Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Lyrische Gedichte An Venus. OGöttinn, die in Amathunt Und über Paphos herrscht, du Mutter süsser Kla- gen! Wie lang soll ieder rauher Mund Jm Ton Anakreons dich zu besingen wagen? Wenn manche deutsche Muse nun Von Lieb und Küssen singt; wie eckelt mir vor Küssen! Gib acht, wie, wann sie artig thun Und schalkhaft tändeln will, die Mädchen gähnen müssen! Jhr ist Lyäus unbekannt; Sie sieht so nüchtern aus, als Wasser, ihr Getränke. Doch jauchzt sie, als vom Wein entbrannt, Und jauchzt, wie ein Student in schwarzberauchter Schen- ke. Unleidlich sträubt sich ieder Ton: Jhr träger Witz gebiert nur wörterreiche Sätze. Nie war dein Freund Anakreon So schwatzhaft, obgleich ält; und Amor hasst Geschwätze. Die
Lyriſche Gedichte An Venus. OGoͤttinn, die in Amathunt Und uͤber Paphos herrſcht, du Mutter ſuͤſſer Kla- gen! Wie lang ſoll ieder rauher Mund Jm Ton Anakreons dich zu beſingen wagen? Wenn manche deutſche Muſe nun Von Lieb und Kuͤſſen ſingt; wie eckelt mir vor Kuͤſſen! Gib acht, wie, wann ſie artig thun Und ſchalkhaft taͤndeln will, die Maͤdchen gaͤhnen muͤſſen! Jhr iſt Lyaͤus unbekannt; Sie ſieht ſo nuͤchtern aus, als Waſſer, ihr Getraͤnke. Doch jauchzt ſie, als vom Wein entbrannt, Und jauchzt, wie ein Student in ſchwarzberauchter Schen- ke. Unleidlich ſtraͤubt ſich ieder Ton: Jhr traͤger Witz gebiert nur woͤrterreiche Saͤtze. Nie war dein Freund Anakreon So ſchwatzhaft, obgleich aͤlt; und Amor haſſt Geſchwaͤtze. Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0074" n="60"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Lyriſche Gedichte</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">An Venus.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">O</hi>Goͤttinn, die in Amathunt</l><lb/> <l>Und uͤber Paphos herrſcht, du Mutter ſuͤſſer Kla-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gen!</hi> </l><lb/> <l>Wie lang ſoll ieder rauher Mund</l><lb/> <l>Jm Ton Anakreons dich zu beſingen wagen?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l><hi rendition="#in">W</hi>enn manche deutſche Muſe nun</l><lb/> <l>Von Lieb und Kuͤſſen ſingt; wie eckelt mir vor Kuͤſſen!</l><lb/> <l>Gib acht, wie, wann ſie artig thun</l><lb/> <l>Und ſchalkhaft taͤndeln will, die Maͤdchen gaͤhnen muͤſſen!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l><hi rendition="#in">J</hi>hr iſt Lyaͤus unbekannt;</l><lb/> <l>Sie ſieht ſo nuͤchtern aus, als Waſſer, ihr Getraͤnke.</l><lb/> <l>Doch jauchzt ſie, als vom Wein entbrannt,</l><lb/> <l>Und jauchzt, wie ein Student in ſchwarzberauchter Schen-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ke.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l><hi rendition="#in">U</hi>nleidlich ſtraͤubt ſich ieder Ton:</l><lb/> <l>Jhr traͤger Witz gebiert nur woͤrterreiche Saͤtze.</l><lb/> <l>Nie war dein Freund Anakreon</l><lb/> <l>So ſchwatzhaft, obgleich aͤlt; und Amor haſſt Geſchwaͤtze.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0074]
Lyriſche Gedichte
An Venus.
OGoͤttinn, die in Amathunt
Und uͤber Paphos herrſcht, du Mutter ſuͤſſer Kla-
gen!
Wie lang ſoll ieder rauher Mund
Jm Ton Anakreons dich zu beſingen wagen?
Wenn manche deutſche Muſe nun
Von Lieb und Kuͤſſen ſingt; wie eckelt mir vor Kuͤſſen!
Gib acht, wie, wann ſie artig thun
Und ſchalkhaft taͤndeln will, die Maͤdchen gaͤhnen muͤſſen!
Jhr iſt Lyaͤus unbekannt;
Sie ſieht ſo nuͤchtern aus, als Waſſer, ihr Getraͤnke.
Doch jauchzt ſie, als vom Wein entbrannt,
Und jauchzt, wie ein Student in ſchwarzberauchter Schen-
ke.
Unleidlich ſtraͤubt ſich ieder Ton:
Jhr traͤger Witz gebiert nur woͤrterreiche Saͤtze.
Nie war dein Freund Anakreon
So ſchwatzhaft, obgleich aͤlt; und Amor haſſt Geſchwaͤtze.
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |