Wie? Sie haben meinen Nahmen auf dem Parnaß gehört? Jch soll daselbst nicht ganz unbekannt, nicht ganz ausser Achtung seyn? So zuverläs- sig Jhre Nachrichten von einem Orte, wo sie einen so hohen Platz behaupten, mir mit Recht scheinen müssen, so kann ich doch diese nur für einen freundschaftlichen Scherz ansehen. Wie könnte ich eine Parthey auf dem deutschen Parnaß haben, da hier alles durch Cabalen zugeht, und ich hingegen ein Feind aller solchen kleinen Rottie- rungen bin? Jnzwischen hat Jhre sinnreiche Dichtung mich ungemein ergetzet. Weil ich den ganzen Tag über damit beschäftiget gewesen; so ist meine Seele selbst im Schlafe damit fortgefahren, hat dasjenige, was ich zu verschiedenen Zeiten und stückweise gedacht, in eine be- sondere Vorstellung zusammengehänget, und folgenden Traum gebildet.
Jch schleiche mich aus einem Hayn, Wo Myrthen unter Lorbeern rauschen, Und Liebesgott und Satyr lauschen, Jn einen lichten Tempel ein. Die Musen lachen mir entgegen: Jn Marmor nachgeahmt, scheint iede sich zu regen, Und mehr, als bloßer Stein, zu seyn.
Der
Briefe.
An Herrn Hofrath C*
Wie? Sie haben meinen Nahmen auf dem Parnaß gehoͤrt? Jch ſoll daſelbſt nicht ganz unbekannt, nicht ganz auſſer Achtung ſeyn? So zuverlaͤſ- ſig Jhre Nachrichten von einem Orte, wo ſie einen ſo hohen Platz behaupten, mir mit Recht ſcheinen muͤſſen, ſo kann ich doch dieſe nur fuͤr einen freundſchaftlichen Scherz anſehen. Wie koͤnnte ich eine Parthey auf dem deutſchen Parnaß haben, da hier alles durch Cabalen zugeht, und ich hingegen ein Feind aller ſolchen kleinen Rottie- rungen bin? Jnzwiſchen hat Jhre ſinnreiche Dichtung mich ungemein ergetzet. Weil ich den ganzen Tag uͤber damit beſchaͤftiget geweſen; ſo iſt meine Seele ſelbſt im Schlafe damit fortgefahren, hat dasjenige, was ich zu verſchiedenen Zeiten und ſtuͤckweiſe gedacht, in eine be- ſondere Vorſtellung zuſammengehaͤnget, und folgenden Traum gebildet.
Jch ſchleiche mich aus einem Hayn, Wo Myrthen unter Lorbeern rauſchen, Und Liebesgott und Satyr lauſchen, Jn einen lichten Tempel ein. Die Muſen lachen mir entgegen: Jn Marmor nachgeahmt, ſcheint iede ſich zu regen, Und mehr, als bloßer Stein, zu ſeyn.
Der
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Briefe.
An Herrn Hofrath C*
Wie? Sie haben meinen Nahmen auf dem Parnaß
gehoͤrt? Jch ſoll daſelbſt nicht ganz unbekannt,
nicht ganz auſſer Achtung ſeyn? So zuverlaͤſ-
ſig Jhre Nachrichten von einem Orte, wo ſie einen ſo
hohen Platz behaupten, mir mit Recht ſcheinen muͤſſen,
ſo kann ich doch dieſe nur fuͤr einen freundſchaftlichen
Scherz anſehen. Wie koͤnnte ich eine Parthey auf dem
deutſchen Parnaß haben, da hier alles durch Cabalen zugeht,
und ich hingegen ein Feind aller ſolchen kleinen Rottie-
rungen bin? Jnzwiſchen hat Jhre ſinnreiche Dichtung
mich ungemein ergetzet. Weil ich den ganzen Tag uͤber
damit beſchaͤftiget geweſen; ſo iſt meine Seele ſelbſt im
Schlafe damit fortgefahren, hat dasjenige, was ich zu
verſchiedenen Zeiten und ſtuͤckweiſe gedacht, in eine be-
ſondere Vorſtellung zuſammengehaͤnget, und folgenden
Traum gebildet.
Jch ſchleiche mich aus einem Hayn,
Wo Myrthen unter Lorbeern rauſchen,
Und Liebesgott und Satyr lauſchen,
Jn einen lichten Tempel ein.
Die Muſen lachen mir entgegen:
Jn Marmor nachgeahmt, ſcheint iede ſich zu regen,
Und mehr, als bloßer Stein, zu ſeyn.
Der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]
Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung erschien 1749. Die hier zugrunde gelegte spätere Ausgabe von 1755 ist um einige wichtige Gedichte vermehrt und wurde deshalb zur Digitalisierung ausgewählt. Erstausgaben sind u. a. in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel nachgewiesen.
Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/249>, abgerufen am 16.02.2025.
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