Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Gehirn und Rückenmark. sichtig, wird dagegen später (Anfang des dritten Monates) voneiner dünnen Marklamelle, welche ohne Zweifel sich von unten nach oben gegen die Mitte herumschlägt, bedeckt, wodurch die dritte Hirnzelle schon für sich selbst zu einem geschlossenen Markrohre wird. Diesen Zustand hat Girgensohn (Meck. Arch. 1827. S. 362.) aus einem dreimonatlichen Embryo genau beschrie- ben. Die Markplatte ist nach vorn zu dicker und G. ist geneigt, den Ursprung der Varolsbrücke aus ihr herzuleiten, was uns je- doch kaum wahrscheinlich zu seyn scheint. Sie ist schon von Tiedemann (l. c. S. 108.) um dieselbe Zeit des Fötuslebens er- kannt und wohl mit mehr Recht als Reils vorderes Markseegel oder die grosse Hirnklappe gedeutet worden. Die untere Hirn- klappe dagegen lässt er aus dem nach unten umgeschlagenen Rande des kleinen Gehirnes entstehen. Die Ursprünge der Gehörnerven, die taeniolae cinereae der Gebrüder Wenzel oder Burdachs Hör- ganglien kommen (Tiedemann l. c. S. 113.) im vierten bis fünf- ten Monate zuerst als zwei kleine längliche Erhabenheiten zum Vorschein. Doch sah Wenzel (l. c. p. 184.) ihre ersten An- deutungen schon im dritten Monate. Die hinter ihnen liegenden weissen markigen Streifen dagegen konnten weder Wenzel (l. c. p. 189.) noch Tiedemann (l. c. p. 113.) vor der Geburt wahrneh- men. -- Die Massenanhäufung geht also hier ursprünglich von den Visceralsträngen aus, wird aber durch das am vorderen, der Gegend des Trichters näheren Ende entstehende kleine Gehirn wesentlich modificirt. Wir müssen daher, wenn wir auch nicht mit Burdach (de foetu humano p. 6.) die einzelnen hier im Er- wachsenen liegenden Theile als bestimmend aufzuzählen wagen, doch die hohe Wichtigkeit dieser in der Mitte der Schädelbasis überhaupt gelegenen Gegend anerkennen. -- Interessant ist noch eine Vergleichung des grossen und des kleinen Gehirnes. Denn während hier die Ganglien späterer Entstehung sind, sind sie dort früher gegeben und wohl nur deshalb, weil sie dort in dem Ausgangspunkte der Bildung, in jeder Hemisphäre nach der Mitte des ganzen Gehirnes zu, liegen, während diese Stelle in dem klei- nen Gehirne der künftige Wurm einnimmt. Die dann seitlich gelagerte Markmasse kommt daher verhältnissmässig viel später zur Ausbildung -- der deutlichste Beweis, wie sehr in der ersten Zeit jede Lagenveränderung, als das morphologische Verhältniss, über alle histiologische Sonderung die Oberhand behauptet. -- Gehirn und Rückenmark. sichtig, wird dagegen später (Anfang des dritten Monates) voneiner dünnen Marklamelle, welche ohne Zweifel sich von unten nach oben gegen die Mitte herumschlägt, bedeckt, wodurch die dritte Hirnzelle schon für sich selbst zu einem geschlossenen Markrohre wird. Diesen Zustand hat Girgensohn (Meck. Arch. 1827. S. 362.) aus einem dreimonatlichen Embryo genau beschrie- ben. Die Markplatte ist nach vorn zu dicker und G. ist geneigt, den Ursprung der Varolsbrücke aus ihr herzuleiten, was uns je- doch kaum wahrscheinlich zu seyn scheint. Sie ist schon von Tiedemann (l. c. S. 108.) um dieselbe Zeit des Fötuslebens er- kannt und wohl mit mehr Recht als Reils vorderes Markseegel oder die groſse Hirnklappe gedeutet worden. Die untere Hirn- klappe dagegen läſst er aus dem nach unten umgeschlagenen Rande des kleinen Gehirnes entstehen. Die Ursprünge der Gehörnerven, die taeniolae cinereae der Gebrüder Wenzel oder Burdachs Hör- ganglien kommen (Tiedemann l. c. S. 113.) im vierten bis fünf- ten Monate zuerst als zwei kleine längliche Erhabenheiten zum Vorschein. Doch sah Wenzel (l. c. p. 184.) ihre ersten An- deutungen schon im dritten Monate. Die hinter ihnen liegenden weiſsen markigen Streifen dagegen konnten weder Wenzel (l. c. p. 189.) noch Tiedemann (l. c. p. 113.) vor der Geburt wahrneh- men. — Die Massenanhäufung geht also hier ursprünglich von den Visceralsträngen aus, wird aber durch das am vorderen, der Gegend des Trichters näheren Ende entstehende kleine Gehirn wesentlich modificirt. Wir müssen daher, wenn wir auch nicht mit Burdach (de foetu humano