Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Sieg des Liebesgottes
Dort rauscht von holdem West ein ihm geweihter Wald,
Der Freuden Sammelplatz, der Wollust Aufenthalt.
Mit Lust verirrt man sich in dichtverwachsnen Gängen,
Wo in geheimer Nacht sich Myrth und Lorbeer drängen.
Auf allen Seiten lockt die süsse Nachtigall:
Hier murmelt nur ein Bach, dort braust ein Wasserfall.
Die weißbeschaümte Fluth stürzt von bebüschten Hügeln,
Und wird ein stiller See, in dem sich Bluhmen spiegeln.
Der weichen Rasen Grün, der Büsche Dunkelheit
Und alles reizet hier verbuhlte Zärtlichkeit.
Das stumme Schweigen stund vor diesem Götterhayne,
Der, allzeit anmuthvoll beym schwülsten Sonnenscheine,
Nun unter kühlem Laub den Liebesgott empfieng,
Um dessen heisse Stirn die matte Rose hieng.
Hier gaukelten um ihn in jugendlichen Reihen
Der Scherze reger Schwarm, die sanften Schmeicheleyen,
Die leichte Hoffnung selbst, verhüllt in dünnem Flohr,
Betrug und Lüsternheit und Amors ganzes Chor.
Es mischte sich verwirrt in ihre Lustbarkeiten
Der Stimmen Zauberton, die Anmuth reiner Saiten.
Aus euerm schönen Mund, ihr Grazien! erklang
Manch Lied Anakreons, manch sapphischer Gesang.
O sagt, (euch ists bewust,) was Amors Ruhe störte,
Der in der Wollust Schoos auf eure Lieder hörte?
Rief diesen Gott ein Schmaus, den ihm Lyäus gab,
Ein feyerlicher Tanz, zu Cyperns Nymphen ab?

Nein!

Sieg des Liebesgottes
Dort rauſcht von holdem Weſt ein ihm geweihter Wald,
Der Freuden Sammelplatz, der Wolluſt Aufenthalt.
Mit Luſt verirrt man ſich in dichtverwachſnen Gaͤngen,
Wo in geheimer Nacht ſich Myrth und Lorbeer draͤngen.
Auf allen Seiten lockt die ſuͤſſe Nachtigall:
Hier murmelt nur ein Bach, dort brauſt ein Waſſerfall.
Die weißbeſchauͤmte Fluth ſtuͤrzt von bebuͤſchten Huͤgeln,
Und wird ein ſtiller See, in dem ſich Bluhmen ſpiegeln.
Der weichen Raſen Gruͤn, der Buͤſche Dunkelheit
Und alles reizet hier verbuhlte Zaͤrtlichkeit.
Das ſtumme Schweigen ſtund vor dieſem Goͤtterhayne,
Der, allzeit anmuthvoll beym ſchwuͤlſten Sonnenſcheine,
Nun unter kuͤhlem Laub den Liebesgott empfieng,
Um deſſen heiſſe Stirn die matte Roſe hieng.
Hier gaukelten um ihn in jugendlichen Reihen
Der Scherze reger Schwarm, die ſanften Schmeicheleyen,
Die leichte Hoffnung ſelbſt, verhuͤllt in duͤnnem Flohr,
Betrug und Luͤſternheit und Amors ganzes Chor.
Es miſchte ſich verwirrt in ihre Luſtbarkeiten
Der Stimmen Zauberton, die Anmuth reiner Saiten.
Aus euerm ſchoͤnen Mund, ihr Grazien! erklang
Manch Lied Anakreons, manch ſapphiſcher Geſang.
O ſagt, (euch iſts bewuſt,) was Amors Ruhe ſtoͤrte,
Der in der Wolluſt Schoos auf eure Lieder hoͤrte?
Rief dieſen Gott ein Schmaus, den ihm Lyaͤus gab,
Ein feyerlicher Tanz, zu Cyperns Nymphen ab?

