Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Briefe
Mit Bluhmen ewig feste binden,
Zu seiner andern Sklaven Schaar.

Laß von den Grazien die eine Gattinn wählen,
Die nicht von den gemeinen Seelen,
Bloß wirthlich, reich, vielleicht getreu,
Doch ohne Zärtlichkeit und lauter Pöbel sey.
Zwar wir, wie unsre Väter, wissen
Von keinen englischen Clarissen:
An ihre Würde reicht kein sterblich Mädchen hin.
Ach! Harlows Tochter starb! auf Erden war kein Gatte
Für diese, die nichts weiblichs hatte,
Als Reizungen und Eigensinn.
Du, Freund! bist selbst ein Mensch, und wirst ein
menschlich Wesen
Zu einer Gattinn dir erlesen:
Zu glücklich, wenn sie dir, vom Himmel mild bedacht,
Jn einem holden Leib, zu schlauer Lust gemacht,
Auch eine Seele zugebracht,
Die denkt und edel denkt, die Tugend liebt und kennet,
Und dich, als Freundinn, liebt, wenn sie dich Gatten
nennet!
O Wollust, nicht bloß einer Nacht!
Die Tage werden dir in ihrem Arm verschleichen,
So ruhig, als ein Bach, der unter finstern Sträuchen,
Von hohen Bäumen rund umwacht,
Stets ungerunzelt lacht:
Hoch über ihm hinweg braust unter nahen Eichen
Der schwarzen Stürme Wuth, die niemals ihn erreichen.
An

Briefe
Mit Bluhmen ewig feſte binden,
Zu ſeiner andern Sklaven Schaar.

Laß von den Grazien die eine Gattinn waͤhlen,
Die nicht von den gemeinen Seelen,
Bloß wirthlich, reich, vielleicht getreu,
Doch ohne Zaͤrtlichkeit und lauter Poͤbel ſey.
Zwar wir, wie unſre Vaͤter, wiſſen
Von keinen engliſchen Clariſſen:
An ihre Wuͤrde reicht kein ſterblich Maͤdchen hin.
Ach! Harlows Tochter ſtarb! auf Erden war kein Gatte
Fuͤr dieſe, die nichts weiblichs hatte,
Als Reizungen und Eigenſinn.
Du, Freund! biſt ſelbſt ein Menſch, und wirſt ein
menſchlich Weſen
Zu einer Gattinn dir erleſen:
Zu gluͤcklich, wenn ſie dir, vom Himmel mild bedacht,
Jn einem holden Leib, zu ſchlauer Luſt gemacht,
Auch eine Seele zugebracht,
Die denkt und edel denkt, die Tugend liebt und kennet,
Und dich, als Freundinn, liebt, wenn ſie dich Gatten
nennet!
O Wolluſt, nicht bloß einer Nacht!
Die Tage werden dir in ihrem Arm verſchleichen,
So ruhig, als ein Bach, der unter finſtern Straͤuchen,
Von hohen Baͤumen rund umwacht,
Stets ungerunzelt lacht:
Hoch uͤber ihm hinweg brauſt unter nahen Eichen
Der ſchwarzen Stuͤrme Wuth, die niemals ihn erreichen.
An
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="7">
              <pb facs="#f0248" n="234"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Briefe</hi> </fw><lb/>
              <l>Mit Bluhmen ewig fe&#x017F;te binden,</l><lb/>
              <l>Zu &#x017F;einer andern Sklaven Schaar.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Laß von den Grazien die eine Gattinn wa&#x0364;hlen,</l><lb/>
              <l>Die nicht von den gemeinen Seelen,</l><lb/>
              <l>Bloß wirthlich, reich, vielleicht getreu,</l><lb/>
              <l>Doch ohne Za&#x0364;rtlichkeit und lauter Po&#x0364;bel &#x017F;ey.</l><lb/>
              <l>Zwar wir, wie un&#x017F;re Va&#x0364;ter, wi&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Von keinen engli&#x017F;chen Clari&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
              <l>An ihre Wu&#x0364;rde reicht kein &#x017F;terblich Ma&#x0364;dchen hin.</l><lb/>
              <l>Ach! Harlows Tochter &#x017F;tarb! auf Erden war kein Gatte</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r die&#x017F;e, die nichts weiblichs hatte,</l><lb/>
              <l>Als Reizungen und Eigen&#x017F;inn.</l><lb/>
              <l>Du, Freund! bi&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t ein Men&#x017F;ch, und wir&#x017F;t ein</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">men&#x017F;chlich We&#x017F;en</hi> </l><lb/>
              <l>Zu einer Gattinn dir erle&#x017F;en:</l><lb/>
              <l>Zu glu&#x0364;cklich, wenn &#x017F;ie dir, vom Himmel mild bedacht,</l><lb/>
              <l>Jn einem holden Leib, zu &#x017F;chlauer Lu&#x017F;t gemacht,</l><lb/>
              <l>Auch eine Seele zugebracht,</l><lb/>
              <l>Die denkt und edel denkt, die Tugend liebt und kennet,</l><lb/>
              <l>Und dich, als Freundinn, liebt, wenn &#x017F;ie dich Gatten</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nennet!</hi> </l><lb/>
              <l>O Wollu&#x017F;t, nicht bloß einer Nacht!</l><lb/>
              <l>Die Tage werden dir in ihrem Arm ver&#x017F;chleichen,</l><lb/>
              <l>So ruhig, als ein Bach, der unter fin&#x017F;tern Stra&#x0364;uchen,</l><lb/>
              <l>Von hohen Ba&#x0364;umen rund umwacht,</l><lb/>
              <l>Stets ungerunzelt lacht:</l><lb/>
              <l>Hoch u&#x0364;ber ihm hinweg brau&#x017F;t unter nahen Eichen</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;chwarzen Stu&#x0364;rme Wuth, die niemals ihn erreichen.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <dateline>An&#x017F;pach 1753.</dateline>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">An</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0248] Briefe Mit Bluhmen ewig feſte binden, Zu ſeiner andern Sklaven Schaar. Laß von den Grazien die eine Gattinn waͤhlen, Die nicht von den gemeinen Seelen, Bloß wirthlich, reich, vielleicht getreu, Doch ohne Zaͤrtlichkeit und lauter Poͤbel ſey. Zwar wir, wie unſre Vaͤter, wiſſen Von keinen engliſchen Clariſſen: An ihre Wuͤrde reicht kein ſterblich Maͤdchen hin. Ach! Harlows Tochter ſtarb! auf Erden war kein Gatte Fuͤr dieſe, die nichts weiblichs hatte, Als Reizungen und Eigenſinn. Du, Freund! biſt ſelbſt ein Menſch, und wirſt ein menſchlich Weſen Zu einer Gattinn dir erleſen: Zu gluͤcklich, wenn ſie dir, vom Himmel mild bedacht, Jn einem holden Leib, zu ſchlauer Luſt gemacht, Auch eine Seele zugebracht, Die denkt und edel denkt, die Tugend liebt und kennet, Und dich, als Freundinn, liebt, wenn ſie dich Gatten nennet! O Wolluſt, nicht bloß einer Nacht! Die Tage werden dir in ihrem Arm verſchleichen, So ruhig, als ein Bach, der unter finſtern Straͤuchen, Von hohen Baͤumen rund umwacht, Stets ungerunzelt lacht: Hoch uͤber ihm hinweg brauſt unter nahen Eichen Der ſchwarzen Stuͤrme Wuth, die niemals ihn erreichen. Anſpach 1753. An

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/248
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/248>, abgerufen am 22.11.2024.