Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Briefe.
Entferne Zwietracht und Verdruß,
Die stets bey schlechtem Bier sich regen!
Der Jüngling schmachte nicht umsonst um Wein und
Kuß,
Und sterbe keiner Spröden wegen!

Sterben? und um eines spröden Mädchens willen? un-
terbrach mich der unverschämte Gnome: o sey des-
wegen unbesorgt! Jch habe in diesem meinen unterir-
dischen Aufenthalt noch keinen Selbstmörder dieser Art
gesehen; und vermuthe auch nicht, jemals einen solchen
zu sehen. Die Schönen und ihre Liebhaber haben seit
undenklichen Jahren einander ihr Wort gegeben, weder
durch eine übertriebene Strenge dergleichen sündliche Ge-
waltthätigkeiten zu veranlassen, noch bey unvermutheter Här-
te sich zu entleiben: alles aber, was, diesem zuwider,
dann und wann gesagt, oder geschrieben würde, sollte als
ein unverbündliches Compliment angesehen werden.

Weil Phyllis untreu ist, will Damon sich erstechen:
Doch will er klüglich erst mit seinem Weine sprechen.
Sein klügrer Wein giebt ihm den Rath,
Er soll durch eine gleiche That
Sich an der Ungetreuen rächen:
Er thuts, und lebt noch itzt: gewiß ein guter Rath!
Der Liebesgott braucht sein Gefieder,
Als Amor, als der Gott der Lust:
Die Freude flieht; er sucht sie wieder;
Und
Briefe.
Entferne Zwietracht und Verdruß,
Die ſtets bey ſchlechtem Bier ſich regen!
Der Juͤngling ſchmachte nicht umſonſt um Wein und
Kuß,
Und ſterbe keiner Sproͤden wegen!

Sterben? und um eines ſproͤden Maͤdchens willen? un-
terbrach mich der unverſchaͤmte Gnome: o ſey des-
wegen unbeſorgt! Jch habe in dieſem meinen unterir-
diſchen Aufenthalt noch keinen Selbſtmoͤrder dieſer Art
geſehen; und vermuthe auch nicht, jemals einen ſolchen
zu ſehen. Die Schoͤnen und ihre Liebhaber haben ſeit
undenklichen Jahren einander ihr Wort gegeben, weder
durch eine uͤbertriebene Strenge dergleichen ſuͤndliche Ge-
waltthaͤtigkeiten zu veranlaſſen, noch bey unvermutheter Haͤr-
te ſich zu entleiben: alles aber, was, dieſem zuwider,
dann und wann geſagt, oder geſchrieben wuͤrde, ſollte als
ein unverbuͤndliches Compliment angeſehen werden.

Weil Phyllis untreu iſt, will Damon ſich erſtechen:
Doch will er kluͤglich erſt mit ſeinem Weine ſprechen.
Sein kluͤgrer Wein giebt ihm den Rath,
Er ſoll durch eine gleiche That
Sich an der Ungetreuen raͤchen:
Er thuts, und lebt noch itzt: gewiß ein guter Rath!
Der Liebesgott braucht ſein Gefieder,
Als Amor, als der Gott der Luſt:
Die Freude flieht; er ſucht ſie wieder;
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0228" n="214"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Briefe.</hi> </fw><lb/>
            <l>Entferne Zwietracht und Verdruß,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;tets bey &#x017F;chlechtem Bier &#x017F;ich regen!</l><lb/>
            <l>Der Ju&#x0364;ngling &#x017F;chmachte nicht um&#x017F;on&#x017F;t um Wein und</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Kuß,</hi> </l><lb/>
            <l>Und &#x017F;terbe keiner Spro&#x0364;den wegen!</l>
          </lg><lb/>
          <p>Sterben? und um eines &#x017F;pro&#x0364;den Ma&#x0364;dchens willen? un-<lb/>
terbrach mich der unver&#x017F;cha&#x0364;mte Gnome: o &#x017F;ey des-<lb/>
wegen unbe&#x017F;orgt! Jch habe in die&#x017F;em meinen unterir-<lb/>
di&#x017F;chen Aufenthalt noch keinen Selb&#x017F;tmo&#x0364;rder die&#x017F;er Art<lb/>
ge&#x017F;ehen; und vermuthe auch nicht, jemals einen &#x017F;olchen<lb/>
zu &#x017F;ehen. Die Scho&#x0364;nen und ihre Liebhaber haben &#x017F;eit<lb/>
undenklichen Jahren einander ihr Wort gegeben, weder<lb/>
durch eine u&#x0364;bertriebene Strenge dergleichen &#x017F;u&#x0364;ndliche Ge-<lb/>
walttha&#x0364;tigkeiten zu veranla&#x017F;&#x017F;en, noch bey unvermutheter Ha&#x0364;r-<lb/>
te &#x017F;ich zu entleiben: alles aber, was, die&#x017F;em zuwider,<lb/>
dann und wann ge&#x017F;agt, oder ge&#x017F;chrieben wu&#x0364;rde, &#x017F;ollte als<lb/>
ein unverbu&#x0364;ndliches Compliment ange&#x017F;ehen werden.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Weil Phyllis untreu i&#x017F;t, will Damon &#x017F;ich er&#x017F;techen:</l><lb/>
            <l>Doch will er klu&#x0364;glich er&#x017F;t mit &#x017F;einem Weine &#x017F;prechen.</l><lb/>
            <l>Sein klu&#x0364;grer Wein giebt ihm den Rath,</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;oll durch eine gleiche That</l><lb/>
            <l>Sich an der Ungetreuen ra&#x0364;chen:</l><lb/>
            <l>Er thuts, und lebt noch itzt: gewiß ein guter Rath!</l><lb/>
            <l>Der Liebesgott braucht &#x017F;ein Gefieder,</l><lb/>
            <l>Als Amor, als der Gott der Lu&#x017F;t:</l><lb/>
            <l>Die Freude flieht; er &#x017F;ucht &#x017F;ie wieder;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0228] Briefe. Entferne Zwietracht und Verdruß, Die ſtets bey ſchlechtem Bier ſich regen! Der Juͤngling ſchmachte nicht umſonſt um Wein und Kuß, Und ſterbe keiner Sproͤden wegen! Sterben? und um eines ſproͤden Maͤdchens willen? un- terbrach mich der unverſchaͤmte Gnome: o ſey des- wegen unbeſorgt! Jch habe in dieſem meinen unterir- diſchen Aufenthalt noch keinen Selbſtmoͤrder dieſer Art geſehen; und vermuthe auch nicht, jemals einen ſolchen zu ſehen. Die Schoͤnen und ihre Liebhaber haben ſeit undenklichen Jahren einander ihr Wort gegeben, weder durch eine uͤbertriebene Strenge dergleichen ſuͤndliche Ge- waltthaͤtigkeiten zu veranlaſſen, noch bey unvermutheter Haͤr- te ſich zu entleiben: alles aber, was, dieſem zuwider, dann und wann geſagt, oder geſchrieben wuͤrde, ſollte als ein unverbuͤndliches Compliment angeſehen werden. Weil Phyllis untreu iſt, will Damon ſich erſtechen: Doch will er kluͤglich erſt mit ſeinem Weine ſprechen. Sein kluͤgrer Wein giebt ihm den Rath, Er ſoll durch eine gleiche That Sich an der Ungetreuen raͤchen: Er thuts, und lebt noch itzt: gewiß ein guter Rath! Der Liebesgott braucht ſein Gefieder, Als Amor, als der Gott der Luſt: Die Freude flieht; er ſucht ſie wieder; Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/228
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/228>, abgerufen am 23.11.2024.