhle erfolgt aus der äusseren Abtheilung der hohlen in die Mundhöhle sich öffnenden Kammer, deren innere Wand an die 14*
Höhere Sinne. Ohr. sten Kiemenbogen, offen und stellt so das Urrudiment von Eusta-chischer Trompete und Paukenhöhle dar. Rathke (Isis 1828. S. 85.) trat früher bestimmt gegen diese Behauptung auf, und lehrte mit v. Bär (l. c. S. 106. bei Burdach S. 337.), daſs der äuſsere Ge- hörgang durchaus nichts mit der Kiemenspalte zu thun habe und die Eustachische Trompete eine Ausstülpung der Mundhöhle sey. Nach seinen neuesten Beobachtungen (Anat.-physiol. Un- ters. über den Kiemenapparat und das Zungenbein. 1832. 4. S. 119. 120.) scheint er sich zu der richtigeren Ansicht hinzuneigen, während Burdach (Physiol. II. S. 466.) von theoretischer Seite aus Huschkes Meinung sich zuwendet. Wir glauben nämlich nach unseren Untersuchungen als gewiſs annehmen zu müssen, daſs die Eustachische Trompete der Rest der inneren Abtheilung des früheren ersten Kiemenspaltes ist. Daſs aber die Paukenhöhle und der äuſsere Gehörgang sich aus der ganzen äuſseren Abthei- lung des Kiemenspalttheiles bilde, müssen wir noch sehr in Zweifel ziehen. Denn wenn auch die Spalte zuerst nach hinten etwas wei- ter ist, so sieht man doch, sobald sie durch eine dünne Haut ge- schlossen worden, die äuſsere Andeutung der Ohröffnung nicht in einer Linie mit dieser verdünnten Hautstelle, sondern offenbar über ihr in der Substanz der hinteren Grenze des ersten Kie- menbogens selbst. Auch müſste, wenn die Oeffnung der Spalte selbst zur Ohröffnung würde, diese eine veränderte Richtung an- nehmen, da sie später in die frühere Spaltlinie sich nicht fortsetzt, sondern dieselbe unter einem schiefen Winkel schneidet, wie Husch- ke’s eigene Abbildungen (Isis 1828. tab. 2. fig. 3. 4. e.) schon zeigen. Doch muſs ich auch anderseits anführen, daſs ich bei Menschen und Säugethieren nie beobachtete, daſs die durchsichtige Linie sich unter oder hinter die äuſsere Ohröffnung fortsetzte und daſs ich so mit Bestimmtheit den isolirten Ursprung des äuſseren Gehörgan- ges wahrzunehmen keine Gelegenheit hatte. — Die Eustachische Trompete ist, vermöge ihrer Genese, je jünger der Embryo, desto weiter und steigt zuerst von innen und oben nach auſsen und unten hinab, erhält späterhin eine mehr horizontale und zuletzt eine mehr schiefe Richtung von unten und innen nach auſsen und oben. Ihr Knorpelüberzug erscheint nach mir schon im dritten Monate, nach Burdach (l. c. S. 465.) erst im fünften. — Die Bildung der Paukenhöhle erfolgt aus der äuſseren Abtheilung der hohlen in die Mundhöhle sich öffnenden Kammer, deren innere Wand an die 14*
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Höhere Sinne. Ohr.
sten Kiemenbogen, offen und stellt so das Urrudiment von Eusta-
chischer Trompete und Paukenhöhle dar. Rathke (Isis 1828. S.
85.) trat früher bestimmt gegen diese Behauptung auf, und lehrte mit
v. Bär (l. c. S. 106. bei Burdach S. 337.), daſs der äuſsere Ge-
hörgang durchaus nichts mit der Kiemenspalte zu thun habe und
die Eustachische Trompete eine Ausstülpung der Mundhöhle
sey. Nach seinen neuesten Beobachtungen (Anat.-physiol. Un-
ters. über den Kiemenapparat und das Zungenbein. 1832. 4. S.
119. 120.) scheint er sich zu der richtigeren Ansicht hinzuneigen,
während Burdach (Physiol. II. S. 466.) von theoretischer Seite
aus Huschkes Meinung sich zuwendet. Wir glauben nämlich
nach unseren Untersuchungen als gewiſs annehmen zu müssen,
daſs die Eustachische Trompete der Rest der inneren Abtheilung
des früheren ersten Kiemenspaltes ist. Daſs aber die Paukenhöhle
und der äuſsere Gehörgang sich aus der ganzen äuſseren Abthei-
lung des Kiemenspalttheiles bilde, müssen wir noch sehr in Zweifel
ziehen. Denn wenn auch die Spalte zuerst nach hinten etwas wei-
ter ist, so sieht man doch, sobald sie durch eine dünne Haut ge-
schlossen worden, die äuſsere Andeutung der Ohröffnung nicht in
einer Linie mit dieser verdünnten Hautstelle, sondern offenbar
über ihr in der Substanz der hinteren Grenze des ersten Kie-
menbogens selbst. Auch müſste, wenn die Oeffnung der Spalte
selbst zur Ohröffnung würde, diese eine veränderte Richtung an-
nehmen, da sie später in die frühere Spaltlinie sich nicht fortsetzt,
sondern dieselbe unter einem schiefen Winkel schneidet, wie Husch-
ke’s eigene Abbildungen (Isis 1828. tab. 2. fig. 3. 4. e.) schon zeigen.
Doch muſs ich auch anderseits anführen, daſs ich bei Menschen
und Säugethieren nie beobachtete, daſs die durchsichtige Linie
sich unter oder hinter die äuſsere Ohröffnung fortsetzte und daſs ich
so mit Bestimmtheit den isolirten Ursprung des äuſseren Gehörgan-
ges wahrzunehmen keine Gelegenheit hatte. — Die Eustachische
Trompete ist, vermöge ihrer Genese, je jünger der Embryo, desto
weiter und steigt zuerst von innen und oben nach auſsen und unten
hinab, erhält späterhin eine mehr horizontale und zuletzt eine
mehr schiefe Richtung von unten und innen nach auſsen und oben.
Ihr Knorpelüberzug erscheint nach mir schon im dritten Monate,
nach Burdach (l. c. S. 465.) erst im fünften. — Die Bildung der
Paukenhöhle erfolgt aus der äuſseren Abtheilung der hohlen in die
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