Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Briefe. ich wohl wetten dürfte, dergleichen Menschen, die ihmlieb wären, würden hier gar nicht anzutreffen seyn. Wenn sie es aber auch wären, so möchte ich sie nicht sehen: sie würden mich nur traurig machen; und ich lachte lieber. Römhild wäre gut genug: nur verdrösse mich der unter die Einwohner ausgegangene Rottengeist, welcher die gute Gesellschaft selten und die Freude schüch- tern machte. Wie? Bürger einer Stadt sind Feinde? Anstatt gesellig und als Freunde Bey Scherz und frohem Wein zu glühn; Seh ich sie voreinander fliehn? Und eh sie einen Kuß auf holden Lippen wagen, Erst ängstlich fragen, Von welch politischer Parthey, Der Torris oder Whigs, ein artig Mädchen sey, Das oft nicht weis, was beyde klagen? Jhr Bürger! welche Wuth hat euer Hirn verbrannt? Die Staatskunst sey euch unbekannt! Trinkt euern Wein in Ruh, und schlaft bey euern Wei- bern, So nutzt ihr doch dem Vaterland, Und wenigstens mit euern Leibern. Jch, der in kurzem scheiden muß, Will meinen väterlichen Segen Auf dich, unruhig Römhild! legen: Es fehle nie an Wein! Lyäens Ueberfluß Ent- O 3
Briefe. ich wohl wetten duͤrfte, dergleichen Menſchen, die ihmlieb waͤren, wuͤrden hier gar nicht anzutreffen ſeyn. Wenn ſie es aber auch waͤren, ſo moͤchte ich ſie nicht ſehen: ſie wuͤrden mich nur traurig machen; und ich lachte lieber. Roͤmhild waͤre gut genug: nur verdroͤſſe mich der unter die Einwohner ausgegangene Rottengeiſt, welcher die gute Geſellſchaft ſelten und die Freude ſchuͤch- tern machte. Wie? Buͤrger einer Stadt ſind Feinde? Anſtatt geſellig und als Freunde Bey Scherz und frohem Wein zu gluͤhn; Seh ich ſie voreinander fliehn? Und eh ſie einen Kuß auf holden Lippen wagen, Erſt aͤngſtlich fragen, Von welch politiſcher Parthey, Der Torris oder Whigs, ein artig Maͤdchen ſey, Das oft nicht weis, was beyde klagen? Jhr Buͤrger! welche Wuth hat euer Hirn verbrannt? Die Staatskunſt ſey euch unbekannt! Trinkt euern Wein in Ruh, und ſchlaft bey euern Wei- bern, So nutzt ihr doch dem Vaterland, Und wenigſtens mit euern Leibern. Jch, der in kurzem ſcheiden muß, Will meinen vaͤterlichen Segen Auf dich, unruhig Roͤmhild! legen: Es fehle nie an Wein! Lyaͤens Ueberfluß Ent- O 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0227" n="213"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Briefe.</hi></fw><lb/> ich wohl wetten duͤrfte, dergleichen Menſchen, die ihm<lb/> lieb waͤren, wuͤrden hier gar nicht anzutreffen ſeyn.<lb/> Wenn ſie es aber auch waͤren, ſo moͤchte ich ſie nicht<lb/> ſehen: ſie wuͤrden mich nur traurig machen; und ich<lb/> lachte lieber. Roͤmhild waͤre gut genug: nur verdroͤſſe<lb/> mich der unter die Einwohner ausgegangene Rottengeiſt,<lb/> welcher die gute Geſellſchaft ſelten und die Freude ſchuͤch-<lb/> tern machte.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wie? Buͤrger einer Stadt ſind Feinde?</l><lb/> <l>Anſtatt geſellig und als Freunde</l><lb/> <l>Bey Scherz und frohem Wein zu gluͤhn;</l><lb/> <l>Seh ich ſie voreinander fliehn?</l><lb/> <l>Und eh ſie einen Kuß auf holden Lippen wagen,</l><lb/> <l>Erſt aͤngſtlich fragen,</l><lb/> <l>Von welch politiſcher Parthey,</l><lb/> <l>Der Torris oder Whigs, ein artig Maͤdchen ſey,</l><lb/> <l>Das oft nicht weis, was beyde klagen?</l><lb/> <l>Jhr Buͤrger! welche Wuth hat euer Hirn verbrannt?</l><lb/> <l>Die Staatskunſt ſey euch unbekannt!</l><lb/> <l>Trinkt euern Wein in Ruh, und ſchlaft bey euern Wei-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">bern,</hi> </l><lb/> <l>So nutzt ihr doch dem Vaterland,</l><lb/> <l>Und wenigſtens mit euern Leibern.</l><lb/> <l>Jch, der in kurzem ſcheiden muß,</l><lb/> <l>Will meinen vaͤterlichen Segen</l><lb/> <l>Auf dich, unruhig Roͤmhild! legen:</l><lb/> <l>Es fehle nie an Wein! Lyaͤens Ueberfluß</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">O 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Ent-</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0227]
Briefe.
ich wohl wetten duͤrfte, dergleichen Menſchen, die ihm
lieb waͤren, wuͤrden hier gar nicht anzutreffen ſeyn.
Wenn ſie es aber auch waͤren, ſo moͤchte ich ſie nicht
ſehen: ſie wuͤrden mich nur traurig machen; und ich
lachte lieber. Roͤmhild waͤre gut genug: nur verdroͤſſe
mich der unter die Einwohner ausgegangene Rottengeiſt,
welcher die gute Geſellſchaft ſelten und die Freude ſchuͤch-
tern machte.
Wie? Buͤrger einer Stadt ſind Feinde?
Anſtatt geſellig und als Freunde
Bey Scherz und frohem Wein zu gluͤhn;
Seh ich ſie voreinander fliehn?
Und eh ſie einen Kuß auf holden Lippen wagen,
Erſt aͤngſtlich fragen,
Von welch politiſcher Parthey,
Der Torris oder Whigs, ein artig Maͤdchen ſey,
Das oft nicht weis, was beyde klagen?
Jhr Buͤrger! welche Wuth hat euer Hirn verbrannt?
Die Staatskunſt ſey euch unbekannt!
Trinkt euern Wein in Ruh, und ſchlaft bey euern Wei-
bern,
So nutzt ihr doch dem Vaterland,
Und wenigſtens mit euern Leibern.
Jch, der in kurzem ſcheiden muß,
Will meinen vaͤterlichen Segen
Auf dich, unruhig Roͤmhild! legen:
Es fehle nie an Wein! Lyaͤens Ueberfluß
Ent-
O 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |