Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Zweytes Buch. So wüthen auch die zügellosen Triebe, Die uns Natur mitleidig eingesenkt. Sie brechen los; und Recht und Menschenliebe, Was heilig ist, wird unbereüt gekränkt. Nicht ungestraft! der Frevelthaten Menge Bestraft in uns ein Richter voller Strenge. Die Furien, in deren blutgen Händen, Stets fürchterlich, die Dornen-Peitsche braust, Verfolgen ihn, wann zwischen Marmor-Wänden Der Lüste Sklav erraubtes Gut verschmaust. Sein Aug entschläft: sein wachendes Gewissen Stört seinen Schlaf mit gelber Nattern Bissen. Unselig Glück! o ungeliebtes Leben! Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt. Der Weise muß nach ächtern Freuden streben, Die Klugheit würzt und Reue nicht vergällt. Bin ich gesund an Leib und an Gemüthe; So dank ich froh des Himmels milder Güte. Wie thörigt ist, sich vieles nöthig machen, Da die Natur nur weniges verlangt? Jch werde satt und kann mit Freunden lachen, Obgleich mein Tisch nicht fürstenmäßig prangt. Muß edler Wein, den Blut und Seele fühlen, Den eklen Durst allein aus Golde kühlen? Gold E 3
Zweytes Buch. So wuͤthen auch die zuͤgelloſen Triebe, Die uns Natur mitleidig eingeſenkt. Sie brechen los; und Recht und Menſchenliebe, Was heilig iſt, wird unbereuͤt gekraͤnkt. Nicht ungeſtraft! der Frevelthaten Menge Beſtraft in uns ein Richter voller Strenge. Die Furien, in deren blutgen Haͤnden, Stets fuͤrchterlich, die Dornen-Peitſche brauſt, Verfolgen ihn, wann zwiſchen Marmor-Waͤnden Der Luͤſte Sklav erraubtes Gut verſchmauſt. Sein Aug entſchlaͤft: ſein wachendes Gewiſſen Stoͤrt ſeinen Schlaf mit gelber Nattern Biſſen. Unſelig Gluͤck! o ungeliebtes Leben! Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt. Der Weiſe muß nach aͤchtern Freuden ſtreben, Die Klugheit wuͤrzt und Reue nicht vergaͤllt. Bin ich geſund an Leib und an Gemuͤthe; So dank ich froh des Himmels milder Guͤte. Wie thoͤrigt iſt, ſich vieles noͤthig machen, Da die Natur nur weniges verlangt? Jch werde ſatt und kann mit Freunden lachen, Obgleich mein Tiſch nicht fuͤrſtenmaͤßig prangt. Muß edler Wein, den Blut und Seele fuͤhlen, Den eklen Durſt allein aus Golde kuͤhlen? Gold E 3
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Zweytes Buch.
So wuͤthen auch die zuͤgelloſen Triebe,
Die uns Natur mitleidig eingeſenkt.
Sie brechen los; und Recht und Menſchenliebe,
Was heilig iſt, wird unbereuͤt gekraͤnkt.
Nicht ungeſtraft! der Frevelthaten Menge
Beſtraft in uns ein Richter voller Strenge.
Die Furien, in deren blutgen Haͤnden,
Stets fuͤrchterlich, die Dornen-Peitſche brauſt,
Verfolgen ihn, wann zwiſchen Marmor-Waͤnden
Der Luͤſte Sklav erraubtes Gut verſchmauſt.
Sein Aug entſchlaͤft: ſein wachendes Gewiſſen
Stoͤrt ſeinen Schlaf mit gelber Nattern Biſſen.
Unſelig Gluͤck! o ungeliebtes Leben!
Dergleichen Qual bezahlt kein Schatz der Welt.
Der Weiſe muß nach aͤchtern Freuden ſtreben,
Die Klugheit wuͤrzt und Reue nicht vergaͤllt.
Bin ich geſund an Leib und an Gemuͤthe;
So dank ich froh des Himmels milder Guͤte.
Wie thoͤrigt iſt, ſich vieles noͤthig machen,
Da die Natur nur weniges verlangt?
Jch werde ſatt und kann mit Freunden lachen,
Obgleich mein Tiſch nicht fuͤrſtenmaͤßig prangt.
Muß edler Wein, den Blut und Seele fuͤhlen,
Den eklen Durſt allein aus Golde kuͤhlen?
Gold
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Zitationshilfe: | Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/83>, abgerufen am 17.07.2024. |