Nein!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="2">
            <pb facs="#f0182" n="168"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sieg des Liebesgottes</hi> </fw><lb/>
            <l>Dort rau&#x017F;cht von holdem We&#x017F;t ein ihm geweihter Wald,</l><lb/>
            <l>Der Freuden Sammelplatz, der Wollu&#x017F;t Aufenthalt.</l><lb/>
            <l>Mit Lu&#x017F;t verirrt man &#x017F;ich in dichtverwach&#x017F;nen Ga&#x0364;ngen,</l><lb/>
            <l>Wo in geheimer Nacht &#x017F;ich Myrth und Lorbeer dra&#x0364;ngen.</l><lb/>
            <l>Auf allen Seiten lockt die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Nachtigall:</l><lb/>
            <l>Hier murmelt nur ein Bach, dort brau&#x017F;t ein Wa&#x017F;&#x017F;erfall.</l><lb/>
            <l>Die weißbe&#x017F;chau&#x0364;mte Fluth &#x017F;tu&#x0364;rzt von bebu&#x0364;&#x017F;chten Hu&#x0364;geln,</l><lb/>
            <l>Und wird ein &#x017F;tiller See, in dem &#x017F;ich Bluhmen &#x017F;piegeln.</l><lb/>
            <l>Der weichen Ra&#x017F;en Gru&#x0364;n, der Bu&#x0364;&#x017F;che Dunkelheit</l><lb/>
            <l>Und alles reizet hier verbuhlte Za&#x0364;rtlichkeit.</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;tumme Schweigen &#x017F;tund vor die&#x017F;em Go&#x0364;tterhayne,</l><lb/>
            <l>Der, allzeit anmuthvoll beym &#x017F;chwu&#x0364;l&#x017F;ten Sonnen&#x017F;cheine,</l><lb/>
            <l>Nun unter ku&#x0364;hlem Laub den Liebesgott empfieng,</l><lb/>
            <l>Um de&#x017F;&#x017F;en hei&#x017F;&#x017F;e Stirn die matte Ro&#x017F;e hieng.</l><lb/>
            <l>Hier gaukelten um ihn in jugendlichen Reihen</l><lb/>
            <l>Der Scherze reger Schwarm, die &#x017F;anften Schmeicheleyen,</l><lb/>
            <l>Die leichte Hoffnung &#x017F;elb&#x017F;t, verhu&#x0364;llt in du&#x0364;nnem Flohr,</l><lb/>
            <l>Betrug und Lu&#x0364;&#x017F;ternheit und Amors ganzes Chor.</l><lb/>
            <l>Es mi&#x017F;chte &#x017F;ich verwirrt in ihre Lu&#x017F;tbarkeiten</l><lb/>
            <l>Der Stimmen Zauberton, die Anmuth reiner Saiten.</l><lb/>
            <l>Aus euerm &#x017F;cho&#x0364;nen Mund, ihr Grazien! erklang</l><lb/>
            <l>Manch Lied Anakreons, manch &#x017F;apphi&#x017F;cher Ge&#x017F;ang.</l><lb/>
            <l>O &#x017F;agt, (euch i&#x017F;ts bewu&#x017F;t,) was Amors Ruhe &#x017F;to&#x0364;rte,</l><lb/>
            <l>Der in der Wollu&#x017F;t Schoos auf eure Lieder ho&#x0364;rte?</l><lb/>
            <l>Rief die&#x017F;en Gott ein Schmaus, den ihm Lya&#x0364;us gab,</l><lb/>
            <l>Ein feyerlicher Tanz, zu Cyperns Nymphen ab?</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Nein!</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0182] Sieg des Liebesgottes Dort rauſcht von holdem Weſt ein ihm geweihter Wald, Der Freuden Sammelplatz, der Wolluſt Aufenthalt. Mit Luſt verirrt man ſich in dichtverwachſnen Gaͤngen, Wo in geheimer Nacht ſich Myrth und Lorbeer draͤngen. Auf allen Seiten lockt die ſuͤſſe Nachtigall: Hier murmelt nur ein Bach, dort brauſt ein Waſſerfall. Die weißbeſchauͤmte Fluth ſtuͤrzt von bebuͤſchten Huͤgeln, Und wird ein ſtiller See, in dem ſich Bluhmen ſpiegeln. Der weichen Raſen Gruͤn, der Buͤſche Dunkelheit Und alles reizet hier verbuhlte Zaͤrtlichkeit. Das ſtumme Schweigen ſtund vor dieſem Goͤtterhayne, Der, allzeit anmuthvoll beym ſchwuͤlſten Sonnenſcheine, Nun unter kuͤhlem Laub den Liebesgott empfieng, Um deſſen heiſſe Stirn die matte Roſe hieng. Hier gaukelten um ihn in jugendlichen Reihen Der Scherze reger Schwarm, die ſanften Schmeicheleyen, Die leichte Hoffnung ſelbſt, verhuͤllt in duͤnnem Flohr, Betrug und Luͤſternheit und Amors ganzes Chor. Es miſchte ſich verwirrt in ihre Luſtbarkeiten Der Stimmen Zauberton, die Anmuth reiner Saiten. Aus euerm ſchoͤnen Mund, ihr Grazien! erklang Manch Lied Anakreons, manch ſapphiſcher Geſang. O ſagt, (euch iſts bewuſt,) was Amors Ruhe ſtoͤrte, Der in der Wolluſt Schoos auf eure Lieder hoͤrte? Rief dieſen Gott ein Schmaus, den ihm Lyaͤus gab, Ein feyerlicher Tanz, zu Cyperns Nymphen ab? Nein!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/182
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/182>, abgerufen am 24.11.2024.