p. 6.) die einzelnen hier im Er- wachsenen liegenden Theile als bestimmend aufzuzählen wagen, doch die hohe Wichtigkeit dieser in der Mitte der Schädelbasis überhaupt gelegenen Gegend anerkennen. — Interessant ist noch eine Vergleichung des groſsen und des kleinen Gehirnes. Denn während hier die Ganglien späterer Entstehung sind, sind sie dort früher gegeben und wohl nur deshalb, weil sie dort in dem Ausgangspunkte der Bildung, in jeder Hemisphäre nach der Mitte des ganzen Gehirnes zu, liegen, während diese Stelle in dem klei- nen Gehirne der künftige Wurm einnimmt. Die dann seitlich gelagerte Markmasse kommt daher verhältniſsmäſsig viel später zur Ausbildung — der deutlichste Beweis, wie sehr in der ersten Zeit jede Lagenveränderung, als das morphologische Verhältniſs, über alle histiologische Sonderung die Oberhand behauptet. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0203" n="175"/><fw place="top" type="header">Gehirn und Rückenmark.</fw><lb/> sichtig, wird dagegen später (Anfang des dritten Monates) von<lb/> einer dünnen Marklamelle, welche ohne Zweifel sich von unten<lb/> nach oben gegen die Mitte herumschlägt, bedeckt, wodurch die<lb/> dritte Hirnzelle schon für sich selbst zu einem geschlossenen<lb/> Markrohre wird. Diesen Zustand hat Girgensohn (Meck. Arch.<lb/> 1827. S. 362.) aus einem dreimonatlichen Embryo genau beschrie-<lb/> ben. Die Markplatte ist nach vorn zu dicker und G. ist geneigt,<lb/> den Ursprung der Varolsbrücke aus ihr herzuleiten, was uns je-<lb/> doch kaum wahrscheinlich zu seyn scheint. 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Gehirn und Rückenmark.
sichtig, wird dagegen später (Anfang des dritten Monates) von
einer dünnen Marklamelle, welche ohne Zweifel sich von unten
nach oben gegen die Mitte herumschlägt, bedeckt, wodurch die
dritte Hirnzelle schon für sich selbst zu einem geschlossenen
Markrohre wird. Diesen Zustand hat Girgensohn (Meck. Arch.
1827. S. 362.) aus einem dreimonatlichen Embryo genau beschrie-
ben. Die Markplatte ist nach vorn zu dicker und G. ist geneigt,
den Ursprung der Varolsbrücke aus ihr herzuleiten, was uns je-
doch kaum wahrscheinlich zu seyn scheint. Sie ist schon von
Tiedemann (l. c. S. 108.) um dieselbe Zeit des Fötuslebens er-
kannt und wohl mit mehr Recht als Reils vorderes Markseegel
oder die groſse Hirnklappe gedeutet worden. Die untere Hirn-
klappe dagegen läſst er aus dem nach unten umgeschlagenen Rande
des kleinen Gehirnes entstehen. Die Ursprünge der Gehörnerven,
die taeniolae cinereae der Gebrüder Wenzel oder Burdachs Hör-
ganglien kommen (Tiedemann l. c. S. 113.) im vierten bis fünf-
ten Monate zuerst als zwei kleine längliche Erhabenheiten zum
Vorschein. Doch sah Wenzel (l. c. p. 184.) ihre ersten An-
deutungen schon im dritten Monate. Die hinter ihnen liegenden
weiſsen markigen Streifen dagegen konnten weder Wenzel (l. c.
p. 189.) noch Tiedemann (l. c. p. 113.) vor der Geburt wahrneh-
men. — Die Massenanhäufung geht also hier ursprünglich von
den Visceralsträngen aus, wird aber durch das am vorderen, der
Gegend des Trichters näheren Ende entstehende kleine Gehirn
wesentlich modificirt. Wir müssen daher, wenn wir auch nicht
mit Burdach (de foetu humano p. 6.) die einzelnen hier im Er-
wachsenen liegenden Theile als bestimmend aufzuzählen wagen,
doch die hohe Wichtigkeit dieser in der Mitte der Schädelbasis
überhaupt gelegenen Gegend anerkennen. — Interessant ist noch
eine Vergleichung des groſsen und des kleinen Gehirnes. Denn
während hier die Ganglien späterer Entstehung sind, sind sie
dort früher gegeben und wohl nur deshalb, weil sie dort in dem
Ausgangspunkte der Bildung, in jeder Hemisphäre nach der Mitte
des ganzen Gehirnes zu, liegen, während diese Stelle in dem klei-
nen Gehirne der künftige Wurm einnimmt. Die dann seitlich
gelagerte Markmasse kommt daher verhältniſsmäſsig viel später
zur Ausbildung — der deutlichste Beweis, wie sehr in der ersten
Zeit jede Lagenveränderung, als das morphologische Verhältniſs,
über alle histiologische Sonderung die Oberhand behauptet. —
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