Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Ein Gedicht. Der Diener Selimors, ein Stutzer in den Sitten,Der, witzig, wie sein Herr, bey Mägden wohl gelitten, Nie ohne Karten geht, sich oft beym Wein vergißt, Und alle Wirthe kennt und allen schuldig ist. Da Amor lärmt und flucht; entspringt vom Ruhebette, Ermuntert vom Geschrey, die junge Magd Lisette: Ein Mädchen, schlank von Leib, in Schelmerey geübt, Die wechselsweis ihr Herr und sein Bedienter liebt. Ein faltigter Muslin, der ihren Hals bedecket, Läßt ihre weisse Brust nachläßig unverstecket. Ein kurzer Unterrock zeigt ihr gedrechselt Bein, Und auch ihr Sprödethun flößt Buhlern Kühnheit ein. Sie kömmt, sie fliegt herbey, heißt ihren Johann schweigen, Der, nach Lackayen-Art sich artig zu bezeigen, Jhr in den Busen greift, und auf den Kutscher schmählt, Weil seine Kutsche noch beym fernen Garten fehlt. Der Kutscher kömmt; man schilt; er fragt noch eine Weile, Warum doch Selimor so ungewöhnlich eile. Doch hat ein junger Herr nicht seinen Eigensinn? Der Kutscher schleicht belehrt zu seinen Pferden hin. Ein braungeapfelt Paar wird prächtig aufgezäumet, Und beißt auf blanken Stahl und scharrt in Sand und schäu- met. Der neue Wagen glänzt, auf dem, noch unbezahlt, Manch güldner Liebesgott, geschnitzt aus Holze, prahlt. Jn Wolken braunen Staubes fliehn die muntern Pferde, Und unter ihrem Huf erschüttert sich die Erde. Die Fenster fliegen auf, wo, stolz auf schimmernd Gold, Die Kutsche Selimors mit raschem Rasseln rollt. Doch N
Ein Gedicht. Der Diener Selimors, ein Stutzer in den Sitten,Der, witzig, wie ſein Herr, bey Maͤgden wohl gelitten, Nie ohne Karten geht, ſich oft beym Wein vergißt, Und alle Wirthe kennt und allen ſchuldig iſt. Da Amor laͤrmt und flucht; entſpringt vom Ruhebette, Ermuntert vom Geſchrey, die junge Magd Liſette: Ein Maͤdchen, ſchlank von Leib, in Schelmerey geuͤbt, Die wechſelsweis ihr Herr und ſein Bedienter liebt. Ein faltigter Muslin, der ihren Hals bedecket, Laͤßt ihre weiſſe Bruſt nachlaͤßig unverſtecket. Ein kurzer Unterrock zeigt ihr gedrechſelt Bein, Und auch ihr Sproͤdethun floͤßt Buhlern Kuͤhnheit ein. Sie koͤmmt, ſie fliegt herbey, heißt ihren Johann ſchweigen, Der, nach Lackayen-Art ſich artig zu bezeigen, Jhr in den Buſen greift, und auf den Kutſcher ſchmaͤhlt, Weil ſeine Kutſche noch beym fernen Garten fehlt. Der Kutſcher koͤmmt; man ſchilt; er fragt noch eine Weile, Warum doch Selimor ſo ungewoͤhnlich eile. Doch hat ein junger Herr nicht ſeinen Eigenſinn? Der Kutſcher ſchleicht belehrt zu ſeinen Pferden hin. Ein braungeapfelt Paar wird praͤchtig aufgezaͤumet, Und beißt auf blanken Stahl und ſcharrt in Sand und ſchaͤu- met. Der neue Wagen glaͤnzt, auf dem, noch unbezahlt, Manch guͤldner Liebesgott, geſchnitzt aus Holze, prahlt. Jn Wolken braunen Staubes fliehn die muntern Pferde, Und unter ihrem Huf erſchuͤttert ſich die Erde. Die Fenſter fliegen auf, wo, ſtolz auf ſchimmernd Gold, Die Kutſche Selimors mit raſchem Raſſeln rollt. Doch N
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Ein Gedicht.
Der Diener Selimors, ein Stutzer in den Sitten,
Der, witzig, wie ſein Herr, bey Maͤgden wohl gelitten,
Nie ohne Karten geht, ſich oft beym Wein vergißt,
Und alle Wirthe kennt und allen ſchuldig iſt.
Da Amor laͤrmt und flucht; entſpringt vom Ruhebette,
Ermuntert vom Geſchrey, die junge Magd Liſette:
Ein Maͤdchen, ſchlank von Leib, in Schelmerey geuͤbt,
Die wechſelsweis ihr Herr und ſein Bedienter liebt.
Ein faltigter Muslin, der ihren Hals bedecket,
Laͤßt ihre weiſſe Bruſt nachlaͤßig unverſtecket.
Ein kurzer Unterrock zeigt ihr gedrechſelt Bein,
Und auch ihr Sproͤdethun floͤßt Buhlern Kuͤhnheit ein.
Sie koͤmmt, ſie fliegt herbey, heißt ihren Johann ſchweigen,
Der, nach Lackayen-Art ſich artig zu bezeigen,
Jhr in den Buſen greift, und auf den Kutſcher ſchmaͤhlt,
Weil ſeine Kutſche noch beym fernen Garten fehlt.
Der Kutſcher koͤmmt; man ſchilt; er fragt noch eine Weile,
Warum doch Selimor ſo ungewoͤhnlich eile.
Doch hat ein junger Herr nicht ſeinen Eigenſinn?
Der Kutſcher ſchleicht belehrt zu ſeinen Pferden hin.
Ein braungeapfelt Paar wird praͤchtig aufgezaͤumet,
Und beißt auf blanken Stahl und ſcharrt in Sand und ſchaͤu-
met.
Der neue Wagen glaͤnzt, auf dem, noch unbezahlt,
Manch guͤldner Liebesgott, geſchnitzt aus Holze, prahlt.
Jn Wolken braunen Staubes fliehn die muntern Pferde,
Und unter ihrem Huf erſchuͤttert ſich die Erde.
Die Fenſter fliegen auf, wo, ſtolz auf ſchimmernd Gold,
Die Kutſche Selimors mit raſchem Raſſeln rollt.
Doch
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