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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
Meckel (Arch. I. S. 45.) am Schaafe und Tiedemann (l. c. S.
19. tab. 1. fig. 5. d. fig. 8. c. fig. 9. 10. 11. b.) am Menschen
beschrieben. Die obere Zusammenwachsung bedeckt jedoch nur
einen Theil der Rautengrube. Unablässig setzt sich nun solidere
Masse an diese beiden Blätter von unten und innen nach oben
und aussen an, so dass sie an den Seiten immer mehr kugelig
anschwellen, während das Innere derselben bis zum Anfange des
vierten Monates hohl d. h. mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ist
auch Carus (l. c. S. 285.) Beobachtung zu deuten, dass die Mark-
kerne oder Ciliarkörper im vierten Monate hohl und, was auch
Tiedemann bestätigt (l. c. S. 104.), überaus gefässreich seyen.
Das Letztere hat Serres zu dem schon von Burdach (Physiol. II.
S. 424.) hinlänglich widerlegten Ausspruche verleitet, dass das
kleine Gehirn aus der Wirbelarterie entstehe. Im fünften Monate
geht nun die Sonderung weiter vor sich, so dass der im vierten
schon angedeutete Unterschied von Wurm und Hemisphären kennt-
licher wird. Die Einsenkung der Gefässhaut und die dadurch
bedingte Entstehung der Lappen ist schon etwas früher, zu An-
fange des vierten Monates, gegeben. Im Inneren dagegen setzt
sich immer reichlichere Markmasse an, so dass die Höhlung stets
kleiner wird und im sechsten oder siebenten Monate ganz ver-
schwindet. Der mittlere Theil, der Wurm, bleibt gegen die He-
misphären in der Entwickelung zurück und lässt erst im sieben-
ten Monate nach Tiedemann (l. c. S. 106.) die von Reil in ihm
beschriebenen Theile, das Knötchen, den Zapfen, die Pyramide
und die kurzen Querbänder mit Deutlichkeit erkennen. Die Son-
derung der Hemisphären in Lappen, Aeste und Zweige wird eben-
falls vor dem achten Monate nicht vollendet. Die Markkerne
selbst treiben (Tiedemann l. c. S. 106. 107.), sobald sie angelegt
sind, Fortsetzungen nach unten, welche einander begegnen und
eine schmale, aber ziemlich breite Commissur darstellen. Diese
verlängert sich, wird noch breiter und dicker und stellt so die Va-
rolsbrücke, die ich im fünften Monate schon deutlich erkannte, dar.
Im Laufe der Entwickelung legt sich auch an sie, wie an die
übrigen Hirntheile, eine Schicht von Belegungsmasse von aussen
an. -- Wir haben so die Veränderungen der dritten Hirnzelle, so
weit sie die Unterfläche und die aus ihr hervorgehenden Theile
betreffen, betrachtet und müssen nun noch die Metamorphosen
der Oberfläche durchgehen. Diese bleibt zu Anfange noch durch-

Von dem Embryo.
Meckel (Arch. I. S. 45.) am Schaafe und Tiedemann (l. c. S.
19. tab. 1. fig. 5. d. fig. 8. c. fig. 9. 10. 11. b.) am Menschen
beschrieben. Die obere Zusammenwachsung bedeckt jedoch nur
einen Theil der Rautengrube. Unablässig setzt sich nun solidere
Masse an diese beiden Blätter von unten und innen nach oben
und auſsen an, so daſs sie an den Seiten immer mehr kugelig
anschwellen, während das Innere derselben bis zum Anfange des
vierten Monates hohl d. h. mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ist
auch Carus (l. c. S. 285.) Beobachtung zu deuten, daſs die Mark-
kerne oder Ciliarkörper im vierten Monate hohl und, was auch
Tiedemann bestätigt (l. c. S. 104.), überaus gefäſsreich seyen.
Das Letztere hat Serres zu dem schon von Burdach (Physiol. II.
