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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Sieg des Liebesgottes
Und wandte sich verwirrt vom Paris, der sie trug,
Und seinen weichen Arm um ihre Lenden schlug.
Jhr thränend Auge schien den Himmel anzuflehen:
Die Haare flogen wild nach reger Lüfte Wehen:
Den schönsten Leib verrieth ihr fliehendes Gewand:
Dem Paris wird verziehn; wer hätte nicht gebrannt?
O welche volle Brust! ruft Selimor entzücket:
Doch eine blüht für mich, die grössre Schönheit schmücket.
Er blickt, indem er spricht, Selinden schalkhaft an,
Die durch ein Lächeln dankt und kaum erröthen kann.
Wie schlau weis Lesbia dieß kühne Lob zu rächen!
Ach! spricht sie, Selimor! Sie wollten mit mir sprechen!
Was ists? recht sehr geheim? so kommen Sie geschwind!
Jch glaube, daß Sie toll mit Jhrem Zaudern sind.
Ja-doch-ein andermal! sprach Selimor mit Lallen;
Und seine Zunge ließ nur halbe Worte fallen.
Doch folgt' er Lesbien, die unbarmherzig gieng,
Und sich an seinen Arm gebietrisch lächelnd hieng.
Der Henker hohle sie mit ihren Teufelsränken!
Murrt Selimor bey sich: was wird Selinde denken?
Jch weis, das gute Kind ist inniglich betrübt:
Allein kann ich dafür, daß iedermann mich liebt?
Die Schönheit fesselt mich, wo ich die Schönheit finde:
Drum lieb ich Lesbien; drum lieb ich dich, Selinde!
Vergebens bildet sich dein Stolz ein anders ein:
Nie wird ein Selimor ein treuer Schäfer seyn.

Paris und London denkt, wie Selimor gedachte,
Der nun mit Lesbien ganz unbekümmert lachte.
Sie

Sieg des Liebesgottes
Und wandte ſich verwirrt vom Paris, der ſie trug,
Und ſeinen weichen Arm um ihre Lenden ſchlug.
Jhr thraͤnend Auge ſchien den Himmel anzuflehen:
Die Haare flogen wild nach reger Luͤfte Wehen:
Den ſchoͤnſten Leib verrieth ihr fliehendes Gewand:
Dem Paris wird verziehn; wer haͤtte nicht gebrannt?
O welche volle Bruſt! ruft Selimor entzuͤcket:
Doch eine bluͤht fuͤr mich, die groͤſſre Schoͤnheit ſchmuͤcket.
Er blickt, indem er ſpricht, Selinden ſchalkhaft an,
Die durch ein Laͤcheln dankt und kaum erroͤthen kann.
Wie ſchlau weis Lesbia dieß kuͤhne Lob zu raͤchen!
Ach! ſpricht ſie, Selimor! Sie wollten mit mir ſprechen!
Was iſts? recht ſehr geheim? ſo kommen Sie geſchwind!
Jch glaube, daß Sie toll mit Jhrem Zaudern ſind.
Ja-doch-ein andermal! ſprach Selimor mit Lallen;
Und ſeine Zunge ließ nur halbe Worte fallen.
Doch folgt’ er Lesbien, die unbarmherzig gieng,
Und ſich an ſeinen Arm gebietriſch laͤchelnd hieng.
Der Henker hohle ſie mit ihren Teufelsraͤnken!
Murrt Selimor bey ſich: was wird Selinde denken?
Jch weis, das gute Kind iſt inniglich betruͤbt:
Allein kann ich dafuͤr, daß iedermann mich liebt?
Die Schoͤnheit feſſelt mich, wo ich die Schoͤnheit finde:
Drum lieb ich Lesbien; drum lieb ich dich, Selinde!
Vergebens bildet ſich dein Stolz ein anders ein:
Nie wird ein Selimor ein treuer Schaͤfer ſeyn.

Paris und London denkt, wie Selimor gedachte,
Der nun mit Lesbien ganz unbekuͤmmert lachte.
Sie
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[184/0198] Sieg des Liebesgottes Und wandte ſich verwirrt vom Paris, der ſie trug, Und ſeinen weichen Arm um ihre Lenden ſchlug. Jhr thraͤnend Auge ſchien den Himmel anzuflehen: Die Haare flogen wild nach reger Luͤfte Wehen: Den ſchoͤnſten Leib verrieth ihr fliehendes Gewand: Dem Paris wird verziehn; wer haͤtte nicht gebrannt? O welche volle Bruſt! ruft Selimor entzuͤcket: Doch eine bluͤht fuͤr mich, die groͤſſre Schoͤnheit ſchmuͤcket. Er blickt, indem er ſpricht, Selinden ſchalkhaft an, Die durch ein Laͤcheln dankt und kaum erroͤthen kann. Wie ſchlau weis Lesbia dieß kuͤhne Lob zu raͤchen! Ach! ſpricht ſie, Selimor! Sie wollten mit mir ſprechen! Was iſts? recht ſehr geheim? ſo kommen Sie geſchwind! Jch glaube, daß Sie toll mit Jhrem Zaudern ſind. Ja-doch-ein andermal! ſprach Selimor mit Lallen; Und ſeine Zunge ließ nur halbe Worte fallen. Doch folgt’ er Lesbien, die unbarmherzig gieng, Und ſich an ſeinen Arm gebietriſch laͤchelnd hieng. Der Henker hohle ſie mit ihren Teufelsraͤnken! Murrt Selimor bey ſich: was wird Selinde denken? Jch weis, das gute Kind iſt inniglich betruͤbt: Allein kann ich dafuͤr, daß iedermann mich liebt? Die Schoͤnheit feſſelt mich, wo ich die Schoͤnheit finde: Drum lieb ich Lesbien; drum lieb ich dich, Selinde! Vergebens bildet ſich dein Stolz ein anders ein: Nie wird ein Selimor ein treuer Schaͤfer ſeyn. Paris und London denkt, wie Selimor gedachte, Der nun mit Lesbien ganz unbekuͤmmert lachte. Sie

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/198>, abgerufen am 24.11.2024.