S. 424.) hinlänglich widerlegten Ausspruche verleitet, daſs das
kleine Gehirn aus der Wirbelarterie entstehe. Im fünften Monate
geht nun die Sonderung weiter vor sich, so daſs der im vierten
schon angedeutete Unterschied von Wurm und Hemisphären kennt-
licher wird. Die Einsenkung der Gefäſshaut und die dadurch
bedingte Entstehung der Lappen ist schon etwas früher, zu An-
fange des vierten Monates, gegeben. Im Inneren dagegen setzt
sich immer reichlichere Markmasse an, so daſs die Höhlung stets
kleiner wird und im sechsten oder siebenten Monate ganz ver-
schwindet. Der mittlere Theil, der Wurm, bleibt gegen die He-
misphären in der Entwickelung zurück und läſst erst im sieben-
ten Monate nach Tiedemann (l. c. S. 106.) die von Reil in ihm
beschriebenen Theile, das Knötchen, den Zapfen, die Pyramide
und die kurzen Querbänder mit Deutlichkeit erkennen. Die Son-
derung der Hemisphären in Lappen, Aeste und Zweige wird eben-
falls vor dem achten Monate nicht vollendet. Die Markkerne
selbst treiben (Tiedemann l. c. S. 106. 107.), sobald sie angelegt
sind, Fortsetzungen nach unten, welche einander begegnen und
eine schmale, aber ziemlich breite Commissur darstellen. Diese
verlängert sich, wird noch breiter und dicker und stellt so die Va-
rolsbrücke, die ich im fünften Monate schon deutlich erkannte, dar.
Im Laufe der Entwickelung legt sich auch an sie, wie an die
übrigen Hirntheile, eine Schicht von Belegungsmasse von auſsen
an. — Wir haben so die Veränderungen der dritten Hirnzelle, so
weit sie die Unterfläche und die aus ihr hervorgehenden Theile
betreffen, betrachtet und müssen nun noch die Metamorphosen
der Oberfläche durchgehen. Diese bleibt zu Anfange noch durch-

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[174/0202] Von dem Embryo. Meckel (Arch. I. S. 45.) am Schaafe und Tiedemann (l. c. S. 19. tab. 1. fig. 5. d. fig. 8. c. fig. 9. 10. 11. b.) am Menschen beschrieben. Die obere Zusammenwachsung bedeckt jedoch nur einen Theil der Rautengrube. Unablässig setzt sich nun solidere Masse an diese beiden Blätter von unten und innen nach oben und auſsen an, so daſs sie an den Seiten immer mehr kugelig anschwellen, während das Innere derselben bis zum Anfange des vierten Monates hohl d. h. mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ist auch Carus (l. c. S. 285.) Beobachtung zu deuten, daſs die Mark- kerne oder Ciliarkörper im vierten Monate hohl und, was auch Tiedemann bestätigt (l. c. S. 104.), überaus gefäſsreich seyen. Das Letztere hat Serres zu dem schon von Burdach (Physiol. II. S. 424.) hinlänglich widerlegten Ausspruche verleitet, daſs das kleine Gehirn aus der Wirbelarterie entstehe. Im fünften Monate geht nun die Sonderung weiter vor sich, so daſs der im vierten schon angedeutete Unterschied von Wurm und Hemisphären kennt- licher wird. Die Einsenkung der Gefäſshaut und die dadurch bedingte Entstehung der Lappen ist schon etwas früher, zu An- fange des vierten Monates, gegeben. Im Inneren dagegen setzt sich immer reichlichere Markmasse an, so daſs die Höhlung stets kleiner wird und im sechsten oder siebenten Monate ganz ver- schwindet. Der mittlere Theil, der Wurm, bleibt gegen die He- misphären in der Entwickelung zurück und läſst erst im sieben- ten Monate nach Tiedemann (l. c. S. 106.) die von Reil in ihm beschriebenen Theile, das Knötchen, den Zapfen, die Pyramide und die kurzen Querbänder mit Deutlichkeit erkennen. Die Son- derung der Hemisphären in Lappen, Aeste und Zweige wird eben- falls vor dem achten Monate nicht vollendet. Die Markkerne selbst treiben (Tiedemann l. c. S. 106. 107.), sobald sie angelegt sind, Fortsetzungen nach unten, welche einander begegnen und eine schmale, aber ziemlich breite Commissur darstellen. Diese verlängert sich, wird noch breiter und dicker und stellt so die Va- rolsbrücke, die ich im fünften Monate schon deutlich erkannte, dar. Im Laufe der Entwickelung legt sich auch an sie, wie an die übrigen Hirntheile, eine Schicht von Belegungsmasse von auſsen an. — Wir haben so die Veränderungen der dritten Hirnzelle, so weit sie die Unterfläche und die aus ihr hervorgehenden Theile betreffen, betrachtet und müssen nun noch die Metamorphosen der Oberfläche durchgehen. Diese bleibt zu Anfange noch durch-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/202>, abgerufen am 24.11.2024.